Die Funken flogen hoch in den Himmel, das Feuer prasselte, es knirschte und knackte.
Die Absturzstelle der Boeing 707 war hell erleuchtet von unzähligen Scheinwerfern. Menschen in Uniformen liefen hin und her, schrien sich Befehle zu. Andere stolperten blutüberströmt über die Lichtung. Ein kleines Mädchen hielt einen Teddy im Arm, über ihre Wangen flossen dicke Tränen aus Blut. Der zottelige Pelz des Bären war rostrot verfärbt. Er trug eine Schleife um den Hals, darin hatten sich die Finger des kleinen Mädchens verfangen. Nun baumelte ihr abgerissener Arm am Halsband des Teddybären. Er schlug gegen ihren Oberschenkel, mit jedem ihrer schleppenden Schritte, sie bemerkte es nicht mal.
Ein großer Mann kreuzte ihren Weg, das kleine Mädchen hielt an, um ihn vorbei zu lassen. Ihre Finger lösten sich aus der Schleife und der Arm fiel mit einem klatschenden Geräusch auf den verbrannten Boden. Der große Mann zog sein rechtes Bein nach, sein Fuß stolperte hinter ihm her, nur verbunden durch eine Sehne, die hell im Scheinwerferlicht glänzte. Er warf der Kleinen einen raschen Blick zu, bevor er an ihr vorbei, auf eines der brennenden Wracks zu humpelte.
Über dem Bruchstück lag jemand auf dem Bauch, das Feuer hatte sich bereits durch den Wildlederrock gefressen. Der Mann packte sie an der Schulter und zog sie herunter. Ein Geräusch, als wenn man ein Klettband löst. Die Frau rutschte nach unten und blieb sitzen. Er ging in die Knie, strich ihr eine Haarsträhne aus der Stirn, die noch kein Opfer der Flammen geworden war. Er öffnete den Mund, aber statt Worte, schoss ein Schwall hellrotes Blut aus seiner Kehle. Es besudelte die Frau, zischte, als es in die Flammen geriet und verdampfte augenblicklich.
Eine Frau, in einer scharlachroten Bluse, taumelte auf die beiden zu. Ihr Kopf lag in einem grotesken Winkel auf ihrer Schulter. Die Wirbelsäule hatte die Haut durchbohrt und stand wie ein erhobener Finger heraus.
Sie tippte ihm auf die Schulter. Als er ihr den Kopf zuwendete, sah sie, dass sein Unterkiefer weit herab hing. Sein Gesicht erinnerte sie an die Scream-Maske, die sie letztes Halloween trug. Die Frau versuchte eine Kopfbewegung, in Richtung der Helfer, die an der Absturzstelle, emsig hin und her rannten. Der Mann nickte und stand auf. Gemeinsam bewegten sie sich auf die Sanitäter und Polizisten zu. Sein Fuß holperte übers Gras, gehalten von einer Sehne, ihr Kopf lag auf ihrer Schulter, die Wirbelsäule zeigte, wie ein anklagender Finger, gen Himmel.
Unterwegs gesellte sich das kleine Mädchen zu ihnen. Ihr blanker Knochen ragte aus ihrer Schulter. Mittlerweile hatte es auch den Teddy verloren, aber er war nun nicht mehr wichtig. Die Helfer bemerkte sie nicht, sie waren viel zu sehr damit beschäftigt, Verletzte zu versorgen.
Erst, als das Mädchen nach einem der Sanitäter griff und ihre Zähne in sein Bein schlug, nahmen sie Notiz von den drei Gestalten.
Aber da war es bereits zu spät.
Der Mann packte zwei der Helfer gleichzeitig, biss ihnen die Kehlen auf. Die Frau stach einem Polizisten ihre Wirbelsäule durchs Kinn, bis tief ins Gehirn. Wie ein gefällter Baum fiel er um. Seinem hilfsbereiten Kollegen rammte sie ihre Waffe ins Brustbein. Als er röchelnd auf dem Boden lag, machte sich die Frau über die zwei Ordnungshüter her. Sie schlug ihnen ihre Zähne in die weichen Bäuche und fraß sie von innen her auf. Der Schrei des Polizisten hallte über die Absturzstelle, wurde von Lebenden und den Toten gehört.

Elly schrie laut und riss die Augen auf, sie schnappte ängstlich nach Luft. Ihre Mutter beugte sich über sie. „Was ist denn los? Hattest du einen schlechten Traum?“ Sie saß neben ihrer Mutter in einer Boeing 707, auf dem Weg nach Rom. Ihre Mutter wiederholte die Frage, Elly nickte und sah sich um.
Auf der anderen Seite saß ein Pärchen, sie sahen Elly mit einem seltsamen Lächeln an. Der Mann hatte ein merkwürdiges, langes Gesicht, beinahe wie ein Pferd, und die Frau trug einen Wildlederrock. Rasch sah das kleine Mädchen in eine andere Richtung. Ihr Blick blieb an einer Frau hängen, mit einer scharlachroten Bluse. Deren Kopf war zur Seite geneigt, er lag schon fast auf ihrer Schulter. Das konnte unmöglich bequem sein, dachte Elly und drückte ihren Teddybären an sich. Plötzlich begann Flugzeug zu schwanken. „Oh mein Gott. Was geschieht hier?“, hörte Elly ihre Mutter kreischen. Ihr Ruf ging beinahe unter, im lauten Geschrei der anderen Passagiere.
Elly warf einen erneuten Blick auf das Pärchen und die Frau in der roten Bluse.
Ihr Lächeln kam Elly geheimnisvoll vor, so, als wüssten sie etwas, dass ihr verborgen war.
Der Finger des kleinen Mädchens verfing sich in der Schleife ihres Teddys, sie kümmerte sich nicht darum. In diesem Moment zerbrach das Flugzeug in zwei Teile und raste brennend auf den Boden zu.

Ende


© by Nadja Christin


1 Lesern gefällt dieser Text.



Beschreibung des Autors zu "Der Flugzeugabsturz (Originallänge)"

Hier ist die Originalfassung, also ungekürzt. Ich hab sie geschrieben, ohne auf die Wortanzahl zu achten. Erst hinterher habe ich sie gekürzt auf 500 Wörter (Zum Vergleich, die ist ja bereits online)
Es wäre klasse, wenn mir jemand sagen würde, wie er/sie die Geschichte findet und vielleicht noch, wie die gekürzte und original Fassung rüberkommt. Vielen lieben Dank.
Liebe Grüße
Söckchen.

Diesen Text als PDF downloaden




Kommentare zu "Der Flugzeugabsturz (Originallänge)"

Es sind noch keine Kommentare vorhanden

Kommentar schreiben zu "Der Flugzeugabsturz (Originallänge)"

Möchten Sie dem Autor einen Kommentar hinterlassen? Dann Loggen Sie sich ein oder Registrieren Sie sich in unserem Netzwerk.