Vor langer zeit hatte ich einen schrecklichen Traum, der mich Tag für Tag heimsuchte. Aus Angst davor einzuschlafen, suchte ich mir eine Beschäftigung die mir die Müdigkeit nehmen würde. So kam es, dass ich meine Arbeit als Rosenkavalier aufnahm. Jeden Abend, als sich die Leute zur ruhe legten und die Nacht ihr schönes Antlitz preisgab, schlüpfte ich in meinen schwarzen Catsuite und tigerte durch die Vorgärten der Stadt um die schönsten Rosen zu schneiden. Sobald es hell wurde und sich die ersten Strahlen der Sonne zeigten, machte ich mich auf zum Markt um meine Ware zu verhökern. Darin war ich sehr gut, denn ich hatte eine besondere Verkaufsstrategie. Ganz früh, wenn sich der Markt gerade füllte und die Händler noch dabei waren, ihre Stände aufzubauen, kamen auch die Küchen- und Restaurant Chefs aus den edelsten Lokalen um frische Ware einzukaufen. Wann immer ich einen dieser Schniesel ausmachte, machte ich ihm ein Angebot, was er nicht ausschlagen konnte. Ich nahm ihn dazu etwas beiseite und sagte: Ich mache dir ein Angebot, was du nicht ausschlagen kannst. Ich verkaufe dir all meine Rosen für nur dreihundert Mark. Dann hielt ich einen Moment inne und gab ihm eine Kopfnuss. Dann gab ich ihm noch eine Kopfnuss und schnell wurden wir uns einig. Mit meinen Einnahmen in der Tasche machte ich mich dann auf zum Achterbahn fahren oder ins Schwimmbad um von Zehner zu springen. Ständig jagte ich dem Adrenalinkick hinterher, da ich eine Heidenangst davor hatte einzuschlafen und jenen fürchterlichen Traum zu träumen. Manchmal nahm ich mir die Zeit und wartete hinter einer Schule. Wenn es zur Pause schellte, kamen die ganzen coolen Jungs, die die sich noch was trauten, hinter die Schule um dort zu kiffen oder zu knutschen. Wenn ich Glück hatte, kam gleich ne ganze Horde dieser Boys, denen ich dann die dreihundert Mark versprach, wenn sie es schaffen würden, mir die Eingeweide aus dem Leibe zu prügeln. Ja ja, ich war ein echter Adrenalinjunkie. Doch egal, wie sehr ich mich ins Zeug legte und was ich auch anstellte, letztendlich holte sie mich dann doch immer wieder ein und legte einen schwarzen Schatten über mich. Die Müdigkeit. War dann auch ganz egal, was ich grade machte, ich kippte dann einfach um und ratzte weg. Ist mir schon oft passiert, dass ich mitten auf dem Zehner eingeschlafen bin und nur davon wieder wach wurde, dass ich mittels Elektroschock wieder zurückgeholt wurde. Da bin ich nämlich die ganzen zehn Meter runter, voll auf die Kacheln gedonnert und hab mir alle Knochen gebrochen. Danach musste man mich in ein künstliches Koma versetzen, da ich die schlimmen Verletzungen sonnst nicht überlebt hätte. Doch aufgrund meiner Panikattacken, die ich während meines Komazustands erleiden musste, hatte man sich dazu entschlossen, mich mit Elektroschock wieder wach zu rütteln. Hätt ich denen auch gleich sagen können, dass es für mich nichts Schlimmeres gibt als Schlaf. Und dass ein künstliches Koma Folterung auf höchstem Niveau ist. Daraufhin, hab ich dann natürlich das gesamte Krankenhaus verklagt und von dem Geld (Es kam zu einer außergerichtlichen Einigung) konnte ich dann meinen Urlaub im Krisengebiet finanzieren, wo ich es tatsächlich geschafft habe, über drei Wochen nicht ein Auge zuzumachen.
Eines Tages, als ich wieder einmal schweißgebadet aus meinem Alptraum erwachte und mich schreiend und bibbernd an mein Schnuffelkissen klammerte, fasste ich den Entschluss, mich meinen Ängsten zu stellen. Das war der Beginn meiner Reise und der Anfang dieser Geschichte.

Ich hatte mich dazu entschlossen in den Süden aufzubrechen. Da ich keine genaue Vorstellung davon hatte, wie oder wo ich mich meinen Ängsten stellen sollte, machte ich diesen Entschluss vom Wetter abhängig. Der Weg sollte mein Ziel sein, also kündigte ich meine Jahreskarte im Freibad, verschenkte meinen Truck und brannte das Haus nieder. Schon nach den ersten Tagen bemerkte ich, dass meine Reisepläne etwas konkreter werden müssten, denn ich wollte nicht einfach so umherirren. Ich war ja schließlich kein Vagabund oder Penner. Ich war ein Pilgerer, ein Suchender. Ich machte mir Gedanken über meinen Traum und erhoffte mir einen Wegweiser oder zumindest einen Anhaltspunkt. Ich hatte schreckliche Angst davor, dieses Alptraumszenario noch einmal durchzuspielen. Doch es führte kein Weg daran vorbei. In meinem Traum ging es jedes mal um das Selbe. Ich versuche immer wieder mit viel zu großen Füßen vor Etwas wegzurennen, komme aber nicht voran, da ich ständig über meine großen Füße stolpere. Dann kommen meine Eltern und wollen mich auf den Arm nehmen um mit mir fliegen zu spielen. Ich strecke ihnen meine Hände entgegen aber sie gucken mich nur angeekelt an, wenden sich dann ab und müssen kotzen. Dann sagen sie „Böser Junge“ und gehen weg.
Vielleicht sollte ich in ein Land gehen, wo man auf großem Fuße lebt oder so? Ich wusste es auch nicht, also ließ ich mich einfach treiben und bemerkte dabei nicht, wie weit ich mich schon von meiner Heimatstadt entfernt hatte. Über Wochen tingelte ich nun schon ziellos durch die Welt. Entmutet, lustlos und ohne Interesse am Leben und dessen wunderbaren Raffinessen. Doch dann erreichte ich einen kleinen Ort an dem sich alles verändern sollte. Das Baschkus Delta.
An keinem Ort der Welt ging es erbärmlicher zu als hier. Wie Hunde, Ratten oder Araber fristen hier einige dieser Gottes vergessenen Kinder ihres erbärmlichen Daseins. Vegetieren vor sich hin und träumen von einer längst vergessenen Zeit. Einer Zeit in der die Bäume noch Früchte trugen, die Brunnen noch Wasser gaben, auf den Äckern der Weizen sprieß und das Meer ihnen noch Fische schenkte. Nicht selten sieht man hier und dort einen Einheimischen im Müll liegen und bitterlich weinen. Doch nicht alle gammeln deprimiert hier rum. Viele schließen hier Frieden mit sich und der Welt. Das kannte ich schon aus andern dritte- welts Ländern wie Iran, Sudan oder Antalya. Dort wo die Menschen gar nichts haben, wird am meisten und am herzlichsten gelacht. Man besinnt sich dann aufs Wesentliche und dankt seinen Schöpfer für das Leben an sich. Am deutlichsten macht das eine kleine Geschichte, die ich als eine der wertvollsten auf meinen Reisen beschreiben würde. Damals lernte ich einen kleinen Jungen kennen den alle Fitz nannten. Dieser Junge durchwühlte ständig den Müll bei McDonald`s auf der suche nach Burgerresten, Pommes und Chicken McNuggets. Fitz wusste, dass er hier mit seinem Schicksal haderte, doch dieser kleine abgemagerte Boy hatte schrecklichen Hunger, also ging er ein großes Risiko ein. Da auch der Müll Eigentum von McDonald`s war, war Fitz stöbern nach Futter nichts anderes als Diebstahl. Und auf Diebstahl steht hierzulande ein hoher Preis. Der Preis der Hände und Füße. Wird man hier beim klauen erwischt, kriegt man als erstes eine Abreibung, die sich gewaschen hat. Sollte das nicht reichen und man wird wieder erwischt, gibt’s wieder dresche und zusätzlich werden einen die Hände und Füße abgehackt. So geschähen auch Fitz, diesem kleinen, armen Teufel. Ein Überlebenskünstler der seinesgleichen sucht.
Lustig krebste dieser Bursche auf seinem Stumpen herum, stets ein Lächeln auf den Lippen. Auch die anderen Kinder, die noch mit Händen und Füßen, akzeptierten Fitz so wie er war. Er war einer von Ihnen. Durch dieses Handicap wurde sogar zu ihm aufgeschaut und Fitz gewann einen besonders hohen Status in der Gruppe. Eines Tages entdeckte ich durch Zufall, beim spielen mit den Kindern, eine angebrochene Packung M&M`s in der Tasche meines Kimonos. Beim herausziehen sind zufällig einige dieser Schokoperlen aus der Tüte gefallen and kullerten nun über den Asphalt. Instinktiv krabbelte Fitz auf seinen Hand- und Fußstulpen wie ein Käfer in Windeseile hinterher. Das sah so putzig aus, dass wir alle, auch Fitz, in herzliches Gelächter ausbrachen. Natürlich haben wir noch viele Schokoperlen über den Asphalt geschickt und bis spät in den Abend dabei zugesehen, wie dieser lebenslustige kleine Rabauke hinterher krebste.
Eines Tages passierte dass, was passieren musste. Man hatte mich tierisch abgefüllt und mir alles geklaut. Mit einem unbeschreiblichen Hass im Bauch machte ich mich auf den Weg zu meinem Hotel. Auf dem Marktplatz überkam mich die Übelkeit und ungehalten kotzte ich in die Menge. Mir ging es sehr schlecht, doch mehr noch war ich wütend. Ich verschaffte meinem Ärger Luft indem ich ein paar Hunde aus dem Weg kickte, während ich mich abermals übergeben musste und dabei wie ein Gorilla krakelte. Das muss echt ekelig ausgesehen haben, denn plötzlich begannen auch die unmittelbar Beteiligten, dass heißt die, die die ganze Kotze abkriegten, ebenfalls zu kotzen. Ein ordinäres Schauspiel. Angeekelt und lustlos bahnte ich mir meinen Weg durch die Massen. In einer Gasse am äußeren Ende des Marktes kriegte ich mich langsam wieder ein, bemerkte allerdings, dass sich einige verhältnismäßig starke Männer, Zorn entbrannt vor mir aufbauten. Sie waren im wahrsten Sinne angekotzt. Ich erkannte die Situation augenblicklich und faselte noch etwas von peace man und ey sorry, Alter, ehe ich den ersten Faustschlag kassierte. Dann brach ein Donnerwetter Marke „gib Alles“ über mich herein. Einige knurrten und bellten, andere wiederum bissen sich fest. Zwei bis drei standen außen und pissten in die prügelnde Menge. Die Mehrheit traktierte mich allerdings auf traditionelle Weise mit Faust und Fuß. Nun war es klar, es ging um die Hunde. Kein Zweifel. Ich wusste zu diesem Zeitpunkt noch nicht, dass Hunde hier als sehr heilige galten. So wie Elefanten und Kühe in Indien. Mein Kotzkonzert hätten sie vielleicht noch weggesteckt, aber die Kleffer wegtreten ging zu weit. Die machen mich noch fertig dachte ich, denn es war wirklich schlimm um mich bestellt und sie schienen vorerst nicht Pause machen zu wollen. Als ich mich wieder übergeben musste, wich der gesamte Prügelmob für einen Augenblick angewidert zurück. In diesem Moment hechtete ich mit letzter Kraft in einen Hauseingang, in dem ich einen ihrer so heiligen Tiere ausmachte. Ein ziemlich altes, krankes Tier, welches mir um ein Haar davon gekommen wäre. Sofort biss ich ein faustdickes stück Fleisch aus dem Wanst der Bestie. Das Viech jammerte und winselte als ginge es um sein Leben. Die Prügelknaben: fassungslos! Nun hatte ich das Ruder wieder in der Hand. Ich steckte also drei Finger meiner linken Hand in den Arsch des Köters, während ich ein weiteres stück Fleisch aus dem Magen biss und dabei sehr ekelhaft lachte. Die Nummer kam gut an, bei meinen religiösen Freunden. Einige von ihnen brachen unter Tränen zusammen, andere fluchten und zeigen mir dabei ihre Fäuste. Größtenteils blieben sie aber mit weit aufgerissenen Augen stehen, als könnten sie ihr Glück gar nicht fassen. Mit dem Pinscher unterm Arm lehnte ich mich erstmal lasziv in eine Ecke. Man hatte mir übel mitgespielt und ich befürchtete, dass sie sich jeden Moment wieder über mich hermachen würden. In so einer Situation ist es sehr wichtig Überlegenheit auszustrahlen. Ich versuchte möglichst lässig zu wirken und gab mir dabei große Mühe cool rüber zu kommen. Der Köter jammerte wie verrückt. Augenscheinlich gelangweilt stimmte ich mit ein und äffte ihn nach. Ehrfürchtig wich die hasserfüllte Meute zurück und ich entschloss mich dazu, das Feld zu räumen. Wann immer mir einer zu nah kam, schlug ich auf den Hund ein. Sie begriffen schnell und ich hatte sozusagen freie Fahrt. Ein paar Straßen weiter schmiss ich das Viech weg, schüttelte mich und holte erstmal tief Luft. Hier würde ich mich vorerst nicht mehr blicken lassen können, dachte ich und beschloss weiter zu ziehen. In meiner Jacke entdeckte ich einen Haifischzahn und ein paar verbrannte Kohlen. Ich erinnerte mich wieder, ja genau. Ich hatte den Haifischzahn von einem Priester bekommen, den ich ein paar Tage zuvor in Bagteshi kennen gelernt habe. Ein schnuckeliger, süßer Bursche, der ursprünglich aus Jamaika kam. Er sagte ständig so etwas wie:
„Ey Badbwoy, kumm in en gonna look ap to da biga, Manitou.
He will show ju da real Gula, Gula“.
Ich fand das immer sehr poetisch. Sein ganzes Voodoo-, Priesterding faszinierte mich und wir fanden schnell zusammen. Er erzählte mir, dass ihm während eines Traumes der große Manitu erschien um ihn zum Priester zu machen. Seitdem nennt er sich Pusher und tingelt durch das Land, um die Menschen von ihrem Leid zu befreien. Die Zeit mit ihm war super. Tagsüber lagen wir den ganzen tag in der Sonne, rauchten Shit und tranken Kümmerling. Ab und an lehnte er sich zu mir rüber und sagte:
“Ey Badbwoy, bash up da Gulladesh, en he will show ju da Osho, Osho“.
Oder: „Gonna keep on booty, booty,
Jah his pushing da Hype, Badbwoy“.
Ich verstand natürlich nichts, nickte aber zustimmend und zeigte ihm, dass ich völlig seiner Meinung war. In der Abenddämmerung begannen wir dann mit den Vorbereitungen für seine Session. Total zugedröhnt klauten wir dann ein paar Hühner, einen Eimer Wandfarbe und einige Flaschen Tequila. Dann machten wir`n großes Lagerfeuer unten am Strand und Pusher fütterte seinen Ghettoblaster mit irgendeinem Rap Sound. Danach malten wir uns gegenseitig mit der Farbe große Schmetterlinge und Peacezeichen und so`n Zeug auf den Körper und ließen uns so richtig vollaufen. Aus Ethik- gründen stellten wir eine Mülltonne neben das Lagerfeuer in der wir ein weiteres Feuer entzündeten. Nun wickelte er sich 2, 3 Hühner um sein Bein, spielte lässig mit seinem Jo-jo und rappte seinen Voodoo Psalm. Es ging wirklich etwas animalisches, religiöses, erotisches von diesem schönen schwarzen Mann aus. Die Leute kamen in Scharen runter zum Strand um sich von ihrem Unheil frei sagen zu lassen. Es wurde nicht lange gefackelt, so etwa nach der halben Flasche Tequila begann Pusher mit seinem Ritual. Er winkelte die Arme an und begann dann mit den Ellenbogen zu flattern. Dabei ging er etwas in die Knie und pickte. In diesem Ententanz tobte er nun durch die Menge. Das sah wirklich Respekt einflößend aus. Ab und an nahm er einen Schluck aus der Flasche, um ihn gleich darauf einen Typen ins Gesicht zu spucken und ihn somit von seinen Sünden frei zu waschen. Mit den Frauen küsste er sich lange und intensiv und goss derweilen einen guten Schluck über die verbundenen Münder. Ich fand dass alles ziemlich scheiße, aber wir machten gut was los. Nach dem ganzen Spektakel saßen wir noch lange mit den Einheimischen am Feuer, aßen Hühnchen und fickten. Es war schön. Eines Tages nach einer wirklich grandiosen Session, nahm er ei paar stücke Kohlen aus dem versiegtem Feuer und gab sie mir zusammen mit dem Haifischzahn. Er sagte mir, dass dieser Zahn von einem Hai stamme, der um haaresbreite seinen Vater getötet hätte und dass er mich beschützen würde. In den Kohlen sei die Seele der Verstorbenen gefangen, und solange ich den Zahn und die Kohlen bei mir trage, hätte ich Bonuspunkte beim großen Manitu. Aus Höflichkeit nahm ich den ganzen Plunder an und wendete mich genervt ab, von meinem geheimnisvollen, schwarzen Freund.
Wehmütig wünschte ich mich jetzt zurück an den Strand, zurück an das Feuer, zurück unter die ekstatisch aufgeladene Glocke, die derzeit über uns zu schweben schien. Angeschlagen machte ich mich über Umwege zurück zu meinem Hotel. Die Angst davor, meiner Morchelmeute noch einmal zum Opfer zu fallen, wurde zu dem Treibstoff, der meinen Motor mit letzter Kraft ans Ziel bringen sollte. Im Hotel angekommen, entledigte ich mich meiner völlig zerwetzten und verdreckten Klamotten inklusive der Kohlen und des Haifischschrotts. Ich nahm ein ausgiebiges Bad, versorgte meine Wunden notdürftig und mich, ausgiebig mit Schmerzmittel und Rum aus der Minibar. Langsam lummerte ich weg und wich hinüber in eine helle, paradiesische Welt. Ich träumte von einer feenhaften Gestallt, die mich behutsam an die Hand nahm und mich hineinführte, in jenes zauberhafte Nirwana. Sie bettete mich auf Wolken und verwöhnte mich nach allen Regeln der Kunst. Dabei berührte sie mich nicht. Sie las die Sprache meiner Gedanken und kommunizierte auf dieser übergeordneten, transzendentalen, sinnlichen Ebene mit mir. Ich ließ mich völlig fallen, gab mich ihr ganz hin. Denn ich wusste dass es gut war, hier gehörte ich hin, sie war es, meine Erlösung, meine Engelin.
Am nächsten Morgen wachte ich völlig gerädert auf. Ich musste hier weg und entschloss mich dazu, weiter in den Süden zu ziehen, Richtung Chitosso. Chitosso, Stadt der Antike, verwunschener Hafen der Liebe. Meine Route sollte mich über dreitausend Kilometer, westlich von Bagteshi, durchs gesamte Delta führen. Ich freute mich auf die Reise, spürte wie langsam, Stück für Stück, die Lebensgeister wieder zurückkehrten und belohnte diesen aufsteigenden Enthusiasmus mit einem dicken Schluck Äther. Ziemlich knülle torkelte ich irgendwie an der Rezeption vorbei, raus aus dem Hotel, raus aus dem Viertel, raus aus der Stadt. Hier hatte ich nichts mehr verloren. Dieses schwarze Kapitel meiner Reise, wollte ich hinter mir lassen. An der Stadtgrenze hielt ich noch einmal inne und ließ Vergangenes revue passieren. Dieses elende Rattennest würde mich nie mehr wieder sehen. Ich nahm noch einen dicken Schluck Äther und machte mich auf den Weg.
Als ich Chitosso ereichte machte sich eine große Niedergeschlagenheit in mir breit. Ich war ausgelaugt, pleite, runtergekommen. Die Strapazen der Reise lagen wie eine bleiernde Decke auf meinen Schultern und drohten mich gen Boden zu drücken. Ich musste hier zur Ruhe kommen, mich erst einmal erholen und neue Kräfte sammeln. Ich sehnte mich nach Geborgenheit, Zuneigung und Wärme. Chitosso zeichnete sich selbst in einer unbeschreiblichen Schönheit. Diese Stadt hatte wahrhaftig etwas romantisches, etwas traurig schönes an sich. Eine allgegenwärtige, schüchternde Sinnlichkeit schien sich hier zu entfalten wie die Knospen einer Rose. Diese Idylle übermannte mich und nährte das Nass in meinen Augen. Ich weinte. Geist und Seele betteten sich selbst in die dunkle Seide, die mein trauriges Herz zuvor gewebt. Ich sehnte mich nach Liebe. Tierisch deprimiert, warf ich erst einmal ein paar Drops ein und hoffte auf den chemischen Beistand. Die Wirkung ließ nicht lange auf sich warten und man kann sagen: Es ging mir dufte. Sexuell aufgegeilt, begann ich zu tanzen. Erst traditionell bäuerlich, dann exotisch Lambada. Während meines Limbo- Work-out, riss ich mir die Kleider vom Leibe und bot der Welt mein schönes Fleisch dar. Ich hatte eine mächtige Erektion. Eine Sexaura, die eine unmissverständliche Sprache spricht. Ich war wunderschön !
Heroisch stellte ich mich zur Schau, tanzte meinen Liebestanz und verkörperte ALLES !
Wie rollige Katzen schmiegten sich die Leute an meinem Torso und boten sich mir dar. Sie wollten sich mit mir paaren und großzügig willigte ich ein. Körpersäfte vermengten sich, Speichel und Schweiß wurde eins. Es roch nach Sex und Saft. Körper, Muskeln, Fleisch, dass alles, wurde zu einer einzigen, stetigen Energie. Ein Fegefeuer der Ekstase. Ich explodierte wie ein Wasserfall und spülte gut was weg. Eine riesen Sauerei ! Literweise saurer Regen und hechelnde Kadaver. Es war ekelhaft und ich schämte mich. Raus aus diesem Elend dachte ich und kroch vom Platz. Während ich so durch den Hafen zog, bemerkte ich, dass mir jemand gefolgt war. Ich verlangsamte meinen Gang, um auszumachen, wer mir da wohl hinterher schlich. Schnell konnte ich erkennen, dass es ein Mädchen von eben war. Ein ganz gieriger Schluckspecht, der den Mund nicht voll genug kriegen konnte. Ich hielt kurz inne um sie gebührend in Empfang zu nehmen (mit Backpfeife und Spucke), denn ich war ziemlich stoned und hatte keinen Bock mehr zu bumsen. Aber sie wich mir aus wie eine Katze, umstreifte mich wie ein Tiger und schlug zu wie ein Löwe. Nun hatte ich erst einmal eine sitzen und staunte nicht schlecht. Verdutzt fragte ich sie was eigentlich los ist, denn ich hatte völlig den Faden verloren.
Sie ballerte mir noch eine und ich kam wieder zur Raison.
Sie war ein wunderhübsches Mädel und ihre fordernden Mandelaugen zogen mich sofort in ihren Bann. Ihr Blick verriet mir, dass es ihr vorerst um etwas anderes ging, als um meine Liebesdienste und ich schämte mich für den Versuch ihr eine zu kleben. Ich stellte mich ihr vor, natürlich mit falschem Namen um cooler rüberzukommen und streckte ihr dazu meine Hand entgegen. „Hallo, ich heiße Jean Jaques“ sagte ich mit rauchiger, geheimnisvoller Stimme. Sie erwiederte diese Geste indem sie mir ihre Hand reichte und mir ihren Namen verriet. . . Sasa!
Sasa, du atemberaubende Venus der Sinnlichkeit, du Mensch gewordener Engel, meiner Hoffnung und Sehnsucht. Ich verliebte mich sofort, ließ mir aber nichts anmerken und machte erstmal einen auf uninteressiert. „Jean Jaques“ sagte sie leise, „ich habe dich erkannt, mit dem Auge meines Herzens in dem Moment, als du Chitosso betratest. Ich kenne dich nicht, und doch weiß ich alles. Schon jetzt bist du mir mehr, als das Wasser dem Dürstenden, das Brot dem Hungernden, das Beet der Blume, das Meer den Fischen! Lass mich es sein, die dich begleitet und schon bald wirst auch du erkennen, das wir uns mehr sind, als der Himmel den Sternen“. Ihre schmeichelnden Worte trafen mein Herz wie Musik des Himmels und ich sagte zurückhaltend aber doch bestimmt: Yes!
In ihren Augen blitzte das Feuer von tausend Sonnen und ich erkannte das Sie es war, jene Feenhafte Gestallt, von der ich zuvor geträumt. Meine Engelin!
Wir nahmen uns an den Händen und hüpften wie spielende Kinder im Kreis. Dabei lachten wir laut und weinten vor Freude. Neckisch stupsten wir uns an den Näschen oder wuschelten uns im Haar herum. Wir waren sehr, sehr schön!
Sasa und ich waren wie Mutter und Kind, Kimme und Korn, Cap und Capper. Wir gehörten zusammen.
Viele romantische Tage gingen so ins Land und wir wichen nicht mehr voneinander. Wir kuschelten und spielten und trieben jede menge Schabernack. Machten Klingelstreiche oder vertauschten Medikamente im Krankenhaus. Manchmal banden wir einem Dackel die Beine zusammen und legten Feuer. Das sah vielleicht witzig aus, wie der versuchte abzuhauen. Uns wurde nie langweilig, denn Sasa hatte viele tolle Ideen, wie zum Beispiel Spuckesuppe, Scherben im Sandkasten, Zeitung klauen oder unten am Bahnhof Schienen locker schrauben. Wir hatten verdammt viel Spaß. Die meiste zeit aber schmusten wir wie verliebte Kätzchen und schnurrten dabei laut. Wir offerierten uns gegenseitig unsere Zuneigung in wahrhaft himmlischer Manier. Sasa sang sehr viel, meist traurige Zigeunerlieder, während ich mich wie ein kleines Katerchen in ihren Schoß mümmelte und ihr dabei zuhörte. Hin und wieder schrieb ich ihr ein Gedicht und versuchte somit auf lyrische, poetische Art und Weise ihr meine Liebe darzubringen:

Tränen die gewesen einst
Durch unerfüllte Liebesschmach
Durch unvollkommenheit des Seins
Verebbten still durch jene Pracht
Im hellen Licht des Sonnenscheins
Wo`s dunkel ward zuvor gewesen
Als Trauer küss`d die Einsamkeit
Wird’s traurig Aug`nun endlich lesen
Das Zeichen deiner Herzlichkeit


Oder:


Beim Anblick deiner Pfirsichhaut
Pulsiert es in meinen Lenden
Ich wix und wix und wix und wix
Doch scheint es nicht zu enden
Finger brechen, Nüsse knacken
Nichts scheint zu funktionieren
Die Geilheit bleibt und ächtst nach dir
Du kannst echt imponieren


Sasa war immer ganz hin und weg von solch einem Schmalz und öffnete mir bereitwillig alle Pforten.
Wir paarten uns sehr oft, meist abstrakt künstlerisch, denn wir warfen jede Menge Trips und Valium ein, um den körperlichen Verlangen aufeinander Herr zu werden. Da konnte es schon einmal vorkommen, dass man sich in einen Baum oder ein Auto verwandelt und man dann nicht mehr so genau weiß, an welchem Ast man gerade sägt oder wo der Sprit eigentlich reinkommt. Aber egal, darauf kam es eh nicht an.
Wir waren echt verliebt ineinander und hatten diese besondere Ausstrahlung, die verliebte Paare immer haben. Nur anders, heller, leuchtender, feuriger. Unsere Amore`wuchs über uns hinaus und wir wurden zu Meistern der Liebe. Das spürten die Leute und sie kamen, um von uns zu lernen.
Sie waren unsere Schüler und wir waren ihre Lehrer.
Tag für Tag trafen wir uns vor dem Brunnen des Rathauses um unsere Liebe zu zelebrieren.
Die Leute brachten uns Geschenke und betrachteten entzückt das Bildnis, welches unser Glück zeichnete.
Sasa trug ein wunderschönes, weißes Brautkleid mit einer langen Schleppe und einer Lilie im Haar. Sie sah atemberaubend aus. Wie eine Prinzessin oder eine Braut.
Ich selber kleidete mich in einem adretten Golf- Outfit mit einer Baskenmütze und Kaki- Shorts. Dazu einen Polo Pullunder über den ich eine Lederweste trug, Ray Ben Sonnenbrille und natürlich Golfschuhe. Es hatte tatsächlich etwas von einer Hochzeit, denn die Leute schmissen mit Reis und Rosenblättern um uns Glück zu wünschen und machten derweilen viele Fotos. Es kamen auch ein paar Straßenmusiker und versüßten die Atmosphäre mit feierlich- himmlischer Musik. Sasa und ich merkten, dass wir eine besondere Rolle spielten, dass unsere Liebe eine signifikante Lektion darbot, welche sowohl Frage als auch Antwort beinhaltete:
Frage nach dem unausgesprochenem, ungreifbarem, unbeschreiblichem, der Liebe an sich. Und Antwort auf die selbige. Poe a`poe wurden wir zu Gurus de Amor gekürt und unsere Inszenierungen, unsere Lessons wurden legendär. Wir gaben eine art Liebes- Workshop und brachten künstlerisch rüber, was Sache ist. Unsere Aufgabe war es, alle Phasen der Zweisamkeit zu veranschaulichen. Wir schrieben die Worte der Liebe neu, in unserer eigenen schönen Sprache.
Manchmal spielten wir Pantomime. Ich übernahm dann mit trauriger Mine den Part des hinter Glas gefangenen. Sasa stand auf der anderen Seite und forderte mich auf, zu ihr zu kommen. Ich konnte aber keinen Ausweg finden und meine Mimik verriet: Angst, Machtlosigkeit, Frustration, Ärger, Beklommenheit, Wut und Ehrgeiz. Irgendwann zerschlug Sasa dann mit einem Hammer die imaginäre Scheibe und wir fielen uns glücklich in die Arme. Diese Aktion sollte Zuneigung zum Ausdruck bringen und dass man es gemeinsam schaffen kann, den Mauern des eigenen inneren Gefängnis zu entfliehen. Ein anderes Mal hoben wir ein paar Gehwegplatten aus und trugen etwas Erde ab. Das Loch fluteten wir dann mit Wasser aus den Brunnen und schmissen uns in die Matsche. Wie dumme Tiere beim ertrinken strampelten wir in dem Sumpf herum, kreischten, spuckten und kratzten. Dann fickten wir. Die Massage: Streit und Versöhnung.
Eine andere Persiflage sollte die Überheblichkeit der Liebe verdeutlichen. Dazu legten wir uns dekadent besoffen in die Rosenblätter und zerschlugen einige Champagnerflaschen. Mit den Scherben bewarfen wir dann einen unserer Showgäste, bis dieser unter Tränen zusammenbrach. Danach lachten wir ihn hämisch aus und leckten seine Wunden.
Oftmals sangen wir Lieder, zum Beispiel ein Duett von Kenny Rogers und Dolly Parton. Dabei befreiten wir weiße Tauben aus einem Käfig und gaben sie der Freiheit zurück. Das sollte zeigen, wie beflügelnd und erlösend die Liebe doch sei. Uns gingen nie die Ideen aus. Unsere Zuneigung brachte immer wieder neue Früchte hervor, von denen wir alle genüsslich speisten. Die Leute dankten uns von Herzen für die Lehren, die wir ihnen darboten. Viele haben auch „Ihr“ Glück gefunden und schlossen den Bund der Ehe mit den Wissen der Wissenden, dem Herzen der Herzlichen und einer Liebe der Liebenden. Sasa und ich entschlossen uns dazu, Chitosso zu verlassen und gemeinsam aufzubrechen um meine Reise fortzusetzen. Ich hatte zwar alles was ich mir wünschte aber tief im Inneren spürte ich, dass ich noch nicht angekommen war.
Ich war also wieder auf Tour. Im Schlepptau hatte ich Sasa, meine Engelin und Pedro, ein kleines Totenkopfäffchen, welches ich einem alten Leierkastenspieler kurz hinter Chitosso abgekauft hatte. Sasa verliebte sich auf Anhieb in den kleinen Räuber und bestand darauf, das zapplige Tier mit auf unsere Reise zu nehmen. Zwischen Pedro und mir herrschte sofort Krieg. Dieser kleine arrogant quitschende Piefke, mit seinen stechenden Augen und seinen kleinen Affenhänden und seinen Affenfüßen und seinem ganzen Affengehabe. Widerlich. Ich hasste ihn und er hasste mich. Ständig hing er bei Sasa auf der Schulter rum und befummelte sie. Dabei guckte er stets überheblich zu mir rüber und quitschte irgendwas auf äffisch. Der kleine Schleimer wollte mir die Braut ausspannen und legte sich gehörig ins Zeug. Er machte ihr Avancen und begann jedes mal wie ein kleiner Affe zu tanzen, sobald Sasa anfing zu pfeifen oder zu singen. Dann flitzte er los und kam kurz darauf mit einem Apfel oder einer Banane zurück um sich damit bei ihr einzuschleimen. Er machte gar keinen Hel aus seinen offensichtlichen Anmach- Versuchen und ich frage mich noch heute, woher solch kleine Schurken eine solche Arroganz nehmen?
Sasa fand das Alles immer ganz süß und putzig und bemerkte natürlich nichts, von dem Keil, welchen dieser hochnäsige Intrigant versuchte zwischen uns zu treiben. Es wurde mir mit der Zeit immer klarer und klarer, das diese Dreiecksbeziehung ein schlimmes Ende nehmen würde, sollte ich den Dingen ihren Lauf nehmen lassen. Pedro musste weg! Aber wie, dachte ich, sollte man einen Widersacher aus der Bahn werfen, hat ihn eine Frau erstmal in ihr Herz geschlossen? Ich entschied mich dazu, meinen haarigen Kontrahenten mit seinen eigenen Waffen zu schlagen. Wann immer er mit seinem Affentanz loslegte, begann ich ebenfalls zu tanzen. Aber besser!
Brachte er ihr einen Apfel, kam ich mit einer Apfelsine. Schenkte er ihr eine Blume, pflügte ich einen ganzen Strauß und so weiter.
Sasa gefiel dieses Wetteifern um ihre Person. Sie mochte die Aufmerksamkeit, die ihr zugegen kam und belohnte uns beide ebenbürtig lapidar unter dem Deckmantel der Höflichkeit.
Dieses Weibergehabe ging mir tierisch gegen den Strich und ich musste an dieser Stelle selber eine Entscheidung fällen, ansonsten würde diese bedauernswerte Geschichte in einer Endlosschleife enden. Also gab ich den Affen frei und schläferte Sasa ein.
Mit einen gebrochenem Herzen zog ich weiter durch die Steppe. Ich war erneut an einem Tiefpunkt, fühlte mich ausgelaugt und hatte jede Lebensfreude verloren. Die Tristesse der Prärie verstärkte zudem meine Niedergeschlagenheit. Überall garnichts. Soweit das Auge blickte bekam man nichts zu sehen. Der Boden war ausgedörrt und es gab hier und dort nur ein paar Kakteen zu sehen, die einen ähnlich deprimierten Eindruck machten, wie meine Wenigkeit. Wann immer ich an einen dieser Kakteen vorbeikam, setzte ich mich für einen Augenblick in den Schatten und verschnaufte. Mit der Zeit begann ich darüber nachzudenken, was für ein trostloses Dasein diese Pflanzen hier fristen müssen und ich bekam Mitleid. Ich schämte mich für meinen Kummer, ausgelöst durch meine Einsamkeit und dachte bei mir es sei unrecht, die Trauer der gebrochenen Zweisamkeit in mir zu tragen, wobei mir doch die ganze Welt zu Füßen liegt. Ich kann gehen wohin ich will, ich bin frei. Ich kann mein Glück an jedem Ort der Welt suchen und finden, Doch ein Kaktus ist gefangen und verwurzelt und kann höchstens in die Höhe oder Breite wachsen, aber niemals über sich hinaus.
Ich spürte, dass diese Pflanzen mehr verdienten, als bloßes Mitleid. Also begann ich mit ihnen zu sprechen. Ich wollte ihnen Mut machen und sagte so etwas wie: „Ey Alter, lass die Lappen nicht so hängen, wird schon wieder“.
Oder:
„Budda war auch nicht grad n`Partylöwe“. Und „In der Ruhe liegt die Kraft“.
Aber mein ganzes gutes Zureden brachte hier nichts. Also musste ich mir etwas neues einfallen lassen. Ich machte mich daran, die Blätter zu streicheln, da ich davon ausging, dass sich diese im Zwangszölibat lebenden Naturgiganten nach Körperkontakt sehnten.
Diese Annahme war sehr falsch, was ich dadurch zu spüren kriegte, dass mich dieser stachelige kack- Kaktus dermaßen zernadelt hat, dass ich nun aus allen Poren blutete wie ein Küchensieb.
Ich explodierte vor Wut. Außer mir vor Zorn, stürzte ich mich auf den Piekebruder um ihn in Grund und Boden zu stampfen. Im Blutrausch biss ich mich durch meinen Kontrahenten und hackte dabei wahllos auf ihn ein. Ich gab alles und kämpfte wie ein Mann, doch mein Vergeltungskrieg nahm ein bitteres Ende und man kann ganz klar sagen, ich habe den kürzeren gezogen.
Über und über voll Blut und Kaktusnadeln, blökte ich nun wie ein hässliches Kind. Es war wirklich schmerzhaft, da der bitterlich beißende Kaktussaft auf meinen Wunden brannte wie das Feuer der Hölle. Ich krümmte mich vor Schmerzen. Bei jeder kleinsten Bewegung multiplizierte sich der Schmerz mit der Zahl unendlich. Mich verließen die Kräfte und ich gab auf. Unter winselndem Gejammer packte mich die Ohnmacht und legte eine dunkle Decke über mich und mein Nadelbett.
Ich hörte eine sanfte Stimme sagen: „Finde den kaskaden Ikarus und gelobe nicht mehr deiner Herkunft, du entzwoter Mannteufel deiner verwogenen Polarität. Geh nun und begreife dich selbst im Raum der doppelten Geometrie. Doch meide Winkel und Fläche. Der Wind des Mondes wird das erhabene Wort zeichnen und Tag wird Atem sein. Geh nun, geh nun.
In grün- gelb wechselnder Farbe flog ich als Giraffenvogel in den brennenden Himmel und bemerkte dabei, dass ich mich in jeweils verdoppelter Farbe von mir entfernte, als auch auf mich zu bewegte. Dabei radierte mich ein riesiger Bleistift aus und der Himmel regnete von unten her auf mich herab. Plötzlich war Sasa dort und webte aus Heu einen Anorak. Ich bemerkte, dass das Heu aus den Haaren meines Vaters wuchs und kleine Arme hatte. Diese schrieen Käfig und goscha goscha. Immer wieder Käfig, goscha goscha. Der Anorak spielte Harfe und die Noten formten einen Brunnen. Daraus kam Hitler aber als kleiner Junge und winkte mir. Ich erschrak und wollte mich verstecken aber ich konnte nirgends Schutz finden, da sich alles entfernte, nur Hitler kam näher. Er küsste mich und gab mir ein Zitroneneis. Ich leckte daran, doch es schmeckte nach Scheiße. Doch es war nicht das Eis, sondern meine Zunge, die nach Scheiße schmeckte und auch mein linker Arm. Dann kam ein riesiger Würfel und würfelte sechs. Aus den Augen des Würfels kletterten kleine Kätzchen. Diese spielten kriegen und weinten dabei bitterlich. Dabei riefen sie Essen, Essen, wir haben solch einen Hunger. Ich erschoss die Kätzchen mit einer Schleuder und verputzte sie. Aber auch sie schmeckten nach Scheiße. Dann musste ich weinen und meine Tränen wurden zu einem Meer aus Sperma. Ich konnte aber nicht schwimmen und verschluckte das Sperma. Dadurch wurde ich schwanger und gebar meine Mutter. Diese säugte mich und flüsterte mir dabei dreimal ins Ohr: Ich bin der kaskade Ikarus. Ich erschrak und bekam Angst aber ihr Herzschlag beruhigte mich und verwandelte mich in ein Känguru. Dann kam Gott, ebenfalls als Känguru und bumste mich. Danach rauchten wir eine Zigarette und guckten Drei Engel für Charlie. Gott streichelte meine Öhrchen und ich musste kichern. Mein Kichern steckte Gott an und auch er musste kichern. Auf einmal war alles transparent und ich hörte das Lied Hey Jude, von den Beatles. Doch die Töne kamen als Dreieck und bäsche Quader in mein Ohr und zerschnitten meine Haut. Doch meine Mutter nähte mich wieder zusammen und flüsterte dabei wieder: Ich bin der kaskade Ikarus. Ich bin der kaskade Ikarus. Ich bin der kaskade Ikarus.
Dann wachte ich auf. Ich hatte einen schrecklichen Fiebertraum. Es ging mir gelinde gesagt, hundsmiserabel. Der Kaktus hat mir gut zugesetzt und mein zerstochener Körper reagierte heftig mit den Säften meines Rivalen. Es hatten sich dicke Eiterpusteln und eine art Schuppenflechte auf meiner Haut gebildet. Zudem sind die Fersen meiner Füße und meine Handballen auf das doppelte ihrer ursprünglichen Größe angeschwollen und schmerzten fürchterlich. Zum glück dämmerte es bereits und ich freute mich über die kühlende Abendbriese auf meinem schorfig, verpickelten Körper. Ich versuchte mich aufzuraffen, stellte jedoch schmerzhaft fest, dass ich wenn überhaupt, nur kriechend vorankommen würde, da mich meine geschundenen Füße vorerst nicht mehr tragen würden. Voller Selbstmitleid, Kaktushass und schmerzender Entäuschtheit kroch ich also los. Ich musste ein Nachtlager, Medizin und vor allem Wasser finden, sonnst würde ich hier in der Wüste zugrunde gehen. Mühselig bestritt ich Meter für Meter wie ein verwundetes Tier. Dabei winselte und ächste ich und betete zu Gott, dass ich das alles irgendwie überstehen würde. Nach einigen Stunden, die ich auf allen Vieren durch die Prärie robbte, bemerkte ich, dass mir etwas gefolgt war. Hinter einer Düne machte ich Pause, um auszumachen , wer oder was mich da umlauerte. Nach geraumer Zeit durchfuhr es mich wie ein Blitz, da sich meine ärgsten Befürchtungen bewahrheiteten. Ein Rudel Wölfe hatte meine Fährte aufgenommen. Heilige Mutter Gottes, dachte ich bei mir. Die Sache ist ernst. In anbetracht der Tatsache, dass ich schwer verwundet und am Ende meiner Kräfte war, standen die Chancen nicht sehr gut für mich. Mit einem Rudel Wölfen ist nicht zu spaßen. Ich überdachte meine Optionen und entwickelte instinktiv eine geniale Abwehrstrategie. Mir war klar, dass ich in den Augen der Wölfe ein gefundenes Fressen darstellte. Ein attraktiver Leckerbissen, ein supi Abendbrot. Also, so war mein Denkansatz, müsse ich nur noch dafür sorgen, mich nahrungsmäßig eher unattraktiv anzupreisen und ich bin aus dem Schneider. So dass die Wölfe sich denken, nö, keinen Bock den zu verputzen, der schmeckt mir eh nicht. Ich buddelte also ein tiefes Loch in den Sand, bis die Erde feucht und kalt wurde. Dann formte ich fünf etwa Golfball große Kugeln aus dem Sand und legte sie neben das Loch. Unter großen Schmerzen entledigte ich mich meiner Kleidung und legte mich auf den Rücken. Ich winkelte die Beine an, stemmte meinen Unterkörper hoch und ließ meinen Kopf in das Loch sinken. Dann machte ich eine Kerze. Das heißt, mein Kopf lag im Loch und meine Beine zeigten gen Himmel. Mit der linken Hand griff ich nach einer der Kugeln und stopfte sie mir in den Mund. Nach jedem Bissen ließ ich etwas Wasser, was aufgrund meiner Körperhaltung den direkten weg in meinen Schlund fand. Auf diese weise verdrückte ich eine Kugel nach der anderen und stopfte sogar noch etwas Streuselsand nach. Der mit Pisse getränkte Sand ließ sich besser essen als ich angenommen hatte. Nur meine Körperhaltung machte das Schlucken schwer. Nachdem ich alles verdrückt hatte, befreite ich mich ruckartig aus meiner Position und kotzte alles in das Loch. Wer sich einmal nach einem ausgiebigen Labskausessen übergeben musste, hat einen ungefähren Eindruck von dem was da im Loch lag. Angeekelt legte ich mich dazu und umgarnte meinen Körper mit der stinkenden Pampe. Zusammengekauert lag ich nun da in meinem selbst geschaufeltem Grab und wartete auf den Tot. Ich wusste, dass meine Chancen zu überleben sehr gering waren und hoffte auf ein Wunder. Ich konnte spüren wie die Bestien sich an mich heranpirschten. Ich fühlte ihre Nähe. Ich hörte sie kommen.
Das alles war zuviel für mich. Dem Tode wieder einmal von Angesicht zu Angesicht ins Auge zu starren, die Angst, die Panik. Wieder überkam mich die Ohnmacht und wieder hatte ich einen eindeutigen Traum.
Als ich langsam wieder zu mir kam, bemerkte ich, dass ich noch nicht gestorben war. Ich wusste ich war am leben und spürte, dass ich mehr als Glück hatte. Nur Bruchteile dessen, was vorgefallen war, geisterten wie Fragmente eines Traumes durch meinen Kopf. Wie lange war ich bewusstlos? Was ist passiert? Wo bin ich? Ich konnte mir keinen Reim auf all diese Fragen machen, welche sich nun in mir auftaten. Vor mir brannte ein Feuer und es schien mir, als läge ich in einer Hütte oder eine art Zelt, gebettet in Fell, gewaschen und verarztet. Langsam raffte ich mich auf und musterte mit müden Augen mein Obdach. Neben mir lagen drei alte Hunde und glotzten mich dämlich an. Mir gegenüber saß ein kleiner, alter Mann, der mich ähnlich dämlich anlugte.
„Wo bin ich, was ist mit mir geschehen“? fragte ich ihn. Der Mann lachte, schüttelte den Kopf und begann nach einer kurzen Pause zu erzählen, was vorgefallen war. Er sagte, dass er ein alter Schamane sei und zusammen mit seinen Hunden in die Wüste gegangen ist um Klapperschlangen und Skorpione zu fangen. Auf seiner Jagd hätte er mich dabei beobachtet, wie ich mir schlimme Verletzungen zugezogen hätte, indem ich mich apathisch in einen großen Kaktus geworfen habe. Anschließend habe ich geheult wie ein hungriges Kind und versucht, beim Anblick seiner Hunde in einer Masse aus Erbrochenem und Urin den Tot zu finden. Er sagte, das sehe alles sehr merkwürdig aus und er hätte das Gefühl, dass mich irgendetwas belastet. Trotz allem hätte er tief in mir einen reinen Geist ausmachen können und deshalb beschlossen, mich mit in sein Zelt zu nehmen, zu verarzten und zu versorgen. Dann lachte er laut und sagte: „Eine Schlange, die sich an ihren eigenen Zähnen beißt, ist keine Schlange. Doch ein einzelner Hahn unter einhundert Hennen, ist immer noch ein Hahn“.
Was wollte dieser Mann mir damit sagen? Ich wusste es nicht, fühlte mich aber prompt beleidigt. Er reichte mir eine Schale Wasser und etwas Brot, was ich allerdings schmollend ablehnte. „Ich möchte dir eine Geschichte von einem Jäger und einem Esel erzählen“ sagte er leise und schürte das Feuer.

Es war einmal vor langer, langer Zeit, dass sich ein junger Mann aufmachte in den Wald um zu jagen. Viele Tage und Nächte pirschte dieser Jäger durch das Land ohne Beute zu machen. Dabei ernährte er sich von Beeren und Blättern. Jedes mal, wenn er sich zur Ruhe legte, betete er zu den Göttern, dass sie ihm ein Tier schenkten, wovon er sein Volk würde ernähren können. Er wusste, dass er mit leeren Händen nicht zurückkommen könne, da er sonst seine Ehre verlieren würde. Nach dem zweiundvierzigsten Tage, ohne auch nur einen Pfeil verschossen zu haben, gelang er an eine Lichtung mit einer weiten Wiese und einer Wasserstelle. Darüber freute sich der durstige Jäger so sehr, dass er seinen Bogen, seinen Köcher, sein Messer und seine Kleider von sich warf, um splitternackt ein Bad zu nehmen. Nachdem er seinen Durst gestillt und seinen Körper gewaschen hatte, legte er sich in den Schatten, um ein kleines Schläfchen zu halten. Nachdem er gerade eben etwas eingenickt war, bemerkte er zu seiner Linken einen alten Esel, der in aller Seelenruhe graste. Das Tier war gerade einmal ein paar Fuß von ihm entfernt, so dass, hätte der Jäger einen ordentlichen Satz gemacht, er hätte ihn wohl erwischt. Doch der Esel mampfte zufrieden sein Gras und ließ sich durch nichts aus der Ruhe bringen. Das verdutzte den jungen Jäger und er fragte den Esel: „Hast du denn gar keine Angst vor mir, Esel“? Wieso sollte ich denn Angst vor dir haben, fragte der Esel? Daraufhin sagte der Jäger: „Sieh Esel, ich bin ein Jäger und ich könnte dich töten“. Da lachte der Esel. Töten, womit willst du mich denn töten du halber Hahn. Zu Tode erschreckt hättest du mich fast, wie du hier nackt an meinem Wasserloch liegst, aber mehr auch nicht. „Mit meinen bloßen Händen könnte ich dich töten“, sagte der Jäger. Da lachte der Esel wieder, machte ein Bäuerchen und trabte amüsiert zum Wasser um ein Bad zu nehmen. Der junge Jäger wurde wütend und dachte sich: „Na warte nur du alter Esel, ich werde dir jetzt den Garaus machen“. Entschlossen eilte er zu seinem Bogen und legte an. Doch der Esel ließ sich nicht aus der Ruhe bringen und suhlte sich gelassen im Wasserloch. Das brachte den jungen Jäger so sehr in Rage, dass er die Sehne seines Bogens schnalzen ließ und seinen Pfeil auf den Esel feuerte. Um Haaresbreite zischte das Geschoß an dem Esel vorbei und verschwand in der Wasserstelle. Der Esel wieherte laut auf und hechtete mit einem Satz aus dem Nass heraus. Du hättest mich tatsächlich fast getötet, du dummer Jüngling, hättest mir beinahe das Leben genommen. Der junge Jäger erschrak, hatte er doch noch nie zuvor auf ein Tier geschossen und er bemerkte in eben diesen Moment, dass es die Wut war, die ihn hat schießen lassen. Warum wolltest du mich töten, fragte der Esel. Aus welchem Grunde hast du auf mich angelegt? Der junge Jäger antwortete darauf: „Ich wollte dich töten, da du mich herausgefordert hast“. Ich habe dich herausgefordert, fragte der Esel mit verständnisloser Mine? Ja, sagte der Jäger. Du hast über mich gelacht und mich wie ein Kind dastehen lassen. Da erwiderte der Esel: Du würdest mir das Leben nehmen, da ich über dich gelacht habe? Weil ein alter Esel über dich lacht, richtest du die Waffe gegen ihn? Das ist wahrhaftig nicht die Tat eines Mannes, das ist die Tat eines Kindes und zwar eines sehr, sehr dummen Kindes. Der junge Jäger senkte den Kopf, holte tief Luft und sagte nach einer Weile: „Du sollst Recht behalten Esel, ich bin hinausgezogen in den Wald um für mein Volk Beute zu machen. Tage und Nächte spähte ich nach einem Tiere, welches ich erlegen könne und nach über einem Monat richte ich die Waffe gegen einen alten Esel der mich verspottet, und verfehle. Ich bin kein Mann. Da spuckte der Esel vor den jungen Jäger und schnaufte vor Zorn. „Höre zu, Jüngling“, sagte der Esel mit wütender Stimme. „Ein Tier zu erlegen aus einer Wut heraus, macht dich nicht zu einem Mann. Ein klarer Verstand und die Gabe zwischen Gut und Böse zu unterscheiden und dem entsprechend zu handeln ist es, was einen zum Mann macht. Du musst dich selbst begreifen, und erkennen, dass nicht etwa die Verantwortung deine Aufgabe ist, sondern du die Verantwortung trägst für deine Taten. Da setzte sich der junge Jäger ins Gras und begann zu weinen. Wie weise du doch bist Esel und wie dumm ich gewesen. Nie wieder will ich die Waffe richten. Doch wie nur soll ich ohne Beute zurückkehren? Mein Volk wird mich verspotten und verhöhnen. Da sagte der Esel: „Spott und Hohn wird dich nicht töten, geh nur und berichte was gewesen. Wer dich auslacht ist ein Narr. Du aber sei schlau“. Da seufzte der junge Jäger auf und ließ seinen Blick schweifen. Wie schön es hier ist, dieses ist ein besonderer Ort und ich denke ich habe einen Freund in dir gefunden Esel, wo ich dich eben noch hätte töten wollen.

An dieser Stelle unterbrach ich meinen schamanischen Retter, denn ich musste dringend scheißen. Ich hatte ihm eh nicht so richtig zugehört, da mich seine Geschichte anödete. Das heißt, eigentlich musste ich gar nicht so dringend scheißen, dachte mir aber, es wäre besser scheißen zu gehen, als weiterhin diese bescheuerte Geschichte zu hören. Vor dem Tippi machte ich mir erst einmal den Spaß, einen dicken Baumstamm ordentlich zu platzieren, der zuvor etwas abseits gelegen hatte. Direkt vor den Eingang mit dem Knüppel. Danach schrie ich laut und weibisch, etwa so: ähähhhhhhhhä, öähhhhhäh.
Da hat der sich aber lang gelegt, der alte Sack, wie der versuchte aus dem Zelt zu hechten. Für solche Späße war ich immer gern zu haben. Er fands allerdings nicht so lustig, da er bei seinem Rettungsversuch seine vorderen Schneidezähne einbüßen musste. Na ja, ein Indianer kennt ja bekanntlich keinen Schmerz. Ich beschloss vorerst etwas ruhiger zu treten, denn ich war hier nur zu Gast. Wenn mans genau nimmt, hat der Alte mir sogar das Leben gerettet und mir Obdach gewährt. Mit der Zeit kamen wir uns näher. Die Tage mit dem Alten zu verbringen, half mir über die schlimme Phase meines Liebeskummers. Schon nach einigen Wochen war ich wieder ganz der alte. Wir wurden ein richtig gutes Team. Tagsüber gingen wir gemeinsam auf die Jagd und abends saßen wir gemütlich am Lagerfeuer, knallten uns ordentlich weg und philosophierten über das Leben und die Liebe oder kuschelten mit den Hunden. Es machte wirklich Spaß, dem Alten beim reden zuzuhören, da dieser, sobald er sich gut einen eingeschenkt hat, eine Kapriole nach der anderen vom Stapel brach. Eines Abends sagte er: Setz dich auf meinen Schoß, mein Junge und höre, was ich dir zu sagen habe. Dann stopfte er sein Pfeifchen, paffte ein paar mal daran, streichelte mir väterlich durchs Haar und legte los.
Vor langer Zeit, als ich noch ein kleiner Junge war, machte ich eine lange Reise zusammen mit meinem Vater. Auf dieser Reise brachte er mir alles bei, was ich zum überleben wissen müsse. Er lehrte mich das Jagen, das Fischen, den Umgang mit der Natur und das Fährtenlesen. Er zeigte mir die Sternenbilder, das Meer und sprach von den Göttern. Das wichtigste und heiligste jedoch, so sagte er, seien die Frauen. Und so kam es, dass er Zeit seines Lebens damit verbrachte, mich in das größte Geheimnis der Menschheit einzuweihen, die Kunst des Liebens. Und nun mein Sohn, ist es für mich an der Zeit, mein Wissen an dich weiterzugeben.
Zu diesem Zeitpunkt ahnte ich noch nicht, worauf ich mich dort einließ und wie sehr mich die Lehren des Alten verzauberten. Alles begann mit dem Satz:
Es gibt drei Wahrheiten! Deine Wahrheit, meine Wahrheit und die Wahrheit.
Was sollte das jetzt schon wieder heißen? Ich wurde aus dem Alten einfach nicht schlau. Drei Wahrheiten! Was für ein Scheiß. Ständig diese Wortspiele. . . Na ja egal, dachte ich, lass ihn nur faseln den alten Sack. Doch dann sagte er etwas was mich echt verblüffte: Nur einmal hast du in deinem Leben wirklich geliebt und weißt es nicht. Schließe deine Augen, mein Sohn und erzähle mir von ihr. Und das tat ich. Ich schloss meine Augen und erzählte ihm von Sasa. Wie wunderschön sie war und wie wir uns damals in Chitosso kennen lernten und nicht mehr voneinander wichen. Ich erzählte ihm alles, bis zu der Sache mit Pedro und wie ich sie letzten Endes einschläferte. Dann fragte er mich, was mir am meisten fehle, woran ich denken müsse, wenn ich an sie denke? Und ich erzählte ihm daraufhin von ihrer weichen Haut und ihrem Hals, und dieser Knochen hinter ihrem Ohr, ihre wunderschönen Brüste und ihrer nassen, nassen… doch da unterbrach der Alte mich, sagte ich solle tief Luft holen und ihm erzählen, was mir grade in den Sinn kommt, auch wenn es bedeutungslose Dinge sind. Ich wusste nicht was das bringen sollte, aber gut. Nachdem ich meine Gedanken schweifen ließ, musste ich daran denken, wie Sasa sich einmal beim Ziegenreiten das Steißbein gestaucht hat und ich sie dann den ganzen weg nach Hause tragen musste. Oder wie vergrätzt sie immer war, wenn ich ihr nicht ordentlich die Haare geflochten hatte. Oder dass sie immer so kichern musste, wenn ich ihr nachts das Näschen schleckte. Und dass sie das Wort Kolibri nicht aussprechen konnte. Sie sagte dann immer, kleiner Vogel. Dann musste ich daran denken, wie sie mir beim ficken immer den Mund zugehalten hat, weil ich soviel sabbern musste und sie sonnst immer von oben bis unten voller Spucke war. Oder wie sie es nicht aushalten konnte, wenn ich meine berühmten Pfirsichmuffins backte. Sie saß dann immer stundenlang vor dem Ofen und wartete auf den Moment, wo die Muffins aus der Form stulpen und die Kruste einreißt. Das war immer das Größte für sie. Oder wie sie sich beim Mensch-ärgre-dich-nicht spielen doch immer geärgert hat und danach alles kurz und klein schlug. Und auch wie sie mich einmal gefragt hat: hast du mein Hemd gesehen? Daran musste ich komischer weise am häufigsten denken. Eigentlich war es auch gar nicht ihr Hemd, sondern mein Hemd. Aber sie trug es ständig und konnte ohne das verdammte Hemd nicht einschlafen. Sie sagte immer es rieche so gut nach mir, was eigentlich auch nicht sein konnte, da sie es ja immer trug. Hast du mein Hemd gesehen? Immer wieder liegt mir dieser Satz in den Ohren. Irgendwie auch weniger die Worte, sondern eher die Art, wie sie es gesagt hat.
Da lachte der Alte, gab mir einen Kuss auf den Mund und sagte: Schau her mein Junge, er nahm einen Ast, brach ihn inzwo und pfefferte alles ins Feuer. Meinst du dieser Ast hat gewusst, dass er uns eines Tages wärmen würde indem er die Flammen dieses Feuers schürt? Und hätte er gewusst, welch zauberhafte Idylle uns dieses Feuer beschert, wäre er dann anders gewachsen, vielleicht größer und dicker um uns länger brennen zu können? Ich verstand nicht.
Sieh mein Junge, er sagte immer mein Junge, das mochte ich sehr. Ich fühlte mich dann immer ein wenig wie sein Sohn, sein Junge.
Als du erzähltest, von deinen Gedanken, hast du über Dinge gesprochen, die für andere Leute unsichtbar sind. Nur du allein wirst in der Art und Weise die Dinge sehen können, wie du sie siehst. Für niemanden wird es eine besondere Rolle spielen, wie ein Mädchen stundenlang auf ein paar Muffins glotzt oder ohne ein stinkendes T-Shirt nicht einschlafen kann oder zu bräsig ist, Kolibri auszusprechen und stattdessen immer kleiner Vogel sagt. Aber für dich allein beinhalten all diese kleinen Eigenarten und Momente eine Magie, die sich nur in dir, in deinem Herzen entfalten kann und sich nichts und niemanden sonnst zeigt. Das ist deine eigene und einzigartige Liebe. Üftszz dachte ich bei mir, denn so hatte ich die Sache bis dato noch nicht gesehen und ich geriet ins grübeln. Doch dann sagte der Alte wieder: Schau mein Junge, die Kunst des Liebens besteht im wesentlichen daraus, aufmerksam zuzuhören und die Dinge als das zu erkennen, was sie sind auch wenn sie sich tarnen und scheinbar ohne Bedeutung daher kommen. Um lieben zu können, musst du in erster Linie verstehen, was Liebe ist. Du musst lernen, zwischen den Zeilen zu lesen. Denn es geht nicht um das Offensichtliche. Es geht um das Unsichtbare. Lerne diese Zeichen zu lesen und du wirst zu einem Meister deines Faches.
Halleluja dachte ich, sau geil. Ich habe hier draußen in der Wüste meinen Meister gefunden. Ähnlich Karate Kid und Mister Mijagi oder der kleine Anakin und Yoda. Schon damals als kleiner Junge, habe ich mir einen Meister gewünscht, der mich ausbildet um so cool zu sein wie Karate Kid oder Star wars oder so. als ich dann aber bock auf Mädels gekriegt habe, hab ich mir andere Vorbilder gesucht und quasi auf autodidaktischem Wege mein Wissen geschürt. Zu der Zeit hab ich Unmengen an Pornos geguckt und Romeo und Julia und alle anderen Filme mit Leonardo DiCaprio und Johnny Depp und Steven Seagal. Am besten gefallen hat mir Don Juan De Marco. Aber nicht den alten mit Errol, sondern den neuen mit Johnny Depp. Ich bin dann auch ne Zeitlang auf so`m Zorrotrip gewesen und hab mir so`n cooln spanischen Akzent zugelegt. Dann bin ich immer runter zum Eiscafe und wenn da `n hübsches Mädel saß, hab ich ne Horde halbwüchsige angeheuert, denen ich erzählt hab, dass das meine Schwester ist und dass die ne ganz üble Schlange ist, weil die mit meinem Vater gebumst hat und das hat se mit ihrem Handy gefilmt und danach hat sie bei der Polizei behauptet, er hätte sie vergewaltigt und sie hat Angst, dass er das wieder tut und dann hat se das Video gezeigt und dann ham`die meinen Vater für immer in den Knast gesteckt. Und das alles, weil er ihr nicht die Kohle für ihre neue Miss-Sixty-Hose geben wollte. Und dass ich ihr gern mal richtig eine ballern würde, aber das geht nicht, weil die dann behaupten würde, dass ich sie wegen der Sache mit meinen Vater töten wollte. Und sie würde auch nicht davor zurückschrecken, sich selber schlimme Verletzungen zuzuführen um ihre Lügengeschichte glaubhaft zu machen. Dann hab ich den Jungs fünfzig Mark versprochen, wenn sie sie so richtig fertig machen. Nachdem die Hübsche dann ne ordentliche Abreibung kassiert hatte, hab ich mir die Burschen geschnappt und was drauf gehauen, dass denen Hören und Sehen verging. Halt richtig zorromäßig. Das war immer ne ganz coole Anmache. Danach hab ich die Ärmste liebevoll verarztet und ganz beiläufig erwähnt, es gäbe nur vier Fragen die von Bedeutung währen, deren Antwort jedes mal die selbe ist:

erstens: Was ist heilig?
zweitens: Was bewegt unseren Geist?
drittens: Wofür lohnt es sich zu leben?
und viertens: Wofür lohnt es sich zu sterben?

Meine Antwort auf diese vier Fragen war natürlich: ficken, ficken, ficken, ficken. Peinlich wurds nur, wenn die Mädels den Film auch schon gesehen hatten, denn dann wussten die, dass mein Spruch nur geklaut war. War dann aber auch eigentlich nicht so schlimm, weil ich ja vorher schon die Kids verprügelt hatte und somit schon als Lebensretter sehr hell glänzte.
Na ja, jetzt hatte ich also Meinen meister gefunden. Gespannt wie ein Flitzebogen, lauschte ich seinen Anekdoten und malte mir dabei aus, wie ich als ausgebildeter Liebesmeister Eine nach der Anderen flachlegte. In der Rolle sah ich mich sehr gerne, wie ich mit aufgeknüpftem Hemde und strammen Hosen durch die Straßen von Florenz stolzierte um die Herzen der Frauen für mich zu gewinnen. Mit einer Rose im Munde und einer Orchidee im Haar, hätte ich mich vorgestellt: Hand zum Gruße, mein schnuckeliges, kleines Engelchen. Mein Name ist Frederic Autuan De Catalan und ich bin gekommen um ihn mit dir zu tanzen, den Tango des Verlangens und der Wolllust, auf der Tanzfläche meines feurigen Herzens, du süße, süße kleine Ding du.
Oder eher wie Humphrey Bogart in Casablanca. Cool und undurchsichtig und mit sehr wenig Worten, sehr viel sagen. Wie zum Beispiel: Apfelfleisch. Dabei ist es sehr wichtig, wie man Etwas sagt und vor allem wann. Wenn man sich mit einer Frau zum zweiten Rendezvous trifft, sollte man sie an der Türe in Empfang nehmen und sich anbieten, ihr den Mantel abzunehmen. Dann, wenn die Frau mit dem Blicke nach vorn gerichtet dasteht, dass heißt, Mann steht hinter ihr, sollte man ganz vorsichtig seine linke Hand auf ihre Hüfte legen und ihr mit der Rechten den Mantel vor die Füße schmeißen. Und in dem Moment, wo sie sich nach vorne beugt um den Mantel aufzuheben und einen ein wunderschönes, pralles Hinterteil anlächelt, sollte man es sagen: Apfelfleisch! Aber sehr, sehr leise und vor allem mit zusammengebissenen Zähnen: Aaapfeeelfleiiischhhh. Das wirkt frech und direkt und wird von den Damen immer als schmeichelhaftes Kompliment aufgenommen. Eine andere Nummer die auch immer gut ankommt sind Geschenke, zum Beispiel Schmuck. Dazu hab ich mir eine besonders gute Geschichte einfallen lassen. Als erstes geht man in eine Apotheke und kauft ne Mullbinde und ne Packung Eukalyptusperlen. Aber nicht die grünen, sondern die weißen mit der Zuckergussglasur. Dann muss man runter zum Strand, zu diesen kleinen Ständen wo die Sonnenmilch, Schwimmflügel und Eis und so verkaufen. Die haben da auch immer diese Einwegtattoos, die man sich mit Spucke auf die Haut rubbeln kann. Davon braucht man eins mit einem Hai und eins von denen mit den Herzen, wo darunter so ne Schriftrolle ist wo Mutter drin steht. Den Hai auf den rechten Arm und Mutter auf den Linken. Mit der Mullbinde muss man dann sein Bein verbinden. Rechts oder links ist egal, darf man nur nicht verwechseln, da man den ganzen Abend eine schwere Verletzung vorgaukelt und wenn man dann mit dem falschen Bein hinkt, geht die Rechnung nicht auf. Im Laufe des Abends wird einen die Angebetete fragen, woher die Verletzung stammt und was es damit auf sich hat. In diesem Moment, beginnt das Spiel. Ich nehme die Frau dann bei der Hand und sage mit leiser Stimme und traurigen Augen folgendes: Ich möchte dir eine Geschichte erzählen, die ich noch nie zuvor einem anderen Menschen erzählt habe… (Schweigeminute)
Damals, als ich ein kleiner Junge war, erzählte mir meine Mutter jeden Abend die Geschichte vom Perlentaucher. Darin ging es um einen jungen Mann, der sich in eine Prinzessin verliebte. Auch sie verliebte sich in den Jungen und sie trafen sich heimlich, da sie sich als Prinzessin nicht mit einem Armen, Unadligen abgeben durfte. Bald schon kam es, dass ihr Vater, der König, sie verloben wollte und es eilten jede menge Prinzen zum Schlosse um ihr den Hof zu machen. Das heimliche Glück der beiden stand in Gefahr und sie bangen umeinander. Bis zu dem Tage als der Junge sagte: Sieh meine Prinzessin, ich weiß nun was zu tun ist. Noch heute Nacht werde ich aufbrechen zur Küste, um nach der schönsten Perle im gesamten Ozean zu tauchen. Diese Perle soll mein Geschenk an dich sein. Mit dieser Perle werde ich um deine Hand anhalten. Und er machte sich auf in die Nacht um seine Perle zu tauchen.
Jedes mal wenn meine Mutter mir diese Geschichte erzählte, glänzten ihre Augen und ich erkannte darin ihre Hoffnung und ihre Liebe. Dann kam es, dass sie sehr, sehr krank wurde und ich musste meine Reise abbrechen um für sie zu sorgen. Nun war ich es, der jeden Abend an ihrem Bette saß und jene Geschichte erzählte. Und jeden Abend war es, trotz ihrer schweren Krankheit, wieder da, dieses einzigartige Glänzen in den müden Augen meiner Mutter. Bis zu der Vollmondnacht, damals im September, als der große Sturm wütete. Ich wurde gerufen, runter zum Hafen, um die Boote zu sichern und die Räusen einzuholen. Dabei passierte es, ein großer weißer Hai hätte mir fast das Bein genommen und nur das Schicksaal und der Gedanke an meine kranke Mutter rettete mir das Leben. Das war jene Vollmondnacht, damals im September. Jene Nacht als meine Mutter starb. Und ich habe mir geschworen, bei Gott hab ich geschworen, ich werde meine Mutter rächen und diesen Hai töten. Und ich werde ihr die schönste Perle im gesamten Ozean tauchen, so wahr ich hier stehe.
In diesem Moment, muss man sich aufgelöst von seiner Angebeteten abwenden, drei Schritte nach vorne machen, in den Himmel gucken und verhalten schluchtzen. Nach ca. fünf bis fünfzehn Sekunden, wird sie sehr vorsichtig ihre Hand auf den Rücken des Mannes legen und Bewunderung aber, und vor allem auch, Mitgefühl zum Ausdruck bringen. Jetzt sollte man sie küssen. Aber auf gar keinen Fall mit Zunge. Wenn man sich dann immer noch nicht sicher ist, ob man sie im Kasten hat, kann man noch einen drauflegen indem man sagt: Seit jener Nacht blutet meine Wunde am Bein und sie wird weiterhin bluten, bis zu dem Tage an dem ich den Hai töte. Doch die Wunde in meinem Herzen wird nie verheilen. Spätestens an dieser Stelle, wird sie es sein, die den Kuss erwidert. Jetzt muss man ihr nur noch eine von den weißen Eukalyptusperlen geben (sie wird diese Geste mehr als zu schätzen wissen) und man ist am Ziel. Wenn sie dann später beim bumsen die Tattoos auf den Armen sieht, wird sie sich sehr großzügig und angemessen bedanken.

In Sachen Anmache hatte ich echt was drauf, da konnte mir höchstens mein damaliger Freund Takko das Wasser reichen. Der kriegte wirklich Jede rum. Über Jahre hinweg, bin ich nicht dahinter gekommen, wie er dass immer wieder fertig brachte. Bis ich ihm eines Tages auf die Schliche gekommen bin. Takko hatte seinen eigenen rustikalen Stil. Wenn er sich in ein Mädel verguckte, krempelte er die Ärmel hoch, strackste schnurstracks auf sie zu und verpasste ihr erstmal eine Ohrfeige, dass sich die Balken bogen. Dann sagte er: Hallo, isch bins, Takko und isch will disch! Und noch bevor sie Amen sagen konnte, donnerte er ihr noch eine und dann noch eine. Aus Angst davor, noch mehr verprügelt zu werden, ergab sich die Geschundene dann ihren Peiniger. Aber das war nicht meine Welt, das fand ich eher uncharmant. Mein Ding ist eher die feine, höfliche Art. Ich bin sowieso der Meinung, dass man Frauen und auch Tiere niemals schlagen sollte. Nicht einmal dann, wenn sie es verdient haben. Obwohl sie es, wie wir alle ja wissen, sehr oft verdient haben. Frauen schlagen ist bei mir ein absolutes No- Go. Gewalt als solches, verabscheue ich und ich könnte jedes mal wie wild um mich schlagen, wenn ich beobachten muss, wie jemand seine körperliche Überlegenheit gegen ein solch schwaches Wesen wie ein Esel oder ein Mädchen richtet. Wenn ich so etwas erleben muss, geh ich immer hin und brech den alle Knochen, damit der mal am eigenen Leibe erfährt wie das ist. Wenn es mir passiert, dass ich in eine Situation gerate, in der mir die Hand ausrutschen könnte, hole ich immer tief Luft, denk an lila und zähle bis dreiundzwanzig. Danach strafe ich sie mit Nichtachtung. Hat immer wunderbar geklappt. Ich hab früher schon einmal über dreieinhalb Monate, nicht ein einziges Wort mit Sasa gewechselt, weil die dumme Kuh vergessen hat mir die Butterbrote einzupacken. Und dann stehst du da, auf der Arbeit und is Mittag und nichts zu futtern da. Is ja völlig klar, dass einem da der Faden reißt. Und da hätt auch bestimmt keiner schief geguckt, wenn ich ihr dafür mal ordentlich eins draufgekloppt hätt. Aber ich bleib dann immer ganz cool, denk an lila und sag nichts. Wenns sein muss auch mal dreieinhalb Monate lang.

Mein Junge, ich sehe dir an, dass du noch eine sehr weite Reise zurückzulegen hast. Du weißt nicht, dass du nichts weißt. Obschon du Alles hattest, stehst du nun mit leeren Händen da und dein Glück liegt begraben. Komm zu mir und gebe mir einen Kuss, ich möchte für dich beten. Schon wieder verstand ich nicht, was der Alte mir sagen wollte. Seine Worte ergaben einfach keinen Sinn für mich. Doch mein Gefühl sagte mir, dass es gut und richtig war. Hier gehörte ich hin, hier war mein neues Zuhause. Hier, in den zärtlichen Armen meines weisen Meisters.
Am nächsten Morgen weckte der Alte mich mit den Worten: Steh auf du Penner und koch Kaffe. Nun gut, dachte ich und quälte mich aus den Federn (Wir aßen abends immer Chicken, deshalb lag alles voller Federn). Danach sattelte ich die Hunde und ritt runter zum Fluss, um frisches Wasser zu holen. Auf halber Strecke machte ich allerdings eine sagenhafte Entdeckung. Direkt vor mir, lag splitternackt eine junge Frau und lächelte mich an. Ich konnte es kaum fassen, hier draußen in der Pampa, splitternackt und bildschön. Sie sah umwerfend aus, wie Pamela Anderson. Nur dass sie etwas kleiner war und sie hatte braune Augen und dunkles, schulterlanges Haar und kleine aber sehr, sehr stramme Brüste. Auch hatte sie nicht dieses nuttig, Schlampige, wo ich ja eigentlich drauf steh, sondern eher etwas Reines, Jungfräuliches. Am besten zu vergleichen vielleicht mit Katzen im Gegensatz zu Katern. Katzen haben ja so etwas schnuckeliges, süßes, schmusiges, wobei Kater eher einen auf arrogant machen. So als wollten sie einem sagen: Ich bin zwar nur dreißig Zentimeter, aber ich halte mich trotzdem für was Besseres, weil ich nämlich n` Kater bin und du nur n` dummer Mensch.
Da lag sie also, wie Gott sie erschuf und lächelte mich an. Dann fragte sie mich nach meinen Namen. Isch bins, Takko, lag mir auf der Zunge. Doch ich riss mich zusammen und sagte so lässig und leger es mir irgend möglich war folgendes: Mein Name tut nichts zur Sache, denn er ruft nur den Manne, der ich bis eben gewesen. Nicht aber den Manne, der ich ab jetzt seien werde. Nenne mich wie du willst und ich werde diesen Namen tragen, bis ans Ende meiner Tage. Nun gut, dann nenne ich dich Söhren, sagte sie und bepisste sich vor lachen. Sie hat also Humor. Das ist gut, das ist sehr gut, dachte ich.
Humor steht bei mir an allerallererster Stelle. Gleich nach B.B.P., Mund und Achselhöhle. Wenn eine Frau keinen Humor hat, kann sie gleich wieder gehen. Nach dem Sex natürlich. Ohne Humor würde eine Frau es auch gar nicht lange mit mir aushalten, schon allein, weil ich so witzig aussehe und selber ja auch ständig meine Späße mache. Zum Beispiel vertausch ich in der Videothek immer Bambi mit Gesichter des Todes. Dann lach ich mir dabei die ganze Zeit ins Fäustchen, wenn ich mir vorstelle, wie die ganzen Mordgeilen da sitzen und dann kommt auf einmal Bambi. Ich spuck auch sehr viel. Aber nur zum Spaß. Da brauch man auch Eine, die das mit Humor nimmt. Mit Sasa hab ich damals Stunden damit verbracht, Angelsehne auf Kopfhöhe im Park zu spannen und immer wenn dann einer mit seinem Fahrrad kam, der`s besonders eilig hatte, kriegten wir uns nicht mehr ein vor Lachen.
Komm setz dich zu mir und leiste mir etwas Gesellschaft, sagte die Schöne und rückte etwas zur Seite. Erzähle mir von dir. Ich bin sehr gespannt, was du zu sagen hast, denn ich sehe dir an, dass du ein außergewöhnlicher Mann bist, der etwas Außergewöhnliches zu berichten hat. Mir war nicht ganz klar, was sie jetzt von mir hören wollte, also holte ich tief Luft, stieg aus dem Sattel und sagte, während ich mich neben ihr niederließ: Mir ist nicht ganz klar, was du jetzt von mir hören willst. Erzähle mir, was dich an diesen abgelegenen Ort der Welt geführt hat, was hat dich hierher verschlagen? Ich dachte darüber nach und erschrak innerlich, da mir etwas bewusst wurde, was ich bis zu diesen Zeitpunkt meiner Reise erfolgreich verdrängen konnte. Mir wurde klar, wie sehr ich am Leben vorbei lebte und dass ich nichts begriffen hatte. Wozu machte ich diese Reise? Warum bin ich damals aufgebrochen und hab alles hinter mir gelassen? Wollte ich doch zu mir kommen, mich kennen lernen und begreifen, wo mein Platz in dieser Welt ist. War es nicht Sinn und Zweck zur Besinnung und mit mir selbst in Einklang zu kommen? Ich fühlte mich unsicher und traurig und musste zurück an die Worte des Alten denken, die sich nun wie Puzzleteile zusammenfügten und plötzlich einen Sinn ergaben: Du weißt nicht, dass du nichts weißt. Obschon du alles hattest, stehst du nun mit leeren Händen da und dein Glück liegt begraben.
Dann geschah etwas Eigenartiges, etwas mit dem ich nicht gerechnet hätte. Sie sagte, schließe deine Augen und gebe mir deine Hand. Ich möchte dir zwei Fragen stellen, die unterschiedlicher nicht seien können. Sie nahm meine Hand und rückte etwas näher. Ich konnte ihre Nervosität spüren und die Angst davor, ihre Fragen zu stellen. Lange Zeit sagte sie nichts und wir saßen einfach nur so da. Dann gab sie mir einen Kuss auf die Wange und flüsterte mir ins Ohr: Was bedeutet es zu lieben? Langsam öffnete ich meine Augen und musste grinsen denn ich kannte die Antwort auf ihre Fragen. Auch sie musste grinsen und in diesem Moment schien es, als würde uns die ganze Welt ein Lächeln schenken.

Das leben ist wie ein Überraschungsei dachte ich. Nach einer schmierigen schicht Schoki, wobei Schoki hier natürlich für Scheiße steht, kommt die Surprise. Ich war echt verdattert, kann man sich ja vorstellen, denkst an nichts Böses und dann sowas. Wir hatten uns grade erst kennen gelernt und doch schien es mir, als hätten wir ein ganzes Leben miteinander verbracht. Eine besondere Wärme und Vertrautheit lag in der Luft und ohne darüber nachzudenken, wurde es klar. Wir hatten hier zusammengefunden. Abgeschnitten vom Rest der Welt..
Sie hieß Mia und arbeitete als Model in New York. Doch nachdem ihre Eltern gestorben sind und auch sie bei einem Unfall beinahe ums leben gekommen wäre, entschied sie sich dazu, in die Wüste zu gehen und ein neues Leben anzufangen. Ich erzählte ihr von meinem Alptraum und was mich damals dazu bewegt hat, meine Reise anzutreten. Über Stunden saßen wir zusammen und schnatterten wie die Waschweiber. Dann sprang sie auf, schlüpfte in ihr Sommerkleid und sagte: Komm, ich möchte dir etwas zeigen. Sie nahm mich bei der Hand und flitzte los. Nach einer Weile gerieten wir an einen kleinen Wasserfall unten am Fluss. Sie gab mir einen langen und zärtlichen Kuss und sagte mit leuchtenden Augen: Das hier ist mein Garten Eden. Und wahrhaftig, sie hatte recht. Das hier war das Paradies. Es konnte gar nicht anders sein. Noch nie zuvor hatte ich einen solch schönen Ort gesehen. Schmetterlinge, Fliegenpilze, Rosen und Pfirsichbäume und mittendrin Mia. Meine kleine schöne Mia. Komm, bade mich, sagte sie und hüpfte wie ein Reh in den Fluss. Ich riss mir die Kleider vom Leibe und hüpfte wie ein Reh hinterher. Tapsich planschten wir im Nass herum, spielten Flipper und Fontäne. Wir machten Wettkraulen und spielten Kuck- kuck. Das heißt, einer taucht immer um den Anderen herum und springt dann blitzschnell an einer Stelle aus dem Wasser, wo der Andere das nicht vermutet und ruft dann Kuck- kuck. Ich hab mich jedes Mal fast zu Tode erschrocken wenn die das gemacht hat, aber gut. Dann haben wir noch ne witzige Schlammschlacht gemacht aber Mia hat mir aus versehen einen dicken Stein direkt auf den Kehlkopf gezwirbelt, sodass mir etwas schwindelig wurde. Ich röchelte auch. Aber sie hat sich dann ganz süß entschuldigt und ich war ihr nicht mehr böse. Sie sagte sie wolle dass wieder gutmachen und fasste mir dabei gefühlvoll an den Sack. Mein ganzer Körper sagte ja, aber meine Seele sagte nein. Zwar wusste ich, dass es ihr nicht wie bei all den Anderen um meinen strammen Body ging, aber irgendetwas in mir wehrte sich dagegen, es mit ihr zu tun. Mit traurigen Pandaaugen guckte sie mich an und sagte verlegen: Findest du mich denn nicht attraktiv? Ich sagte nichts. Was hast du denn, fragte sie. Ich sagte nichts. Liegt es an mir, was ist es? Ich sagte nichts. Ich spürte, wie sie langsam sauer wurde. Nach einer Weile sagte ich: Es ist nur,… dann sagte ich wieder nichts. Was, was denn? Ach, nichts. Dann tat ich so als wäre nichts gewesen. Jetzt wurde sie richtig sauer aber gleichzeitig auch verzweifelt und unsicher. Sag mir jetzt was los ist, forderte sie mich auf und fixierte mich dabei mit ihren glasigen Augen. Es ist nur, begann ich, deine Ohren. Dann stieg ich aus dem Fluss, wendete mich von ihr ab und streichelte einen Pfirsich. Was ist mit meinen Ohren, was? Die sind viel zu groß! Zu groß? Ja, zu groß, sagte ich. Guck dich doch mal an, du siehst aus wie`n kleiner Schäferhund oder Dumbo oder so. Natürlich waren ihre Ohren nicht zu groß, eigentlich waren sie eher zu klein, aber ich wollte die Sache von Anfang an richtig regeln. Und, oh Himmel, das hatte ich getan. Da stand sie nun inmitten dieses Paradieses und weinte. Meine kleine Mia, zitternd, bibbernd, nass und klein. Hielt sich ihre kleinen Öhrchen und weinte so herzzerreißend wie nur ein Engel weinen kann. Das war das Schönste, was ich je in meinem Leben gesehen hatte. Kleine süße Mia. Vorsichtig schloss ich sie in die Arme und sagte, dass ich nur spaß gemacht hab.

Als ich langsam wieder zu mir kam, entschuldigte sie sich mit den Worten: Tut mir leid, mein Schatz, ich habe etwas überreagiert. Dann liebten wir uns.
Mia war die Schönste von allen. Sie war dass, was ein Spieler einen Jackpott nennt oder ein Golfer ein Howl- in- one. Sie hatte eine besondere Gabe, mich in ihren Bann zu ziehen und mich zu verzaubern. Alles was sie machte, oder wie sie es machte, war Over the top. Ich konnte ihr stundenlang zusehen und dass tat ich auch. Oft haben wir uns gegenseitig solange angeguckt, bis wir vor Erschöpfung eingeschlafen sind. Dann sind wir irgendwann wieder aufgewacht und haben solange weitergeglotzt, bis wir wieder eingeschlafen sind und so weiter. Der Sex mit ihr war anfangs eher schwierig, da ich jedes Mal sofort gekommen bin, wenn sie mich auch nur berührte. Da konnte ganz normales Händchenhalten schon mal in einer riesen Sauerei enden. Ich musste jedes Mal mindestens fünf oder sechs mal vorher ejakulieren, bevor ich überhaupt mit ihr schlafen konnte. Und dann aber auch nur ohne Steifen. Bei jedem kleinsten Sexgeräusch, was sie gemacht hat, bin ich sofort wieder gekommen, woraufhin sie sich dann immer den Mund zugehalten hat, was mich wiederum noch mehr angemacht hat. Ein elender Teufelskreis. Irgendwann wurde sie so sauer darüber, dass ich nicht richtig mit ihr bumsen konnte, dass sie mir tierisch in die Eier getreten hat. Und seitdem ist wieder alles in Ordnung und funktioniert einwandfrei.
Manchmal, wenn sich die Wege kreuzen und sich zwei besondere Menschen treffen, weiß man einfach, dass man zusammengehört. Beispiele hierfür: Laurel und Hardy, Mickey und Maus, Ike und Tina oder Manson und Belzebub. Mia und ich gehörten auch zusammen. Wir ergänzten uns und bildeten eine Einheit. Mit großer Hochachtung und Bewunderung schauten wir in das innere unserer jeweils zweiten Hälfte. Wir wussten immer genau, was in dem Anderen grade vor sich ging, sodass die Sprache zu einem überflüssigem Metrum wurde. Es kam vor, dass wir stundenlange Dialoge geführt haben, bei denen kaum ein Wort gefallen ist. Einmal erzählte Mia mir von dem letzten Weihnachtsfest, welches sie mit ihren Eltern zusammen verbrachte und erwähnte dabei nur die Worte: und, kaum, Kantharsis, Weihnachtsmann sowie zwölf und Fotze. Ich fühlte mich sehr sicher bei ihr und schätzte und liebte sie, mit der vollen Kraft, meines neugeborenen Herzens. Jede Sekunde verliebte ich mich aufs Neue und auch sie schwebte im Siebtem Himmel. Eines Tages legte sie mir ihre Hand in den Nacken, küsste vorsichtig mein Kinn und sagte: Bevor wir uns trafen, habe ich mein Leben beweint. Ich bin in die Wüste gegangen um Frieden zu finden und meine Traurigkeit zu stillen. Niemals hätte ich gedacht, noch einmal so glücklich zu werden, wie ich es mit dir bin. Du gibst mir das Gefühl, ich zu sein. Du gibst mir die Kraft, ich zu sein. Du gibst mir den Mut und die Hoffnung zurück, welche ich vor langer Zeit verloren hatte, und ich kann wieder an etwas glauben. Und ich glaube an uns. Noch ist unsere liebe frisch und wir sehen uns mit leuchtenden, verschleierten Augen. Doch mit der Zeit wird dieses Leuchten nachlassen, der Schleier wird fallen und es wird wenig Neues an dem Anderen zu entdecken sein. Dann werden wir alt und krank beisammen sitzen, uns gegenseitig stützen und pflegen und gemeinsam an unseren Erfahrungen, Erlebnissen und unserer Liebe zehren, bis der Tot uns holt. Höre mir genau zu: Alles ist wichtig, nichts ist unwichtig. Verliere niemals den Respekt vor mir und höre dass, was ich sage, wenn ich nichts sage. Es geht nicht um das Offensichtliche, es ist das Unsichtbare, worauf es ankommt! Dann gab sie mir einen Kuss und es war ein Kuss für die Ewigkeit.
Ich hatte diese letzten Worte schon einmal gehört und lange Zeit deren Bedeutung nicht verstanden. Doch nun, in diesem Augenblick, wo Mia mir tief in die Augen sah und die Regeln festlegte, erkannte ich den Sinn und spürte dessen Magie.








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