Liebe Studierende und Freunde des Diagonal-, Überkreuz- und Selbstdenkens,

in einem meiner früheren Vorträge habe ich einmal die These aufgestellt, dass es eigentlich nicht etwa 8 Milliarden menschliche Einzelwesen auf dem Erdball gibt, sondern dass das, was wir als einen Einzelmenschen bezeichnen, lediglich eine einzige Zelle im Organismus eines erdumspannenden Lebewesens namens „Menschheit“ ist.

Ich hatte auch auf das absolut unbefriedigende und eigentlich dringend notwendige Zusammenwirken dieser Zellen hingewiesen, von denen ja Teilgruppen andere Teilgruppen in sogenannten Kriegen bekämpfen und damit die Lebensfunktionen des Gesamtorganismus’ „Menschheit“ massiv gefährden.

Wie Sie wissen, deckt Sprache semantische Wahrheiten oft besonders gut auf, weil sie Bilder und Metaphern schaffen kann, die schwer zu beschreibende Umstände klarer und verständlicher machen, als es der Versuch vermag, sie grammatikalisch und sachlich korrekt in den Raum zu stellen.

Es gibt aber auch noch eine andere Seite, die ich nicht unerwähnt lassen will. Zuweilen vermag Sprache die Wahrheit hinter einer Aussage eher zu verwirren. Ich möchte damit zugleich auf eine besondere Kommunikationsschwäche der Einzelzellen des irdischen Gesamtorganismus’ hinweisen, die man ohne Schwierigkeiten bei ihrem alltäglichen Sprachgebrauch beobachten kann.

Diese Zellen, fälschlich als Einzelmenschen bezeichnet, betreiben ihre Kommunikation mit anderen Zellen oft nicht sprachlich nach dem Sinn ihres Inhaltes, was ja naheliegend wäre, auch nicht nach dem, was die Wirkung ihrer Kommunikation ausmacht, sondern sie versuchen absurderweise – zumindest in unserem Sprachraum – sie mit räumlichen Begriffen sprachlich zu erfassen, was mit dem Sinn von Kommunikation ja wenig oder eigentlich gar nichts zu tun hat.

Ich nenne Ihnen jetzt einige Beispiele: Wenn diese Einzelwesen ausdrücken wollen, was sie von anderen denken, sprechen sie über diese. Wenn sie ihre technischen Kommunikationsgeräte benutzen – rufen sie andere unter einer bestimmten Nummer an. Wenn sie andere täuschen, machen sie ihnen etwas vor, und das nennen sie dann – wo bleibt da bitte schön! die Logik? – Hinterlist. Selbst Begriffe wie überlegen, vorschlagen oder hinterfragen scheinen mir eigentlich unlogisch zu sein.

Und gerade in diesem Zusammenhang fällt mir noch eine Situation ein, bei der topografische Angaben nicht nur verunsichern, sondern sogar vollkommen in die Irre führen. Über sehr entfernte Verwandte sagt man oft, dass der Betreffende mit einem nur „über drei Ecken“ verwandt sei.

Aber stellen Sie es sich einfach mal vor! Wenn Sie an der linken unteren Ecke eines Quadrates stehen, dann nach oben gehen, dann um die erste Ecke, dann nach rechts, dann um die zweite Ecke, dann nach unten und schließlich unten um die dritte Ecke. Dann kommen Sie wieder genau an dem Punkt an, von dem aus Sie gestartet sind. Dienen drei Ecken also wirklich als sinnvolles Bild für eine besonders entfernte verwandtschaftliche Beziehung? Denken Sie also bitte einmal grundsätzlich darüber nach, ob räumliche Begriffe wie „über“, „unter“, „vor“, „hinter“ oder gar „um drei Ecken“ bei der Kommunikation oder beim Verwandtschaftsgrad wirklich eine Rolle spielen sollten.

Wäre es also nicht eher angebracht, sich in diesen Fällen eher durch inhaltliche statt durch topografische Begriffe auszudrücken?

Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit, was ich durchaus inhaltlich meine, obwohl meine Worte ja von meinem Katheder hier vorn ihren Weg hinauf zu Ihnen ins Auditorium nehmen. Auch hier die bereits erwähnte Absurdität, mit der ich für heute schließen möchte, ohne sie weiter zu hinterfragen.

❖❖❖


© Peter Heinrichs


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Beschreibung des Autors zu "Über den Unsinn räumlicher Begriffe (Episode 18)"

Der 18. Vortrag des sich immer an den Grenzen zum Irrsinn aufhaltenden Professors Anatol Hirnzwick

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Kommentare zu "Über den Unsinn räumlicher Begriffe (Episode 18)"

Re: Über den Unsinn räumlicher Begriffe (Episode 18)

Autor: Michael Dierl   Datum: 05.02.2022 19:30 Uhr

Kommentar: Top!!! Ja, das ist schon sehr spitzfindig aber wenn man alles auf die sog. Spitze treibt ist es wohl auch logisch und was logisch ist das...............Bingo!

Gern gelesen!

lg Michael

Re: Über den Unsinn räumlicher Begriffe (Episode 18)

Autor: mychrissie   Datum: 07.02.2022 10:05 Uhr

Kommentar: Danke, lieber Michael,

Dein Interesse an den krausen Gedankenexperimenten des Prof. Anatol Hirnzwick scheint ja erwacht zu sein. Wenn ich Deine Email-Adresse hätte, könnte ich Dir ja ein pdf des ganzen Buches schicken.

Am besten man verinnerlicht Hirnzwicks Motto:

Ob die Vernunft blind ist? Wie soll ich das wissen? Ich habe ihr noch nie in die Augen geschaut, sie ist doch schon mein ganzes Leben lang auf der Flucht vor mir.

Gruß aus München, Peter

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