Episode 13: Visionen der Zukunft

An einem der kommenden Tage hatte Michaela endlich einen freien Tag und wollte sich unbedingt ansehen, wie die Arbeiten am neuen Bordell von Kendrix voranschritten. Einen Namen hatte es schon: „Bordell Rosé“, wie originell. Die Bauarbeiten hatten nicht nur begonnen, sondern es sah schon richtig nach etwas aus. Die Böden und Wände waren fertig und der Eingangsbereich machte den Eindruck, als würde er morgen eingeweiht werden. Um den Eingang zu erreichen, muss erst eine ziemlich steile Treppe erklommen werden, an deren Spitze man in den Eingang tritt. Originell fand Michaela. Der Parkplatz war größer als bei ihnen. Die Dekoration und Ausstattung wirkte fast schon Lichtjahre entfernt von dem, was Gabrielle den Kunden anbot. Alles wirkte weder kitschig noch billig, sondern sehr modern und luxuriös. Ein Springbrunnen im Eingangsbereich, die Möglichkeit auch Outdoor ein bisschen Spaß zu haben, sogar ein Auto konnte man sich mieten, um für eine Stunde ungestört in der Gegend herum zu fahren und es dort zu treiben, wo man nicht von engen Wänden und Peitschengeräuschen gestört wurde. Das Programm, das hier angeboten wurde, war vielfältig und ausgereift. Von zart bis hart war alles dabei. Hier gab es sogar Männer, die speziell nur für andere Männer eingestellt worden waren. Und damit nicht genug. Was bisher im Bordell Türkis völlig fehlte, gab es hier bereits am Eröffnungstag. Neben allerlei hübschen Frauen und Männern, konnte man auch transsexuelle Partner buchen, die für besonders exquisite Vorlieben zur Verfügung standen. Sadomaso bekam hier erst richtig ein Gesicht. Hier wirkte es ausgereift und greifbar nah. Eine ganze Etage statt nur einem Zimmer widmete sich den harten Dingen des Sexlebens. Auch ein Raum, der einem Krankensaal nachempfunden war, gab es hier. Wer einen Escort für einen ganzen Tag oder sogar eine ganze Woche brauchte, konnte ihn hier für sich buchen. Das war Wahnsinn. Diese Konkurrenz und der Vorfall am Parkplatz des Bordell Türkis würden dem Umsatz sicherlich nicht nur schaden, sondern ihn auf lange Sicht ganz aushebeln. Wer dies haben konnte, würde nicht mehr zu Gabrielle gehen. Wer ins Bordell Rosé konnte, würde doch nicht freiwillig ins Bordell Türkis gehen. So sah es für Michaela aus.

Kendrix hatte sogar gefragt, ob sie nicht wechseln möchte und hier als Zimmermädchen arbeiten kann. Das klang sehr verlockend, vor allem weil Gabrielle fast nicht mehr auszustehen war. Kendrix würde Michaela das Doppelte netto zahlen und hier gab es auch wesentlich mehr zutun. „Überleg es dir doch mal! Hier kannst du dich entfalten und wirklich was erleben! Geh mit der Zeit und lass dich drauf ein! Ich habe auch Felix gefragt und er überlegt es sich auch! Er hat den Eingang gesehen und war sofort hin und weg! Er würde auch nicht mehr alleine dort arbeiten, sondern mit einer hübschen Empfangsdame zusammen! Das hat ihm natürlich direkt zugesagt! Überleg es dir gut! Ich muss recht bald eine Antwort haben, denn in 3 Wochen wollen wir eröffnen und ich brauche das Personal! Wenn ich dich haben kann, dann sage ich allen Anderen ab! Es geht ja nicht nur um Felix oder dich! Barbie hat mir bereits zugesagt! Sie hat seit der versuchten Übernahme von Mario die Nase gestrichen voll! Sie zeigt es zwar nicht, weil sie auf das Geld angewiesen ist, aber sie hat sofort „ja“ gesagt! Sie kommt mit Gabrielle genauso wenig klar wie alle Anderen! Wenn du am Ende das Bordell Türkis mit Gabrielle alleine führen willst, dann bitte! Aber hier verpasst du was, das verspreche ich dir!“. Michaela war wie erschlagen von all diesen Neuigkeiten. Wenn das alles so von Statten ging, wie Kendrix es gerade beschrieben hatte, würde Gabrielle von ein auf den anderen Tag alleine dastehen. Verlassen von all ihren Freunden und zurückgelassen mit einem Baby vom Mörder ihres Liebhabers. Hinzu kämen wohl erhebliche Einbußen der Einnahmen und eine Konkurrenz, die von ihren ehemals besten Freunden geleitet wurde. Warum wusste Gabrielle noch nichts davon? Sie hatte keinen Schimmer. Sowas konnte doch eigentlich nicht sein. Las sie keine Zeitung? War sie nicht mal vorbeigefahren? Auch wenn ihre Wohnung entgegengesetzt lag, hatte sie doch sicherlich davon gehört? Wenn Michaela es ihr nicht sagen würde, fiele sie irgendwann aus allen Wolken. Ob sie das dann auch noch verkraften würde, war fraglich.

Doch Kendrix war es egal. Sie hatte nicht mehr vor, zurückzukehren und Barbie hatte das Schiff schon heimlich verlassen. Jetzt musste Michaela mit Felix sprechen und entscheiden, was sie taten. Und danach musste es Gabrielle erfahren, denn die hatte wirklich genug gelitten und ertragen müssen. Zip ging es immer schlechter gesundheitlich und kam nicht mehr aus dem Bett. In ihren Pausen fuhr sie zu sich nach Hause, um nach ihm zu schauen. Das Baby, das sie von ihm in sich trug, machte sich immer mehr bemerkbar. Es wirkte fast so, als trete es Gabrielle mit Absicht so fest es konnte. Sie bekam immer mehr das Gefühl, dass das Baby sie hasste, was vermutlich nur Einbildung war, aber irgendwie beunruhigend klang. Die Schmerzen, die es in Gabrielle verursachte, waren keine einer normalen Schwangerschaft. Es wirkte fast so, als wolle es frühzeitig rauskrabbeln, um Gabrielle an die Gurgel zu springen. Gabrielle durchfuhr es plötzlich wie von einem Geistesblitz. Nie hatte sie für ihre Verbrechen büßen oder einsitzen müssen. Dass ihr Ehemann und James gestorben sind, ist ihre Schuld alleine. Sie hatte die Verantwortung gehabt. Und es musste ja so kommen. Sowas nennt man Karma. Irgendwann holt es dich ein und beißt dir in den Hintern. Dieses Baby. Jetzt war es soweit. Gabrielle wurde plötzlich alles ganz klar. Das Baby war der Schlüssel. Das Baby reifte in ihr heran, um dafür zu sorgen, dass sie für ihre Taten büßte und sobald es auf der Welt war, würde es diese Buße einfordern. Es war kein Kind. Es war ein Monster, das in ihr wuchs. Es war die Verkörperung aller ungesühnten Taten. Und das redete sie sich von nun an ein.

Es war Schuld daran, dass das Bordell Türkis nicht mehr so lief wie zuvor. Es war auch Schuld an der kalten Stimmung um sie herum. Alles wandte sich von ihr ab, wegen dem Kind, dass sie in sich trug. Es wirkte fast so, als könnte es die Umgebung um sich herum kontrollieren und zum Gehen bewegen. Alle hatten sich von Gabrielle abgewandt und Zip war wieder krank geworden. Seine Infektion hatte er doch lange überstanden und nun war er plötzlich wieder wochenlang erkältet. Ihre Freunde redeten kaum mehr mit ihr und dann tauchte plötzlich auch noch eine Leiche vor ihrer Tür auf, die zerhackt wurde. Und wieder durchfuhr es sie wie von einem Blitz. Diese Leiche war ein Zeichen gewesen. Wie hatte sie das nicht erkennen können. Gabrielle hatte ja zuvor bereits Visionen gehabt, die sie aber nie richtig einordnen konnte. Jetzt konnte sie dies allerdings schon besser. Auch sie würde so enden. Ganz am Ende - so sah sie es vor sich, würde sie auf dem Boden in ihrem eigenen Blut liegen und sterben. Was das Kind damit zutun hatte, sah sie nicht, aber sie spürte seine Anwesenheit, während sie in ihrer Vision ums Leben kam.

Fortsetzung Folgt mit Episode 14 in Kürze!!!


© Seralgo Refenoir


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