Ich bin kein bunter Hund, im Gegenteil, ich bin ein Hund ohne Eigenschaften. Wenn ich einer Strasse entlanggehe, bemerkt man mich nicht. Auch in grösseren Menschenmengen verschwinde ich mit meiner Nichtpräsenz. Sogar im Frühling, wenn ich in einem blühenden Löwenzahn-Feld sitze, bellt mich selten eine Hündin an oder streichelt mich eine einsame Joggerin. Die Wohnung meines jetzigen Besitzers, in der ich leben muss, ist so trostlos wie ein vergilbter Lassie-Film. Das Viertel, in dem ich jeden Tag dreimal pinkeln gehe, ist grau und unbedeutend wie ich. Manchmal stehe ich, wenn es Markt ist, bewusst vor einen Fleischstand, damit mich die anderen Hündinnen überhaupt beachten. Es ist aber nicht einfach. Ich habe keine spezielle Duftnote, belle nie, weil ich Probleme mit den Stimmbändern habe, lasse die Ohren immer hängen und bin meistens antriebslos, auch wenn einmal eine schöne Hündin an mir vorbeistolziert. Ich habe mir schon überlegt, ob ich mich einfach tot stellen soll.


© René Oberholzer


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Kommentare zu "Hund ohne Eigenschaften"

Re: Hund ohne Eigenschaften

Autor: agnes29   Datum: 08.08.2014 20:16 Uhr

Kommentar: Beim lesen mußte ich schmunzeln, eine nette kurze Geschichte ,ich bin neugierig wie es weiter geht.
LG Agnes

Re: Hund ohne Eigenschaften

Autor: noé   Datum: 11.08.2014 9:32 Uhr

Kommentar: Wieso "stellen" - bist Du's nicht schon (der Protagonist in dieser Geschichte) und hast lediglich übersehen, dass dazu auch das Einstellen des Atmens zählt?
noé ;o))

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