Es war Samstagmorgen und ich fuhr in meinem roten VW zu Tante Anke. Gestern rief sie an und berichtete von einem kleinen Anliegen. Ich hatte sie erst vor kurzem besucht aber ich machte es immer wieder gerne. Dort angekommen, begrüßte sie mich mit einer Umarmung. "Guten Morgen Liebes. Schön das du Zeit hast, komm doch erst mal rein und wir trinken einen Tee."
Ich betrat ihr Haus, es war sehr klein aber fein. Ihr moderner Einrichtungsstil gefiel mir gut und das obwohl sie schon seit ich denken kann, in diesem Haus lebt. "Ich bitte um Minze.", rief ich in die Küche und hing meine Jacke an den Haken. Dann kam Rudi, Ankes Haustier mir entgegen. Es war ein kleines Schwein und sah wirklich sehr süß aus. Ich tollte ein wenig mit ihm rum.
Am Tisch sprachen wir über die letzte Woche. Sie war ein paarmal im Krankenhaus zur Kontrolle, da sie vor längerem einen Bandscheibenvorfall hatte. "Geht es dir denn jetzt soweit wieder gut?", wollte ich, noch immer leicht besorgt, von ihr wissen. "Eigentlich schon. Die Schmerzen halten sich in Grenzen aber ich habe viel zu tun..", erzählte sie, "Ich wollte dich darum bitten, in den nächsten Tagen Nachmittags mal vorbei zu schauen und dich um die Kürbisse zu kümmern. Ich habe das Gefühl, den einen Tag sind sie richtig frisch und blühen schön und am nächsten Tag gehen sie mir ein."
Wir mussten lachen. "Gut, ich helfe dir selbstverständlich.", bestätigte ich. Wir tranken noch einen weiteren Tee und sprachen über Ereignisse, die wir noch nicht berichtet hatten.


In den Tagen darauf kam ich und besuchte sie regelmäßig. Brachte ihr ein paar Einkäufe mit, putzte ein wenig Staub, wusch ein Bisschen Wäsche.
"Tante Anke! Es gibt heute leckere Suppe!", rief ich, als ich zur Tür rein kam. Ich war immer extra ein wenig am klappern mit dem Schlüssel, damit ich nicht unverhofft reinplatzte. Sie hatte mir den Schlüssel für die nächsten Tage überlassen. Wie sonst unüblich antwortete meine Tante nicht. Als ich die Suppe in die Küche gestellt hatte und meine Jacke ausgezogen hatte, ging nach ihr sehen. Sie lag im Wohnzimmer, einen nassen Lappen auf der Stirn, eingewickelt in die warme Wolldecke. "Ach herrje. Da war das mit der Suppe gar keine schlechte Idee. Wie geht es dir?", fragte ich besorgt und wendete den Lappen, damit er von der anderen Seite kühlen konnte. Anke öffnete vorsichtig die Augen und sah mich an. Ihre Lippen waren trocken, obwohl das Wasser neben ihr stand. "Hallo Liebes. Ich weiß nicht...", erklärte sie mit rauer Stimme, "...jedenfalls nicht sehr gut. Aber ich freue mich auf die Suppe. Danke das du da bist."
"Gleichfalls.", dachte ich und sprach: "Ich setze das Essen direkt auf. Ruh dich einfach weiter aus.", sagte Ich und sah mich kurz um.
Irgendwie wirkte es still und so leer. "Wo ist denn Rudi?", fragte ich und drehte den Herd auf, als der Topf drauf stand. "Ach Liebes", antwortete sie ein wenig lauter, "Ich musste ihn abgeben, hatte einfach keine Zeit mehr. Und jetzt bin ich auch noch krank geworden, nachdem er weg war. Es wäre nicht gut gewesen, ihn zu behalten."
Leicht enttäuscht machte ich erst mal die Suppe zurecht. Wir aßen zusammen. "Und Rudi? Wo ist er jetzt?", fragte ich neugierig weiter. "Nun ja, ich hatte Rudi in die Zeitung gesetzt und mit dem alten Mann, der Rudi genommen hat etwas vereinbart. Habe ich wieder genügend Zeit, könne ich Rudi zurück holen und würde ihm das Geld wieder geben, da Rudi nun schon etwas älter ist." Das munterte etwas auf. Doch die Stimmung wirkte trübe und traurig und Anke wurde immer müder. Als ich den Kürbisgarten sah, wurde es nicht schlimmer. Der Großteil war eingegangen und frisch sahen sie auch nicht aus. Ich versuchte mein bestes. Tante Anke legte sich schon früh ins Bett, so dass ich wieder ging. Diese unendliche Ruhe störte mich und ich sah, das es sie auch störte.
Am nächsten Tag wollte ich ihr etwas Gutes tun und brachte ein Radio mit. Da Tante Anke eher Zeitung las und Fern sah, hörte sie wenig Radio. Aber wenn sie mal keine Lust auf Fernsehen und Zeitung hatte, hätte sie nun eine Variante.
Ich kam bei ihr an und Anke lag genau wie am letzten Tag auf der Couch. So ging es nun die nächsten Tage.
Das Radio half wenig, da Anke viel schlief... Der Kürbisgarten wurde auch immer schlechter und es war schon an der Hand abzählbar, wie viele Kürbisse eventuell noch reifen könnten.
Eines Tages als wir wieder gegessen hatten und ich mich um den Kürbisgarten gekümmert hatte, rief ich: "Tante Anke? Ich muss nochmal kurz weg.", und verließ das Haus. Ich ließ mir von ihr sagen, wer Rudi nun besaß und fuhr hin.
Gespannt sah ich das Haus an, in dem Rudi nun sein Körbchen stehen hatte und wohlgemüht sein Futter zu sich nehmen würde, um mit den neuen Besitzern fröhlich zu tollen.
"Guten Tag.", begrüßte ich und stellte mich vor, als jemand auf mein Klingeln die Tür öffnete.
"Meine Tante musste Rudi, ihr Haustier, vor kurzem abgeben, da sie es zeitlich nicht mehr geschafft hatte. Wie ich hörte, war die Vereinbarung das Rudi zurück könnte, wenn sie wieder die Zeit dazu haben würde und deshalb bin ich hier."
"Ah, die Anke.", sagte der Mann nachdenklich und lächelte. "Gut, nur sehr ungern aber ich gebe Rudi natürlich zurück. Das Geld ist mir nicht so wichtig, nur das ich Rudi vielleicht wieder sehen könnte. Wäre das in Ordnung? Er ist so liebevoll, wie seine Besitzerin und er ist mir ans Herz gewachsen."
Er legte Rudi das Halsband und die Leine um und übergab ihn mir mit allem Zubehör.
"Sicher denke ich das.", sagte ich und freute mich über diese Nachricht und das es so schnell ging.
In ein paar Minuten war ich wieder bei Tante Anke und ließ Rudi hinein.
"Oh! Rudi mein Schatz! Wo kommst du denn her?", rief sie, als Rudi zu ihr gelaufen war. Überglücklich kuschelte sie das Schwein und spielte mit ihm. "Das ist ja so fein, das du wieder da bist!"
"Das freut mich ja, das er dir jetzt wieder Leben in die Stube bringt!", fügte ich hinzu. "Nun werde ich noch ein Bisschen öfter kommen und mich um ihn kümmern und vielleicht geht es dir ja dann wieder besser." Wir verbrachten noch den Abend zusammen und dann fuhr ich nach Hause.
An diesem Abend schlief auch ich ein Bisschen beruhigter. Rudi würde Tante Anke wieder etwas in Schuss halten und der Gesundheit könnte es auch nicht schaden, dachte ich.
Gesagt, getan.
Als ich am nächsten Tag wiederkam um die beiden zu besuchen und die Kürbisse vielleicht weiterhin noch irgendwie zu retten, war ich überrascht.
Ich betrat das Haus und es wirkte, als lebe die Sonne selbst in diesem Haus. Es war hell und roch frisch und gleichzeitig nach leckerem Nudelauflauf. Überall war es frisch geputzt und Rudi lief herum, so glücklich wie noch nie. Leise aber deutlich hörte ich aus der Küche 2 verschiedene Stimmen und leise Musik vom Radio. "Huhu Tante Anke.", rief ich freudig und betrat die Küche. Dort saß der Mann, der Rudi über die Zeit zu sich genommen hatte, als Anke keine Zeit hatte. Ich sah aus dem Fenster und sah die prächtig aufblühenden Kürbisse, welche fast ausschließlich alle so aussahen, als wären sie bald reif. "Hallo mein Liebes!", strahlte meine Tante mich an. Sie sah noch gesunder aus, denn je und verliebt noch dazu.
"Guten Morgen, Tina.", begrüßte der werte Herr mich, als ich auf das zurück Grüßte.


Meine Tante lächelte mich an. "Nun setz dich doch und iss' mit uns."
So begann ein Tag, wie kein anderer mehr, nach dem Bandscheibenvorfall und dem Unwohlsein
ohne Rudi. Wir verbrachten noch einige gemeinsame Tage zusammen, ehe ich mich dann sicher wieder etwas zurück zog, denn nun trat ein ganz anderer Mensch in das Leben meiner Tante.
Sie waren frisch verliebt und begannen somit ein neues Kapitel in ihrem Leben, doch niemals ohne ihren Glücksbringer Rudi.


© FS


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