Die Katze ewig den Saxophonklängen lauscht

© EINsamer wANDERER

Übertrieben penibel, mit nichts weiter als zwei Fingern, welche durch einen schwarzen Handschuh geschützt waren, übergab einer der Agenten dem Ranghöheren den wiederentdeckten Stein.
»Damit wird es gehen«, meinte der General, während er sich wieder zu den Bildschirmen der Videokonferenz zuwandte. Auf ihnen waren dunkle Gestalten zu sehen. Seine Auftraggeber. Es waren Politiker sowie auch Verbrecher vertreten und beide nahmen sich nur wenig.
Sie hatten seine Mittel bewilligt. Ihr Geld und Einfluss hatte es möglich machen sollen eine neue Generation von Soldaten zu erschaffen. Doch während der Tests waren alle Freiwilligen gestorben. Da hatte man sich einer weniger wichtigen Ressource bedienen müssen. So hatte er Verbrecher bekommen die eh zum Tode verurteilt waren und selbst über ihr Ende hinaus unabdingbare Informationen geliefert hatten, aus der später die Schatten entstanden waren.
Der einzige Überlebende war geflohen. Er war der Schlüssel zur Enträtselung der Formel wie man die perfekten Attentäter schaffen konnte. Während seiner Flucht hatte er ein geheimes Fach der Regierung gefunden und dort diesen unscheinbaren Stein gestohlen, ohne zu wissen was dieser in Wirklichkeit war.
»Hoffen wir für Sie, dass sie dieses kleine Monster finden«, meinte eine der dunklen Bildschirmgestalten mit künstlich verzerrter Stimme. »Er ist eine Bedrohung und sollte jemand die Verbindung zwischen ihm und unserer Organisation finden, so wäre dies für Sie ihr Todesurteil und für uns ein heftiger Rückschlag. Also bringen sie ihn zurück!«
»Keine Sorge, Sir«, meinte der General, wobei er betont den Stein hochhielt. »Mit dieser endlosen Energiequelle kann er uns keinen Ärger mehr bereiten. Wir finden ihn.«
»Das will ich Ihnen auch raten. Bringen sie ihn zurück – tot oder lebendig.«
»Jawohl, Sir.« Mit einem Salut beendete der General die Konferenz.

Es war Ahrimans erste Nacht in der er mal wieder durch die Stadt wanderte, seit dem Silent und er miteinander verschmolzen waren.
Warum der Drang zum Menschen zu werden diese Nacht ausblieb, überstieg das Verständnis des einfachen Straßenkaters.
Silent hingegen hatte einige Theorien dazu. Entweder wurde seine Macht größer und somit die Kontrolle über die Verwandlung oder es lag an dem harten Kampf mit Degraded von dem er sich immer noch die Wunden leckte. Möglicherweise war es auch das Zusammenspiel der beiden Faktoren.
Während der Mensch darüber grübelte, genoss der Kater die Vorzüge der Nacht, während die Passanten auf den Gehwegen ihn keines Blickes würdigten. Ahriman war das egal. Er sog mehr die vielen bunten Lichter in sich auf. Das Licht eines Fernsehers im Schaufenster erregte seine Aufmerksamkeit.
»Das bist doch du«, miaute er.
Silent hörte auf mit dem Nachdenken und konzentrierte sich darauf durch die Augen des Katers zu sehen. Er war wirklich im Fernsehen. Genauer gesagt war er wieder in den Nachrichten.
Die Aufnahme zeigte ihm aus der Luftperspektive umgeben von Feuer, in jeder Hand ein Dolch. Eine Rauchschwade verdeckte seine Züge. Dann war er auch schon wieder verschwunden. Einige Sekunden darauf war der Kameramann von einer Druckwelle von den Füßen gerissen worden. Es musste sein letzter Kampf gewesen sein. Nur zu gerne hätte Silent gehört, was währenddessen gesagt wurde, doch es war ein Elektronikfachgeschäft und der Fernseher schien ohne Ton im Schaufenster zu laufen.
Er fragte sich gerade nach dem Verbleib seines Gegners, doch wurde er von einer wundervollen Melodie aus seiner Grübelei gerissen. Auch Ahriman gefiel diese Musik. Von Neugierde getrieben, rannte der Straßenkater durch eine dunkle Seitengasse den Klängen hinterher, wie eine Maus dem Flötenspieler.
Schließlich erreichte der Kater die andere Seite und blickte neben sich eine Saxophonspielerin. Sie trug eine Schirmmütze die tief ins Gesicht gezogen war. Ihre Bewegungen harmonierten perfekt mit den Klängen ihres Instruments. Die Lichter der Stadt wurden magisch von der Frau angezogen und ließen sie in ihrem Schein baden.
Am liebsten hätte Ahriman hier für immer gestanden.
Wie aus dem Nichts spürte der Kater einen eisigkalten Luftzug der ihm den Rücken hochkroch. Panisch drehte er sich um. Vor ihm ragte ein hochgewachsener, dürrer Mann im dunklen Mantel und Hut auf. Den hochgeschlagenen Kragen und die Sonnenbrille machten es unmöglich sein Gesicht zu sehen und für Ahriman war es aufgrund seiner geringen Körpergröße noch schwerer.
Silent löste sich von den Klängen und merkte auf. Er hatte ein ungutes Gefühl. Ahriman spürte die Gefühle des Mannes ebenfalls.
Lauf!, war alles was der Held sagte, aber es war schon zu spät. Die Katze war umzingelt von den Mäntelmännern, die zu den Schatten gehörten.
Ohne große Worte hoben sie den um sich kratzenden Kater hoch.
»Hey, lassen sie doch die Katze in Ruhe«, sagte eine Stimme die der Saxophonspielerin gehörte zu der sich die Schatten umdrehten.
Ahriman nutzte die Chance. Er kratzte den Mann vor ihm mit seinen Hinterläufen. Vorschreck wich der Schatten zurück. Die Sonnenbrille fiel zur Seite auf die Straße. Wütend knurrend wandte er dem Kater sein Gesicht zu. Er hatte keine Augen, nur schwarze Löcher. Die Schatten waren lediglich Späher, die mit der Aufgabe betreut waren Silent aufzuspüren. Mit der bloßen Faust schlug der Schatten nach Ahriman, dem darauf die Luft wegblieb.
Plötzlich wurde er fallengelassen. Unsanft plumpste der schwarze Streuner zur Erde, während die Saxophonspielerin den Schatten, welcher bis eben noch den Kater festgehalten hat, eins mit einem aus dem Nichts herbeigezauberten Baseballschläger überzog. Die Schatten stürzten sich darauf auf sie.
Silent wollte helfen, doch er konnte nicht aus diesem Körper raus.
Überlass das mir, beruhigte ihn sein Wirt. Durch die Verschmelzung der beiden war Ahriman kein gewöhnlicher Streuner mehr und verfügte über ähnliche Fertigkeiten wie Silent.
Fauchend sprang der Kater aus dem Stand einem der Späher in den Nacken und krallte sich dort fest.
Einer der Schatten zog ein Messer und versuchte damit die Katze zu erstechen, doch Ahriman wich dem Messer aus, biss in die stumpfe Seite der Klinge und riss dem Späher im Flug die Waffe aus der Hand.
Kraftvoll stieß sich der Kater mit dem Messer im Maul von seinem Opfer ab, drehte einen Rückwärtssalto in der Luft und landete mit seinen vier Pfoten auf der Erde.
Jetzt wanden sich alle Gegner ihm zu, während die Saxophonspielerin bewusstlos auf der Straße lag.
Ab da ging alles rasend schnell. Ahriman sprang, mit seinen messerscharfen Krallen schlitzte er die Kehlen der beiden Schatten links und rechts auf, während der dritte Späher den Biss des Messers zu schmecken bekam.
Alle drei fielen sie gurgelnd und blutsprudelnd zu Boden.
Innerlich nickend meinte Silent: Beeindruckend, während der Kater sich das Blut vom Fell leckte.
Ein großer Knall und er war da. Der Kater hatte noch nicht einmal die Gelegenheit sich den vom Himmel gefallenen Roboter anzusehen, ehe seine Rakete ihn erwischte.
»Hab ich dich, du Dreckskerl«, kam es lachend aus einer Lautsprechanlange der von einem Menschen besetzten Maschine.
In der Staubwolke tauchte ein Schatten auf. Ein schwarzer Schuh durchstieß zuerst den Rauch, in das Sichtfeld des Soldaten, dann folgte der Rest. Silent war wieder da.
»So wie es aussieht, ist Adrenalin auch ein guter Auslöser für die Verwandlung«, murmelte er zu sich selbst.
»Was hast du gesagt?«, fragte der Soldat im eisernen Exoskelett.
»Nichts«, antwortete Silent.
»Ich bring dich zurück, Arschloch. Tot oder lebendig, du kannst es dir aussuchen.«
»Keins vom beiden«, antwortete er trocken. »Ich gehe nicht zurück. Nie wieder, hörst du?«
»Dann also tot«, meinte der Soldat knurrend und eröffnete damit den Kampf.
Silent zog in einer verschwommenen Bewegung einen seiner Dolche und raste auf den Gegner zu. Der Soldat schoss eine weitere Rakete ab. Der Held verlagerte sein Gewicht nach hinten und drehte seinen Oberkörper beiseite und ließ somit die Rakete an sich vorbeisausen, während er sie mit seinen Blicken verfolgte. Als sie vorüber war, verlagerte der Held sein Gewicht wieder nach vorne. Er bückte sich im Laufen und legte die Arme eng an den Körper, um weniger Luftwiderstand zu haben. Der Roboter nutzte nun seine Gatling, um Silent mit Blei zu durchsieben, doch er war schon zu nahe dran. Wieder verlagerte er sein Gewicht nach hinten, diesmal so weit dass er über dem Asphalt und durch die Beine seines Gegners schlitterte. Die Maschine war behände und konnte sich nicht schnell drehen. Silent spreizte die Finger, sprang in den Handstand und von da auf den Rücken des Roboters. Gerade noch rechtzeitig erreichte er den toten Winkel seines Gegners des auf dem eine eingeschraubte Platte befestigt war.
»Was machst du da?!«, fragte der Soldat sichtlich entsetzt. »Lass das!«
Wahrscheinlich verbarg sich dahinter die Steuerungseinheit. Mit einem grimmigen Lächeln stach Silent seinen Dolch in die Einheit. Die Stromschläge kümmerten den Flüchtigen kaum. Sie kribbelten ihn nur.
Auch das er sich mit dem Roboter in die Luft erhob, scherte ihn wenig. Unter sich sah er wie alles immer kleiner wurde. Die Menschen, die Straßen, die Gebäude einfach alles.
Während der Soldat schrie, weil er scheinbar die Kontrolle über seine Systeme verloren hatte und die ganze Zeit meinte dass der Antrieb, welcher wie Silent dem hysterischen Kreischen entnehmen konnte der unscheinbare Stein war, den er gefunden hatte, in die Luft fliegen würde, dachte Silent nur an das was er in den letzten Tagen getan und erlebt hatte.
Ihm wurde bewusst, dass er in Frieden sterben konnte, auch wenn er seine Rache nicht genommen hatte. Diese Erkenntnis brachte ihm zum Lachen. Es fühlte sich an, als ob er zum ersten Mal in seinem Leben herzhaft lachen konnte. Er war glücklich.
Dann überlasteten die Systeme des Roboters und er explodierte mit dem Piloten und mit dem Helden. Es regnete Teile auf die Stadt nieder.
Danach herrschte Stille. Stille und schweigen.

Nach der Explosion blieb Silent verschwunden. Zwei Wochen darauf tauchte Degraded wieder auf. Niemand vermochte ihn aufzuhalten.
Niemand außer einem Mann …

The End?


© EINsamer wANDERER


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Beschreibung des Autors zu "Die Katze ewig den Saxophonklängen lauscht"

Schlusswort:

Ja, ich weiß, dass das hier nicht meine beste Arbeit ist, aber ich habe den Text so oft überarbeitet und es wird einfach nicht besser. Ich habe inzwischen beschlossen alle Storylines der "alten Generation" endlich mal abzuschließen. Es ist einfach zu lange her, dass ich mich da wieder rangesetzt habe. Der letzte Teil dieser Reihe ist noch von 2011! Über ein Jahr lang habe ich dieses Projekt aufgeschoben. In der Zeit habe ich mich so stark weiterentwickelt (sowohl als Künstler als auch als Mensch), dass es mir schwer fällt dieses Projekt wieder aufzunehmen. Ich bin allerdings noch nicht bereit das hier endgültig abzuschließen. Vielleicht werde ich in Zukunft die Reihe fortsetzen. Deshalb das Fragezeichen. Sollte irgendwann einmal der Zeitpunkt kommen, an dem ich weitermachen werde, wird das "The End" durch ein "Fortsetzung folgt ..." ersetzt. Lassen wir uns also überraschen, was die Zukunft bringen mag. Ich weiß, es ist nicht die beste Story, aber wie alle seine Vorgänger und Nachfolger ist auch dies hier nur wieder ein Übungsstück. Es ist egal wie gut oder schlecht sie sind. Für mich ist alles "bloß" ein Übungsstück.
Ich hoffe ihr hattet trotzdem etwas Spaß an dieser Story.
Einen schönen Tag noch.

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