Karl und Anna waren eigentlich ein ganz normales Ehepaar, natürlich mit Ansprüchen.
Karl arbeitete seit fast zehn Jahren als Kassierer im Bankhaus 'Crösius' und Anna hatte sich auf 'Tupperware' spezialisiert, sie fuhr wöchentlich dreimal übers Land um bei interessierten Hausfrauen ihre Ware an den Mann zu bringen.
Da sie beide gut verdienten, hatten sie sich ein kleines Häuschen vor der Stadt gebaut, natürlich mit Doppelgarage, die Ansprüche wurden ja auch immer größer. Ein Mercedes für Karl und einen etwas größeren Kombi für Annas Tupperware. Das waren ihre Standards.
Einen Urlaub hatten sie sich noch nie gegönnt, sie waren sparsam und auch am Essen liebten sie die Zurückhaltung!

Eines Tages wurde Karl in das Büro von Otto Crösius gerufen, dem Senior- Chef der Bank. Karl rückte sich die Krawatte zurecht, die eigentlich stets korrekt saß, räusperte sich und klopfte an die Vorzimmertür.
„Ja bitte?", Karl öffnete die Tür und trat ein.
Frau Wimmer, die Sekretärin von Herrn Crösius, lächelte ihn an, "Sie können gleich reingehen", sagte sie und zeigte dabei auf die dick gepolsterte Bürotür.
Karl sagte "danke" klopfte und trat ein.
Otto Crösius saß hinter einen wuchtigen Schreibtisch, das Büro war geschmackvoll eingerichtet, eine große Vase mit Sonnenblumen stand in der Nähe des Fensters. Crösius sah von seinen Papieren auf, "Ah, da sind sie ja!" Dabei zeigte er auf einen Stuhl vor dem Schreibtisch. Karl setzte sich.
„Ja also Herr...?" Karl beugte sich etwas vor... "Weniger... Karl Weniger". Crösius nickte, natürlich. „Wie lange arbeiten sie schon in meiner Bank?" „Es werden nächsten Monat genau zehn Jahre!"
„Sieh mal an wie die Zeit vergeht!" Crösius nickte, dann griff er in ein Holzkästchen welches vor ihm auf dem Schreibtisch stand, griff hinein und zog eine große dunkelbraune Zigarre hervor, er sah auf die rot-blaue Bauchbinde und hielt die Zigarre an seine Nase, geräuschvoll sog er den Duft dieser edlen Kostbarkeit ein. Dann reichte er sie an Karl weiter, „hier...!“
Karl sah ihn überrascht an, sagte „danke“ und wollte die Zigarre in seine Reverstasche stecken. „Aber nicht doch" sagte Crösius, „sie sollten nur einmal daran riechen. Karl roch daran... „ja, gut.“
Crösius sagte, "Das ist der Duft, der mich mein ganzes Leben lang nach vorn getrieben hat, dieser Duft war der Motor meines Lebens.“
Er nahm Karl die Zigarre wieder ab, knipste das Ende mit eine kleinen Zange ab, entzündete ein Streichholz, hielt es an die Spitze und zog den warmen, blauen Rauch tief ein. Eine ganze Weile saß er so mit geschlossenen Augen. Karl wagte nicht sich zu bewegen. Crösius sagte plötzlich, „Diese Zigarre kostet fünfzig Euro und ich habe mein ganzes Leben lang dieses eine Ziel vor Augen gehabt, ich kann also sagen, dieser Zigarre verdanke ich mein Vermögen!"
„Ach ja, was ich ihnen sagen wollte, ab nächsten Monat sind sie in meiner Bank der erste Kassierer, ihr Gehalt wird dem entsprechend hoch sein. Machen sie weiter so, Herr...?" „Weniger..., Karl Weniger!" „Ja natürlich!" „Und noch etwas, ich würde sie gern mit meiner Frau, am kommenden Samstag... sagen wir gegen 18.oo Uhr besuchen, ich bin stets daran interessiert wie meine besten Mitarbeitet so leben!"
Karl sagte mit rauer Stimme, „Aber ja, das freut uns sehr.“

Zuhause erzählte er seiner Frau von dem Gespräch, seinem neuen Posten und der Gehaltserhöhung, als er dann sagte, Crösius möchte am Samstag mit seiner Frau zu Besuch kommen, wurde sie blass. „Aber Karl, da müssen wir doch etwas ganz Besonderes auftischen und ich kann kaum etwas tun, ich habe mir gerade heute die Hand verstaucht, ich könnte nicht einmal Kartoffel schälen!" So berieten sie beide was sie machen könnten.
Anna hatte dann eine Idee, „meine Kundin, die Frau Holzhuber ist eine ausgezeichnete Köchin, ich werde sie bitten, uns am Wochenende zur Hand zu gehen.“
Sie stellten einen Plan zusammen... „also Rehrückenfilet mit Preiselbeer -Schaum und selbstgemachte Kartoffelklöße, als Nachtisch dann flambiertes Eisparfait mit Kokos-Ananas-Sahne. Der krönende Abschluss sollte dann ein teurer französischer Champagner sein, der am offenen Kaminfeuer getrunken wird.“
Karl rechnete schon jetzt „... mein Gott, was das alles kostet! Aber was tut man nicht alles für die Karriere!“

Samstagnachmittag - Frau Holzhuber war pünktlich und brachte alles für ihre Arbeit mit. Karl, der den Champagner besorgen wollte, brachte nur eine große Flasche Mineralwasser mit Kohlensäure mit, das viele Geld für den Champagner wollte er sparen.
Danach hatte er eine Unterredung mit Frau Holzhuber.
Pünktlich um 18.00 Uhr kamen Herr und Frau Crösius. Galant überreichte Otto Crösius einen wunderschönen Blumenstrauß und Anna war ganz verlegen vor lauter Aufregung. Herr Crösius sagte ein paar nette Worte, lobte die Tüchtigkeit ihres Mannes und sagte zu seiner Frau, „ich rieche den köstlichen Duft von Gebratenem und Gesottenem.“
Jetzt meldete sich auch Karl zu Wort, "Unseren lieben Gästen zu Ehren gibt es heute Abend Rehrückenfilet mit Preiselbeerschaum und echten Thüringer Klößen, als besonderen Abschluss reichen wir einen edlen französischen Champagner.“
„Oh" und „Ah" von Herrn und Frau Crösius.
Man nahm im Speisezimmer Platz, das Essen war wirklich köstlich, danach ging man ins Kaminzimmer, hier knisterte ein schönes Holzfeuer vor sich hin.

Plötzlich ertönte aus der Küche ein lautes Scheppern und ein verzweifelter Aufschrei von Frau Holzhuber, Karl sprang vom Tisch auf, „mein Gott, was ist da passiert?“ Er stürzte in die Küche, hinter ihm kam auch Otto Crösius angelaufen, in der Küche stand Frau Holzhuber in Tränen aufgelöst. Karl rief verzweifelt „haben sie etwa den Champagner fallen lassen?“
Frau Holzhuber schluchste „...nein, das Mineralwasser!


© GünterWeschke


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Beschreibung des Autors zu "Hoher Besuch"

Geiz und Karriere passen nicht zusammen. Hier wird ausführlich dargestellt, wie der einzelne Mensch sich verhält und wie das Schicksal zuschlägt.

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