Von einem der aus zog um das Glück zu fangen…


Im Dörfchen Breitenbach waren die Leute fleißig, und sie waren auch
mit sich zufrieden.
Nach ihrer Arbeit trafen sie sich in der Dorfschenke zur „ Goldenen
Gans.“ Dort wurde reichlich getrunken und viel erzählt.
Ihre Gespräche handelten immer vom großen Glück. Einige Leute waren
davon überzeugt, dass das Glück hinter den blauen Bergen wohne.
Der Müllerbursche Jacob musste jede Woche einen Sack Mehl zum Schenkenwirt Gotthilf bringen.
In der Dorfschenke machte er immer eine Pause, und er hörte sich im Gastraum die Gespräche der Leute an.
Eines Tages sagte der Dorfschmied Wenzel zu Jacob: „ Wenn ich so jung wäre wie du, würde ich losgehen und das Glück suchen.“
Einige Leute pflichteten dem Schmied bei und meinten, außerdem sei
Jakob kräftig und gesund.
Am anderen Morgen machte sich Jakob auf den Weg in Richtung der blauen Berge. Ihm fiel der Abschied vom Müller Pfannenstiel nicht schwer. Pfannenstiel behandelte Jacob oft wie einen Leibeigen.
Die Sonne schien und sanfter Wind wehte, es war die richtige Zeit
zum Marschieren.
Der Kater Schnurr begleitete den Müllerburschen ein Stück des Weges.
Am Ende des Dörfchens kehrte der Kater um, und er lief nach Hause.
Jacob war schon einige Meilen gelaufen als er an einen Birnbaum kam.
Unter dem Birnbaum saß auf einer Bank eine alte Frau. Die alte Frau
hatte ein liebevolles Gesicht, wenn man von ihren Runzeln absah.
Auf der Bank neben ihr stand eine Kiepe mit Weidenzweigen.
Der Müllerbursche grüßte höflich und fragte:„ Mütterchen brauchst du irgendwie meine Hilfe?“
Die Alte sprach. „ Lieber Bursche, ich hätte gern einige Birnen vom
Baum, ich gelange nämlich nicht an die Zweige.“
Jacob holte der alten Frau fünf Birnen vom Birnbaum, und gab sie ihr.
Sie bedankte sich und fragte. „ Wohin soll es denn gehen?“ Jacob antwortete: „ Zu den blauen Bergen, ich will das Glück fangen.“
Die Alte lachte so heftig, dass sie sich bald verschluckte.
„ Bursche, da hast du dir etwas vorgenommen, denn keiner der dorthin unterwegs war, ist je zurück gekommen.“ Sie machte eine Pause und
sagte danach: „ Dort hinter den blauen Bergen soll es Drachen und Riesen geben.“
Jacob sagte: „ Mütterchen, vor Drachen und Riesen fürchte ich mich nicht.“

Der Müllerbursche setzte seinen Weg fort. Er kam an einen Brunnen an, an dem ein Esel stand. Der Esel versuchte aus den Brunnen zu trinken,
jedoch er erreichte kein Wasser.
Jacob sah des Esels Misere und er schöpfte ihm mit einem Holzeimer Wasser.
Der Esel trank hastig das Wasser bis der Eimer leer war. Der Esel war ein sprechender Esel.
Er sagte: Weil du mir Wasser geben hast, darfst du dir etwas wünschen.“
Jacob sagte: „Lieber Esel kannst du mir den Weg zu den blauen Bergen
zeigen?“
Der Esel sagte: „ Setzt dich auf meinen Rücken und ich trage dich ein
Stück des Weges.
Der Esel trabte so schnell, dass der Bursche große Mühe hatte, um sich festzuhalten.
Nach einigen Meilen hielt der Esel an und Jacob stieg von seinem Rücken.
Der Müllerbursche wollte sich beim Esel bedanken, doch der war
verschwunden als hätte ihn der Erdboden verschlungen.
Frohgelaunt ging Jacob des Weges, denn er wurde vom Esel ein großes Stückes, des Weges getragen.
Es war schon gegen Abend als der Bursche an eine Wegkreuzung kam,
an der ein Bettler saß.
Jacob grüßte den Bettler freundlich, jedoch der erwiderte nicht seinen Gruß.
Der Bettler schaute Jacob mit großen Augen an. Er hatte ein zerfetztes Gewand an und seine Füße trugen keine Schuhe. Der Müllerbursche gab ihm seinen Wams und übergab ihm seine Schuhe.
Jacob sagte noch: Jetzt wirst du auch nachts nicht freieren.“
Der Bettler bedankte sich und sagte: „ Ich gebe dir diesen Beutel.
Wennn du in arger Not bist, klopfe einfach dreimal drauf.“
Der Bursche fragte: „ Was ist denn in dem Beutel drin?“
Der Bettler sagte nur: „ Das wirst du noch zeitig genug sehen.“
Die Nacht breitete ihr schwarzes Tuch aus, und Jacob legte sich
unter eine Tanne. Er schlief schnell ein, denn das Moos, auf dem er lag,
war wie ein weiches Bett.
In der Nacht wachte er auf, durch entsetzlich lautes Geschrei. Im fahlen
Mondlicht sah der Müllerbursche auf der Waldlichtung zwei Riesen streiten. Jacob zog seine Beine an, und er kroch enger an den Stamm
der Tanne. Ihm graute so sehr, das er seine Augen schloss.
Am nächsten Morgen wachte der Bursche auf als wäre nichts gewesen.
Von den beiden Riesen war keine Spur mehr zu sehen.



Er stand auf und ging zu einer Quelle, und dort wusch er sich sein Gesicht. Seine Kleidung stricht er auch glatt.
Danach trank er noch einige Hände mit kühlem Quellwasser und seine Wanderung begann erneut.
Jacob wanderte den ganzen Tag. Gegen Abend kam er an einen
dunklen Buchenwald. Er setzte sich unter eine alte Buche und er
begann das letzte Stück seines Hirsebrotes zu essen. Nachdem er gespeist hatte, schlief er urplötzlich ein.
Der Bursche wachte vom lauten Tonfall auf, und er sah zwei bärtige
Riesen vor sich stehen.
Er hörte wie der größere Riese zum anderen Riesen sagte. „ Da können wir uns ja von dem Burschen eine schmackhafte Suppe kochen.“
Der Müllerbursche wartete gar nicht das weitere Geschehen ab, sondern
er klopfte drei Mal auf seinen Beutel.
Der Beutel öffnete sich und ein riesiger, grüner Geist entschlüpfte aus diesem.
Der Geist packte die beiden Riesen an ihrem Hals, und schlug sie mit
ihren Köpfen zusammen.
Danach ließ er die Riesen los, die wie zwei Mehlsäcke ineinander fielen.
Der Geist verharrte in all seiner Größe, und er schaute den Müllerburschen an. Jacob klopfte drei Mal auf den Zauberbeutel, und
der Geist verschwand in diesem.
Am späten Morgen wachte der Bursche auf, und er musste mehrmals
kräftig niesen. Ein bunter Schmetterling hatte sich auf seine Nase gesetzt. Er schaute den davon fliegenden Schmetterling ärgerlich nach.
Jacob ging den Waldweg entlang und er naschte ab und zu Himbeeren,
die reichlich am Wegrand standen.
Plötzlich hörte er hinter seinem Rücken eine freundliche Stimme. Jacob
drehte sich um und sah eine bildschöne Waldfee vor sich stehen.
Die Fee hatte ein Madonnengesicht und zarte rosafarbene Wangen.
Ihre blonden Haare reichten fast bis zum Boden.
Sie trug ein schleierartiges Kleid und ihren Kopf zierte ein goldenes Diadem.
Die Waldfee sprach zu dem Müllerburschen: „ Jacob, du hast dein Ziel erreicht, aber in diesem Wald findet du auch nicht das Glück.“
Sie ging auf den Burschen zu und sie streckte ihm ihre Hände entgegen.
Die Fee sagte: „ Gib mir den Zauberbeutel, denn der ist dir nicht mehr
zu nutze.“
Der Müllerbursche war so von der Schönheit der Waldfee geblendet, dass er ihr den Beutel, wie in einem Traum, übergab.
Sie nahm den Zauberbeutel und verschwand hinter den Buchenstämmen. Man hörte sie noch rufen, geh nach Hause, geh nach Hause dort wartet das Glück.
Jacob begab sich auf den Nachhauseweg.


Der Müllerbursche brauchte drei Tage um zu Hause anzukommen. Er begab sich nicht zu seinem Lehrmeister, den Müller Pfannenstiel, sondern er ging zu seinem Elternhaus.
Seine Mutter und sein Vater freuten sich sehr, dass sie wieder ihren
Sohn hatten.
Seine Mutter berichtete Jacob überglücklich, das ihre kargen Böden jetzt
mehr Ertrag bringen und das die Kühe mehr Milch geben.“
Sein Vater meinte, so etwas ist einfach nicht zu erklären.
Jacob sagte: „ Vater, das Glück das ich fangen wollte hat bei uns Einzug
gehalten.“
Sie erwirtschaften so manchen Taler, und ihre Geldtruhe füllte sich
rasch.
Trotz ihres Reichtums blieben sie bescheiden, und sie gaben den armen Leuten im Dorf öfter viele glänzende Taler.
Jacob heiratete die Müllers Tochter Sophie, und sie lebten glücklich und zufrieden bis an ihr Lebensende…



11. März 2021 Klaus-Jürgen Schwarz


© Jürgen


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Kommentare zu "Von einem der auszog um das Glück zu fangen..."

Re: Von einem der auszog um das Glück zu fangen...

Autor: Wolfgang Sonntag   Datum: 14.03.2021 14:32 Uhr

Kommentar: Lieber Jürgen,
die Gebrüder Grimm hätten dir Beifall geklatscht ... und ich auch. Du hast es geschickt angestellt dir aus einigen bekannten Märchen Denkanstöße geben zu lassen um zusammen mit deinem Hirn ein ganz neues Märchen zu kreieren. Gern gelesen.
Liebe Grüße Wolfgang

Re: Von einem der auszog um das Glück zu fangen...

Autor: Monika Lipke   Datum: 22.05.2021 23:13 Uhr

Kommentar: Ich liebe Märchen...Hat mir Spaß gemacht das hier zu lesen...

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