Prolog 1 – Rekrutierung des alkoholabhängigen Hexenjägers

© EINsamer wANDERER

>>Mach das du hier raus kommst!<<, schrie der Rausschmeißer.
Stolpernd fiel der Hexenjäger Kaien auf die unbefestigte Straße. Alles drehte sich um ihn. Er war nicht in der Lage sein Gleichgewicht zu halten. Die kühle Nachtluft war ganz anders als der stickige Mief in der Taverne. Kühl streichelte ein leichter Wind über seinen Körper. Kaien spürte den Staub und einige Kiesel unter sich.
>>Und lass dich hier nie wieder blicken!<<, brüllte ihn der Schläger an.
Dämlich lachend schaute der Hexenjäger auf. Dann übergab er sich und schlief in der Lache seines Erbrochenen ein. Ein verhungerter Straßenhund näherte sich ihm verstohlen. Schnüffelte an ihm. Hämisch funkelten die Sterne am Firmament auf Kaien herab. Aber der Hexenjäger war zu betrunken, um seine Umgebung wahrzunehmen. Er merkte auch nicht, wie sich ein Schatten über ihn legte, worauf der Hund schnell floh.

Am nächsten Morgen dröhnte dem Hexenjäger der Schädel. Erschöpft richtete er sich in dem Bett auf und schirmte stöhnend das Licht mit der Hand ab. Verschlafen rieb er sich über sein kantiges Gesicht. Die Bartstoppeln kratzten dabei. Wieder einmal hatte Kaien es geschafft, sich ohne eine einzige Münze bewusstlos zu trinken. Und das zum dritten Mal in Folge. Das war eine neue Bestleistung. Vielleicht konnte er das am heutigen Abend noch weiter ausbauen. Er trank zu oft, um sich zu fragen wie er in dieses Bett gefunden hatte. Vielleicht hatte die Schnapsleiche eines Hexenjägers das Mitgefühl einer holden Meid erregt. Doch erst mal galt es sich zu Orienteren. Kaien schaute an sich herab. Sein Oberkörper war entblößt. Er war unverwundet. Alle Finger, Zehen, Gliedmaßen und die Zunge waren da. Zu den zahlreichen Narben hatte sich keine neue dazugesellt, auch gab es keine blauen Flecke, Prellungen oder Quetschungen. Es hatte also keine Schlägereien oder Messerstechereien gegeben. Noch hatte man versucht ihn irgendwie für seine Geldprellerei körperlich zu bestrafen oder zu foltern. Etwas Seltenes in diesen heruntergekommenen Teil des Landes. Er bemühte sich weiter zu orientierte und sich nicht einfach wieder ins Bett fallen zu lassen. Lautes Anpreisen von Waren, knarrende Räder, peitschendes Knallen gefolgt von lauten Rufen, Fluchen, Zwitschernde Vögel, ein großes Stimmengewirr. Aufgrund der bäuerlichen Redensart konnte man die Oberstadt ausschließen. Er befand sich in der Nähe eines Marktes, wahrscheinlich an der Hauptstraße der Stadt, in der Nähe des Stadttores. Verschlafen fuhr er sich durch die fettigen, langen Haare. Etwas klebte daran. Vorsichtig roch er daran. Angewidert schmierte er das Erbrochene an der Bettwäsche ab. Aus dem Geruch und der Konsistenz konnte er jedoch schließen, was er zuletzt gegessen hatte. Das war im Moment aber nicht wichtig. Die Hose hatte er noch an, aber nicht sein Wams. Andersherum wäre es ihm lieber gewesen. Doch nachdem er in Erwägung zog, dass ihn ein Mann gefunden haben könnte, nahm er diesen Gedanken sofort wieder zurück. Die Taschen der Hose brauchte er nicht nach Wertgegenständen zu durchsuchen. In ihnen war nie etwas. Sie waren von Natur aus leer. Aber wo war der Rest seiner Kleidung? Wo waren seine Tränke und Waffen? Neben dem Bett standen ein kleiner Tisch und daneben die Stiefel von Kaien. Sie waren alt und abgenutzt. Schnell griff Kaien hinein. Er atmete erleichtert aus. Seine Messer waren nicht entdeckt worden. Sein Lederwams lag über einem Stuhl geworfen vor ihm. Es war schmutzig und begann sich an einigen Stellen bereits aufzulösen. An anderen Stellen waren Brandflecke und Löchern von Klingen verschiedenster Art. Schnell zog er sich das Wams über. Danach folgten die abgefetzten Stiefel. Kaien versuchte möglichst nicht in das Licht zu blicken. Seine Augen hatten sich noch nicht wieder ganz daran gewöhnt. Er blickte sich noch einmal im Raum um, bemüht das offene Fenster mit der hellen Sonne möglichst nicht anzusehen. Von seiner Ausrüstung fehlte jede Spur. Deswegen war er wahrscheinlich auch unverletzt. Man hatte ihm die Waffen und Tränke als Zahlung abgenommen. Kaien überlegte, ob er vielleicht etwas aus dem Raum zum Tauschen seiner Bewaffnung mitgehen lassen sollte, ließ aber mit einer wegwerfenden Bewegung davon ab. Möglichst leise stieg er die hölzerne Treppe hinunter. Jedes Knarzen schmerzte in seinen Ohren. Die angeregten Gespräche unten in der Schenke brachten seinen Schädeln zum Explodieren. Selbst das Rauschen seines Blutes war für ihn eine Qual. Er versuchte möglichst niemanden anzusehen. Doch ein alter Mann winkte ihn heran. Kaien beschleunigte seinen Schritt. Er wollte nicht mit ihm reden. Doch der Alte gab nicht so schnell auf. Er sprang hastig auf und lief dem Hexenjäger nach. Schneller als man es ihm zu getraut hätte, packte er Kaiens Handgelenk mit einem eisernen Griff.

>>Nicht so schnell, mein junger Freund. Ich möchte mich mit Euch unterhalten.<< In seiner Stimme lag Wärme und Freundlichkeit, was in Anbetracht der Situation etwas seltsam war.
>>Habe ich überhaupt eine Wahl?<<, fragte Kaien verdrießlich.
>>Ihr habt die Wahl, ob wir unsere Konversation im Stehen oder im Sitzen fortführen wollen.<<
>>Sitzen<<, war alles was Kaien sagte.
Er war zu erschöpft, um sich ernsthaft wehren zu können. Sie gingen zurück zu dem Platz des alten Mannes. Kaum das sie sich gesetzt hatten, wurde dem Alten auch schon das Frühstück serviert. Kaien versuchte möglichst nicht auf das Essen zu schauen. Ihm war schon schlecht genug. Erschöpft stützte er den Kopf mit den Händen ab und versuchte das Dröhnen zu ignorieren.
>>Ich will mich kurz fassen<<, sagte der Mann, bevor er mit dem Essen begann. >>Ich suche einen Hexenjäger.<<
Kaien gluckste verschlafen. >>Ein Hexer der einen Hexenjäger um Hilfe bittet. Einen schlechteren Witz habe ich selten gehört.<<
Der Mann hielt in seinem Essen inne. >>Woher wollt Ihr wissen, dass ich über die Kunst der Magie verfüge?<<
Kaien lachte müde auf. >>Allein schon das! Kunst der Magie<<, äffte er sein Gegenüber nach. >>Ich bin kein Frischling. Ich weiß, woran man Magier erkennt.<<
>>Woran denn, wenn die Frage gestattet ist?<<
>>Ihr habt einen spitzen Hut und einen langen weißen Bart<<
Der Alte verfiel in schallendes Gelächter. >>Und …<<, er wischte sich eine Träne aus dem Augenwinkel, >>und das macht aus mir einen Hexer?<<
>>Nicht unbedingt<<, bestätigte Kaien. >>Menschen die Hexerei benutzen, haben immer dieses gewisse Glitzern in den Augen. Magie stahlt zudem. Es versetzt die Umgebung desjenigen in leichte Vibration. Die meisten Menschen merken es nicht, aber für einen erfahrenen Hexenjäger ist das auftreiben eines Hexers die leichteste Aufgabe. Ihn zu töten ist dagegen oftmals heikler.<<
>>Wollt Ihr damit sagen, dass ihr jeden Magier aufspüren könnt?<<
Kaien nickte träge. >>Genau wie Ihr<<, bekräftigte er.
Gespannt beugte sich der alte Mann nach vorne. Sein Essen war längst vergessen. >>Beweist es mir!<<
Kaien schloss die Augen. Einige Momente schwieg er. Man hätte meinen können, er sei eingeschlafen. Doch in Wahrheit war er hellwach. >>Die freundliche Kellnerin. Sie beherrscht die Hexerei, weiß es aber nicht, sonst würde sie mehr Zurückhaltung zeigen. Sie bewegt und spricht natürlich. Sie zeigt weder Angst, noch Nervosität, Überlegenheit oder Verachtung in ihrer Umgebung, was ein eindeutiger Beweis für ihre Unwissenheit ist.<<
Der alte Mann nickte beeindruckt.
>>Außerdem hätten wir da noch die zwielichtige Gestalt in meinem Rücken unter dem Fenster. Sie trägt eine Kutte. Ihr könnt sie gar nicht verfehlen. Dieser Geselle beobachtet mich schon seit geraumer Zeit. Will vermutlich nur wissen, ob ich ihn jage. Spätestens heute Abend wird er die Beschattung meiner Wenigkeit einstellen, da er zu dem Schluss kommt, dass ich nicht hinter ihm her bin.<<
Der alte Mann klatschte in die Hände und zog mit der Handlung einige Blicke auf sich. >>Beeindruckend. Möchtet Ihr irgendetwas zu essen haben?<<
>>Ich muss diese Kopfschmerzen loswerden<<, drang es undeutlich aus Kaiens Mund. >>Ich will ein Bier.<<
Der Zauberer hielt zwei Finger in Richtung Theke in die Höhe und brüllte über die Gespräche hinweg: >>Herr Wirt! Zwei Biere, bitte! Seid Ihr sicher, dass Ihr ein Bier wollt?<<, fragte der Zauberer nochmal zur Sicherheit.
>>Keine Sorge<<, meinte Kaien verschlafen. >>Es war schon richtig, was Ihr bestellt habt.<<
Kaien spürte musternde Blicke vom Zauberer.
>>Wisst Ihr, ich suche schon seit geraumer Zeit einen erfahrenen Hexenjäger. Auf meiner Suche bin ich einigen begegnet und jeder hatte mindestens ein Laster. Von Frauen über gefährliche Substanzen bis hin zu dem von Euch vergötterten Alkohol. Wie kommt das?<<
Mit einer Handbewegung gab Kaien dem Zauberer zu verstehen sich zu gedulden, denn aus dem Augenwinkel kam die Kellnerin an. Kaien wollte nicht mit trockener Kehle darüber sprechen.
>>Hier bitte, die Herren<<, sagte sie freundlich.
Kaien schielte misstrauisch auf die Krüge. Dabei überlegte er, wie schlimm das Gebräu wohl schmecken würde. Ein Schluck bestätigte seine Ansichten. Das Bier war pisswarm und schal. Aber es war immerhin etwas Alkoholisches. Nach ein paar Schlucken, stellte er den Krug ab. Seine Kopfschmerzen wurden schon etwas erträglicher.
>>Wundert euch das?<<, antwortete er mit einer Gegenfrage. >>Hexerei wird hierzulande als etwas Ketzerisches und Böses angesehen. Ich verstehe die machtgierigen Beweggründe der Adeligen und der Kirche ja, aber ihre Ansichten haben in meinen Augen mehr Unheil angerichtet, als gut war. Der Schaden überwiegt den Nutzen.<<
>>Inwiefern?<<, fragte der Zauberer, während der Hexenjäger einen weiteren Schluck nahm.
>>Ich habe da vor einem Monat … oder waren es zwei? Ist auch egal<<, er schüttelte den Kopf. >>Da sollte ich einen gefährlichen Hexer zur Strecke bringen. Er hatte angeblich die Frau eines Schneiders verführt. Als ich ihn gefunden hatte, bettelte er um sein Leben. Er sagte immer wieder, dass er kein Hexer sei und beschwor mich ihn nicht zu töten. Natürlich war er keiner. Ein Hexer hätte nicht lange gezögert und mir einen Fluch oder eine Höllenkreatur auf den Hals gehetzt.<<
>>Ihr habt ihn also laufen lassen?<<, fragte der Zauberer erstaunt.
>>Natürlich nicht<<, erwiderte Kaien unwirsch. >>Ich habe ihm den wütenden Mob übergeben und meine Belohnung kassiert. Nächstenliebe ist ja schön und gut, aber auch ich muss über die Runden kommen. War aber nicht der schlimmste Anblick, den ich je gesehen habe. Da solltet ihr Euch mal die Berge von toten Hexersäuglingen anschauen. Das sind uneheliche Bastarde gewesen. Allesamt! Keiner war magisch begabt. Aber trotzdem sind sie gleich nach ihrer Geburt getötet worden. Sie wurden verbrannt, gevierteilt, erwürgt, erschlagen und die Göttin weiß was sonst noch. Deswegen haben wir Hexenjäger diese Laster. Deswegen können wir nicht einfach so tun, als wenn nichts wäre. Bei diesem Job hat jeder seine Probleme.<<
>>Und Ihr habt nie daran gedacht, etwas dagegen zu unternehmen?<<
Kaien lächelte. >>Doch einmal. War zu meiner Anfangszeit. Wieder ein unehelicher Bastard. Sie wollten ihn mit der Nabelschnur erwürgen. Ich war nur da, sollte das Kinde seine „bösen Kräfte“ zum Einsatz bringen. Damals hielt ich es für falsch. Ich habe eingegriffen. Ein wütender Mob jagte mich aus der Stadt und die Bezahlung blieb ebenfalls aus.<<
>>Und was ist aus dem Säugling geworden?<<
>>Tot natürlich. Aber so läuft das Geschäft nun mal. Jeder Hexenjäger versucht irgendwann etwas gegen diese Ungerechtigkeit zu unternehmen. Und dafür haben die anderen von uns auch Verständnis. Wir nennen es sogar spaßeshalber die Feuerprobe, weil sich an dem Punkt entscheidet, ob man weitermacht oder es bleiben lässt.<<
>>Und deswegen gibt es hierzulande so wenige magisch Begabte? Weil sie erbarmungslos gejagt und umgebracht werden?<<
Kaien lachte. >>Hier gibt es verdammt viele Hexer und Hexen. Die meisten wissen sich nur zu verstecken. Und das gewöhnliche Volk ist einfach zu dumm um einen von ihnen ausfindig zu machen. Nein, nein. Einige von ihnen leben ein normales Leben. Und die bösartigen unter ihnen, die den Großteil ausmachen, agieren im Verborgenen.<<
>>Wenn wir Magier von Natur aus so böse sind, warum tötet Ihr mich nicht einfach?<<
Wieder amüsierte sich Kaien über die Naivität seines Gegenübers. >>Werde ich etwa dafür bezahlt? Die Hexer sind auch nur Menschen. Es gibt einige gute unter ihnen und eine Menge schlechte. Wenn ich irgendeine Hexe mitten auf der Straße angreife, werde ich aus der Stadt gejagt. Und das ist mir schon des Öfteren passiert. Ein Bespiel: Hexe agiert im Dunkeln. Die Bauern merken nichts von den Vorzeichen ihres Unterganges. Und dann komme ich an. Sehe was passieren wird und wende die Katastrophe ab, bevor jemand etwas merkt. Alles was man sieht ist, dass ich eine unschuldige Frau grundlos auf offener Straße getötet habe. Darauf verzichte ich gerne.<<
>>Warum ignoriert Ihr die Zeichen dann nicht einfach und geht eurer Wege?<<
>>Weil es jemand machen muss und wenn ich der Tor bin, der zur falschen Zeit am falschen Ort ist … Pech. So ist das Leben<< Kaien trank seinen Krug aus. >>Ah! Der wäre geleert. Wir kommen von Thema ab. Was wollt Ihr von mir?<<
>>Ihr seid der Richtige<<, meinte der Zauberer lächelnd.
>>Was wollt ihr?!<<, fragte Kaien, nun mit mehr Nachdruck.
>>Wartet es ab.<< Mit einem mysteriösen Lächeln verließ der Zauberer den Raum und ließ einen verdutzten Kaien zurück.

Der Hexenjäger stand unschlüssig vor dem Wirtshaus Zum furzenden Dachs. „Welcher Witzbold hat sich denn den Namen ausgedacht?“ Kaien schaute noch mal an den Balken an dem ein Kreuz mit Kreide aufgemalt worden war. Der Hexenjäger hatte sich angewöhnt die Wirtshäuser immer zu markieren, damit er sie später mied. Aber diesmal wollte er das Wirtshaus nicht meiden, sondern seine Wertgegenstände zurückholen. Einiges davon war gefährlich und sollte nicht in falsche Hände geraten. Kaien nahm nochmal all seinen Mut zusammen und öffnete die Tür. Ihm wehte der Geruch von Alkohol gemischt mit dem von Schweiß und erbrochenen Essen entgegen. Der Hexenjäger glaubte sogar einen gewissen Verwesungsgeruch auszumachen, aber den konnte er sich auch nur einbilden. Die Luft war dick genug, um sie zu schneiden. Die Taverne war mit Vorhängen verdunkelt worden. Kerzen spendeten ihr schummriges Licht. Leises Stimmengemurmel zu dem sich einige brechlaute gesellten. Es war beinahe schon unheimlich. Zielstrebig schritt er auf den beleibten Wirt mit der hohen Stirn und den Schweinsäuglein hinter der Theke zu. Auf die anderen Gäste achtete Kaien nicht weiter.
>>Ich will meine Sachen zurückhaben<<, seine Stimme war fest und fordernd.
Der Mann sah ihn mit einem unguten Funkeln in den Augen und einen Lächeln an.
>>Kann ich Euch irgendwie helfen?<<, fragte er höflich, beinahe schon zu höflich.
Kaien unterdrückte sein Frösteln.
>>Erinnert Ihr euch nicht mehr? Ich bin der, dem Ihr gestern ohne Sachen zur Tür hinausbefördert habt.<<
Das Lächeln wich nicht aus dem Gesicht des Mannes. Kaien blickte sich um. Einige der Gäste saßen tot auf ihren Stühlen, andere übergaben sich unentwegt. Dem Rest fehlte körperlich wenig. Aber geistig schienen sie mehr wie wilde Tiere zu sein. Wütend packte Kaien den Wirt am Kragen.
>>Was habt Ihr getan?!<<
Die Frage erübrigte sich, als er die schwarzen Fläschchen auf der schmutzigen Theke sah. Sie waren leer.
>>Das waren meine Mixturen!<<
Kaien war ein guter Alchimist. Im Kampf waren seine Tränke hilfreich, doch sein Körper war an die Toxoide gewöhnt. Diese Menschen hatten starke Gifte genommen, die nun teilweise ihren Verstand beeinflussten. Vor Wut fletschte er die Zähne und warf den Wirt von sich. Als er sich umdrehte, war er eingekesselt von verwirrten Menschen. Sie waren gefährlich. Ein Instinkt riet Kaien, einen Schritt seitwärts zu machen. Nur knapp entging er dem Dolchstoß, der eines seiner lebenswichtigen Organe getroffen hätte. Schnell zog er eines seiner versteckten Messer. Er hatte sie mitgenommen, da er stark vermutet hatte, seine Wertsachen nicht ohne Kampf zurückzubekommen. Die plumpen Trunkenbolde stellten kein Problem dar. Sie waren körperlich stark beeinflusst worden. In schneller Reihenfolge schnitt er ihnen die Kehlen durch. Dann kam der Rausschmeißer von letzter Nacht. Der war da schon ein härterer Gegner. Er schwang in hohen Bogen eine Keule aus Holz. Kaien fälschte den Angriff ab. Der Knüppel zerschmetterte einige Dielen. Schnell nutzte der Hexenjäger seine Chance. Er fügte dem Schläger eine Wunde quer oberhalb des Daumens zu. Vom Schmerz geplagt, ließ er die Keule fallen, hob sie aber schnell wieder auf. Viel zu schnell für einen Gegenschlag. Kaien stand gefasst vor dem abgebrochenen Riesen. Die Keule schwebte unheilverkündend über den Kopf des ungeschlachten Mannes. Kaien wusste, was passieren würde. Mitten im schlag flog die Keule aus der Pranke des Rausschmeißers quer durch den Raum. Seine Handfläche war wegen dem Blut und Schweiß rutschig geworden. Bevor der Schläger wusste, wie ihm geschah, schnitt Kaien ihm die Kehle durch.
>>Das war der Letzte<<, keuchte er.
Der Hexenjäger schaute sich weiter um. In einer Ecke fand er dann seine Schwerter, Dolche und den Rest seiner Tränke. Die meisten Fläschchen waren leer. Die überlebenden Gäste würden sich erholen, aber der Kater würde am nächsten Morgen erfahrungsgemäß die Hölle sein. In einer dunklen Ecke bewegte sich ein Schatten. Einer der Gäste erhob sich langsam von seinem Stuhl. Der Hexenjäger hatte ihn für tot gehalten und deshalb nicht weiter auf ihn geachtet. Es war der Mann in der Kutte.
>>Jetzt sind wir ungestört<<, zischte er.
Kaien deutete eine Verbeugung an. >>Wenn Ihr mich nun bitte entschuldigen würdet.<<
Ein Feuerball verfehlte nur knapp Kaiens Kopf und senkte seine langen Haare an. Ein dünnes Rauffähnchen mit dem Gestank verbrannter Haare stieg ihm in die Nase.
>>Ihr werdet mir nicht in die Quere kommen, verdammter Hexenjäger. Niemand kann meinen Plan aufhalten.<<
>>Welchen Plan?<<, fragte der Hexenjäger verwirrt.
Verwundert ließ der Hexer seine Hand mit dem Feuerball sinken.
>>Soll das heißen, Ihr wusstet nichts von meinem Plan?<<
>>Nein und wenn Ihr ihn nicht erwähnt hättet, wäre ich immer noch ahnungslos.<<
Kaien biss sich auf die Zunge. Ihm war sein Fehler zu spät aufgefallen. Er hatte gestanden, dass er nun von einem Plan wusste. Rasch schupste er einen Tisch um und suchte hinter ihm Deckung. Klirrend zerbrachen Krüge. Eine Lache vergifteten Bieres breitete sich auf den Dielenbrettern aus. Kaien machte sich hinter dem Tisch klein. Sein Schwert war wie von selbst gezogen worden. Es war schlank, perfekt ausbalanciert und zweischneidig. Einen gutes Schwert, das für jeden Kampf zu gebrauchen war. Die Zahnräder in Kaiens Kopf ratterten. Er erkannte den ungefähren Plan des Hexers, während ihm Feuerbälle um die Ohren flogen. Der Hexer beherrschte anscheinend nur einen Zauber und besaß wenig Übung. Wäre er erfahren gewesen, würde ihn dieser einfache Tisch aus marodem Holz nicht aufhalten können. Seine Magie war Naturverbunden. Die Naturgewalten unterlagen keinem Schwarz, Weiß, sie waren Neutral. Somit konnte die Gesinnung seiner Magie genauso böse wie auch gut sein. Sein Gegner besaß aggressives Verhalten und litt unter der Angst aufzufliegen. Was bei machthungrigen Hexern häufig der Fall war. Wahrscheinlich wollte er seine Macht durch menschlichen Seelen oder etwas ähnlich abartigen vergrößern. Während der Überlegungen kam der Hexer näher und näher. Inzwischen hatte er aufgehört wie wahnsinnig mit Feuerbällen um sich zuwerfen. Wahrscheinlich waren seine Magiereserven fast aufgebraucht. Ein Schatten legte sich über Kaiens Gesicht. Das Gesicht des Hexers lag im Dunkeln seiner Kutte. In der Hand hielt er einen Feuerball.
>>Noch irgendwelche letzten Worte?<<, fragte er.
>>Ja<<, antwortete Kaien gefasst.
Blitzschnell fuhr sein Schwertarm nach oben, dort wo sich die Kehle des Hexers befinden musste. Blut ergoss sich auf das Gesicht des Hexenjägers. Ein letztes Röcheln drang aus dem Dunkel, bevor der Körper erschlaffte.
>>Hexer sind in der Regel schlecht im Nahkampf<<, sagte Kaien ruhig.
Mit einer großen Kraftanstrengung warf er mit seinem Schwert den Kadaver bei Seite. Langsam erhob sich der Hexenjäger. Er beobachtete kalt das Wirtshaus. Es gab viele Leichen und einige Brandflecken an der Wand hinter ihm. Kaien musste schnell verschwinden, bevor noch…
>>Stehen bleiben!<<
Plötzlich sah sich der Hexenjäger von Wachen umringt. Klirrend fiel sein Schwert zu Boden. Er distanzierte sich davon und hob die leeren Hände, um zu zeigen, dass er unbewaffnet war und keinen Widerstand leisten würde.
>>Festnehmen!<<, bellte der Dienstälteste.

Mit leisem Klirren pendelte der Hexenjäger von der Decke des Kerkers. Durch die kleinen Gitterstäbe des Fensters schienen die letzten rötlichen Strahlen des Tages. Seine frischerbeuteten Waffen waren ihm wieder abgenommen worden. Der Oberkörper war entblößt und blutig geschlagen. Aber das war noch nicht das Schlimmste. Ihm wurde Hexerei vorgeworfen. Er soll die Männer im Wirtshaus vergiftet haben. Wer es überlebt hatte, war von ihm getötet worden. Danach soll er versucht haben mit schwarzer Magie das Wirtshaus niederzubrennen, um seine Spuren zu verwischen. Obwohl einiges dagegen sprach, hatte Kaien die Kerkermeister nicht von seiner Unschuld überzeugen können. Und nun würde man ein unterschriebenes Geständnis verlangen. Der Hexenjäger war jedoch Schmerzen gewöhnt und ließ sich von den Peitschenhieben nicht sonderlich beeindrucken. Plötzlich näherten sich Schritte. Für die Mahlzeit war es noch zu früh. Hatte man nun entschieden, ihn hinzurichten? Doch es sollte ganz anders kommen. In das schummrige Licht der Fackeln trat der alte Mann, mit dem sich Kaien noch am selben Morgen unterhalten hatte. Neben ihm stand ein grimmiger Kerkerwächter.
>>Ihr kommt frei<<, knurrte der Wärter, während er den Hexenjäger von seinen Ketten befreite.
>>Wieso?<<, krächzte Kaien. Seine Kehle war staubtrocken.
>>Ich habe ein, zwei Gefälligkeiten eingefordert, um Euch aus dieser … ungemütlichen Kerkerzelle rauszuholen<<, mischte sich der alte Hexer lächelnd ein.

Mitten in der Nacht. Die Sterne funkeln vom Firmament auf das kleine Gasthaus, in dem Kaien morgens aufgewacht war. Im obersten Fenster brennt noch Licht und zwei leise Männerstimmen unterhalten sich.
>>Ihr habt mich bestimmt nicht aus reiner Nächstenliebe aus diesem Drecksloch geholt. Was wollt Ihr?<<
>>Ich will Euch den Auftrag eures Lebens geben.<<
>>Was ist das für ein Auftrag?<<, fragte der Hexenjäger.
Statt einer Antwort wurde ihm ein ovaler Kiesel mit einer weißen Sonne in einem blauen Kreis in die Hand gedrückt.
>>Was bei der Göttin soll das sein?<<, fragte er misstrauisch, wurde jedoch unterbrochen.
>>Er wird Euch ins Lager bringen. Dort besprechen wir mit den anderen die Aufgabe. Es wird etwas sein, das Eure reichhaltige Erfahrung bedarf.<<
Bevor Kaien weiter nachfragen konnte, begann der Stein zu leuchten. Alle Farben verschwammen vor seinen Augen zu einem Strudel, dem Schwärze folgte.


© EINsamer wANDERER


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Beschreibung des Autors zu "Prolog 1 – Rekrutierung des alkoholabhängigen Hexenjägers"

Also hier sieht man schon etwas von der Fantasy-Welt. Aber wie soll ich den Schauplatz nennen? Ich habe keine Ahnung und bin für alle Anregungen dankbar.

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