Staffel 3 - Episode 1: Realität oder Fiktion?

Es waren genau 5 Tage seit dem Brand vergangen und Gabrielle hatte seither kein Wort mehr gesprochen. Kai hatte versucht sie zu trösten, aber das schaffte er nicht. Gabrielle wunderte sich selbst, dass sie noch am Leben war. Warum denn? Wofür gab es sie jetzt noch? Zip und ihre Freunde waren alle ums Leben gekommen. Bei einem Brand. Sie war mit ihnen im Feuer eingeschlossen gewesen und trotzdem konnte man keinen retten außer sie. Wie ist sowas möglich? Ihr Ehemann hatte versucht sie zu erschießen und hatte dann plötzlich die Idee ein Feuer zu legen. Vielleicht befriedigte es ihn mehr, wenn er wusste, dass sie unter dem Verlust ihrer Freunde litt, als wenn er sie abknallte und gleichzeitig von der Pein dieser Welt erlöste. Gabrielle hatte kein Gefühl mehr in ihrem Körper. Sie war nur noch ein blasser Geist. Womöglich war ihr Ehemann bereits wieder auf ihrer Spur und würde sie in Kürze doch um die Ecke bringen. Ihr war es egal. Es wäre eine Erlösung von dieser Misere, in der sie steckte. Kai hatte lange auf sie eingeredet, als sie aufgewacht war, aber seine Worte waren für sie nur Luft. Gerade er. Er wollte SIE trösten. Vor gut ein paar Monaten stand er noch im Bordell Türkis und zielte mit einer Knarre auf sie und ihre Freunde. Nur wegen ein bisschen Geld, das ihm Mario damals versprach. Er wechselte schneller die Seiten als jeder andere. Ob er nun obdachlos war oder nicht, kümmerte sie wenig. Sie saß hier im Büro des Bordell Türkis und lauschte der Stille. Seit 5 Tagen war es geschlossen. Für das Bordell Türkis gab es keine Zukunft mehr. Nicht mit mir. Sie spürte das neue Leben in ihr, doch selbst das konnte sie nicht mehr erfreuen. Sie war aufgedunsen und gebläht. Sie sah mittlerweile aus wie eine Trommel. Sie war hässlich. Das Kind hatte keinen Vater. Der richtige Vater war tot, der Ersatzvater verbrannt und ihr Ehemann trachtete ihr und ihrem Kind nach dem Leben. Da wollte man sicherlich kein Lotto spielen, denn die Gewinnchancen waren gleich null.

Gabrielle wollte gar nicht mehr an den Brand zurückdenken. Die Feuerwehr hatte ihr versichert, dass es keine Überlebenden gab außer sie. Die Gäste, die sie vom Bordell Türkis aus mit rüber gebracht hatten, waren schon vorher raus gelaufen. Ihnen war nichts passiert. Was Gabrielle wunderte war, dass sich Greta nicht bei ihr gemeldet hatte. Sie war nicht im Raum eingesperrt gewesen an diesem Abend, sondern sie war bei den Gästen gewesen. Sie musste also auch noch leben. Dass sie sich noch nicht bei Gabrielle gemeldet hatte wunderte sie dann aber auch doch nicht wirklich. Gabrielle wollte Greta damals entlassen, weil sie keinen Sinn in einer Domina für ein Bordell sah. Sie hatte oft falsch gelegen. Greta hatte den Umsatz ordentlich angekurbelt, genauso wie die neuen Räume, die Kendrix geplant hatte. Doch das alles lag weiter hinter ihr. Jetzt gab es nur noch sie, ihr Baby und Kai. Und Kai spielte keine Rolle mehr in ihrem Leben. Das Bordell Türkis würde sie vermieten. Bei dieser Lage und der guten Stammkundschaft würde es weggehen wie warme Semmel. Wenn jemand richtig moderne Ideen dafür hat, wird er wie Kendrix Erfolg damit haben. Da war sie sich ganz sicher. Auch wenn sie in diesem Moment völlig in ihre Gedanken versunken war, bekam sie das Knarksen der Flurdiele mit, die man nur hören konnte, wenn jemand den Flur betrat. Da die Bürotür leicht offen stand, wartete sie darauf, jemand vorbei gehen zu sehen, doch das passierte nicht. Sie schaute mehrere Sekunden zur Tür und erhob sich dann mühseelig von ihrem Stuhl. Das Knarksen hatte sie ganz deutlich wahrgenommen. Sie hatte sich das doch nicht eingebildet. Sie hatte doch abgesperrt. Wer konnte das denn sein? Wer konnte den so spät abends noch vorbei kommen? Als sie in den Flur trat und zu beiden Seiten schaute, konnte sie niemanden entdecken. Das Geräusch war eindeutig von rechts gekommen, wo sich die Treppe nach unten befand. Wenn jemand hinein gekommen war, dann sowieso nur durch den Haupteingang. Und von dort kam man nur über die Treppe und von rechts nach oben. Gabrielle schaute noch einmal hinter sich, aber dort war alles abgesperrt. Diese Seite führte ja bekanntlich zu den Zimmern. Als sie die Treppe nach unten stieg, schaute sie einmal in den Raum hinein. Alles war ruhig. Alles stand noch so, wie zuvor. Ohne ein Wort zu sagen oder ein Geräusch zu hören, schaute sie mehrmals rund. Sie hatte das Gefühl, dass jemand im Raum war, aber sich nicht zu erkennen gab. Ein kalter Hauch überkam sie. Sie drehte sich nochmal um. Doch auch am Ende der Treppe oben stand niemand. Das Knarksen war wieder zu hören. Weiter hinten rechts im Raum. Als sie an der Bar vorbei zum Billardtisch ging, konnte sie immer noch niemanden sehen. Aber da war doch jemand. Irgendjemand spielte ihr einen Streich. Das war doch keine Einbildung. Oder doch?

Als sie zum Eingang ging, war dieser noch immer verschlossen. Es konnte also niemand hinein oder hinaus. Langsam beruhigte sie sich. Sie vergaß die Geräusche relativ schnell und checkte die Emails am Computer im Eingangsbereich. Da war Einiges zusammen gekommen. Sie antwortete niemandem mehr. Sie hatte ja nicht mal mehr Personal. Das Bordell Türkis war am Ende. Die Website kostete einen Haufen Geld und musste auch so schnell wie möglich gelöscht werden. Die Emails waren allesamt uninteressant für Gabrielle und so verließ sie das Emailfach wieder schnell. Und da war auch wieder das Geräusch. Es kam wieder aus dem Raum mit der Bar und den Spielautomaten. Gabrielle hatte jetzt aber genug. Als sie in den Raum hinein kam, fragte sie mehrmals laut und deutlich, wer ihr hier einen Streich spiele. Eine Antwort bekam sie nicht. Es war kein Holz, dass sich bewegte. Nein. Hier war jemand. Vielleicht ihr Ehemann und gleich durchfuhr sie eine Kugel? Oder einer ihrer Freunde, die von den Toten auferstanden war? Sie dachte auch an Greta oder Kai, aber die würden klingeln. Sie hatte das Gefühl, dass in ihrer Nähe jemand stand, aber sie ihn nicht sehen konnte. Es fühlte sich an wie ein Geist. Aber das war es nicht. Das war Quatsch. Also ging sie wieder die Treppe hinauf und setzte sich an ihren Schreibtisch im Büro. Auch wenn das Geräusch einige Minuten nicht mehr zu hören war, hörte Gabrielle es kurz darauf wieder an der Treppe. Jemand war die Treppe hochgekommen. Sie schaute zur Tür und wartete. Nichts. Auch die Tür bewegte sich nicht wie in einem dieser Geisterfilme. Als sie wieder wegschaute, konzentrierte sie sich intensiv auf das Formular, dass sie noch auszufüllen hatte. Das war jetzt wichtig und nicht so eine blöde Ein.........Sie schaute nicht zur Tür, aber da stand jemand darin. Sie sah weder die Beine noch die Schuhe, aber sie spürte, dass dort jemand stand. Als sie wieder zur Tür schaute, sah sie nichts. Niemand. Auch die Tür stand immer noch so weit offen wie vorher. Das war doch........Wieder. Da war doch jemand. Er stand direkt rechts neben der Tür. Es war ja nicht so, als ob sie durch Wände sehen konnte, aber sie vermutete ihn dort rechts im Flur. Nachsehen konnte sie nicht. Sie war wie gelähmt. Irgendwas hielt sie fest. Und dann schrie sie. Immer lauter und lauter. Sie schrie um ihr Leben. Sie schrie sich die Lunge aus dem Hals. Man konnte sie draußen auf dem Parkplatz hören. Man konnte sie sogar auf der Hauptstraße noch schreien hören. Eine groteske Fratze mit dem Gesicht eines Kaspers streckte den Kopf in ihr Büro und kam mit offenem Mund und spitzen Zähnen auf sie zu und biss sich in ihr fest.

"Geht es dir gut?", fragte Michaela im Arm. "Wie geht es dir? Gabrielle? Wir sind alle bei dir! Keine Sorge!". Was war denn jetzt? Wo war sie? Als sich Gabrielle umschaute, saß sie wieder auf der Wiese vor dem verbrannten Bordell Rosé und um sie herum ihre Freunde. Michaela hielt sie im Arm. Zip sprach gerade mit einem Arzt und Kai hatte Felix im Arm. Sie waren nicht tot. Sie waren alle hier. Kendrix lag auf einer Trage, aber sie bewegte sich. SIE LEBTEN! SIE LEBTEN! Gabrielle fand überhaupt keine Worte, als sie alle plötzlich vor ihr standen und mit ihr sprachen. Dann hatte sie nur geträumt. Das konnte doch nicht sein. Sie fand keine Worte. Als Zip bemerkte, dass sie aufgewacht war, nahm er sie sofort in den Arm und drückte sie. "Wird alles wieder gut! Wir fangen nochmal ganz von vorne an! Kendrix ist schwer verletzt, aber es geht ihr gut soweit! Sie kommt durch sagen die Ärzte!". Gabrielle war noch nie so glücklich gewesen wie jetzt. SIE LEBTEN. Doch dann durchfuhr sie noch einmal für eine Sekunde dieser Traum mit dem Kasper und es schauderte sie. Was hatte das zu bedeuten? Was war das denn für ein merkwürdiger Traum? Zip lächelte sie seit Langem mal wieder an und das machte sie glücklicher als je zuvor. Sie dachte nicht länger drüber nach. War ja nur ein Traum. Ein harmloser Albtraum. Sowas träumt man öfters. Kein Grund zur Sorge. Sie musste selbst drüber lachen. Wie der Kasper, der ebenfalls lachte.

Fortsetzung Folgt in Kürze mit Episode 2!

Seralgo Refenoir


© Seralgo Refenoir


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Beschreibung des Autors zu "BORDELL TÜRKIS (STAFFEL 3) (EPISODE 1)"

Endlich kehrt das "Bordell Türkis" mit 20 neuen Episoden in Staffel 3 zurück. Hat das Bordell Türkis überhaupt noch eine Zukunft? Und was geschieht mit Gabrielle, nachdem alle ihre Freunde ums Leben gekommen sind? Wird ihr Ehemann ihr weiterhin nach dem Leben trachten und was geschah eigentlich wirklich am Abend, an dem das Feuer gelegt wurde?

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