Ein Bachstelz lebte, ganz passabel,
auf einer feuchten Lichtung.
Samt wippend Schwanz, auf Halm und Holz
zog es ihn stets in Richtung.
Dort wo der Sumpf zum See ausläuft,
belegt von flüchtig Nebelhand,
verharrte manche zeit`ge Weile
der Piep - dem Wasser zugewandt.

Mit schwindend Licht der Schlaf beschert
ihm Träume, stets ausführlich . . .
vom Schreiten, angemuts und stolz,
auf großem Fuß - natürlich.

So bin ich frei, ein edler Reiher !

Hinein ins unzufried`ne Ist
sein Los auf`s Maß gestutzt,
weckt ihn der Dämmer und er blickt
wer sich am Ufer putzt.

Gefieder, das ihn grad noch schmückte,
kleiden wieder dem es passt . . .
Da steht er - zwischen Schilf und Bins,
vom Nebel lautlos angefasst.

Die filigrane Silhouette
setzt an zur ersten Jagd.
Zum frühen Happen degradiert -
wer sich ins Seichte wagt.

Mit Wehmut folgt dem schreitend Vetter
der Stelz auch diesen Morgen.
Bis er, wie unlängst, staunt und merkt
auch jener hat wohl Sorgen.

Ein ums andre sticht der Reiher,
nein, eher stochert vor dem Missen,
in der nassen Leere rum -
ohne einen Gabelbissen.

In Anbetracht was er so schaut,
den Stelz der Mut ereilt.
Dem Schmalhals muss geholfen sein !
Zu lang ich hier verweilt !

So fliegt er los, den Kurs bestimmt,
durch schwindend Schwaden, Nebelschleier.
Das Bachstelzherz in selt`ner Stimmung
als er erreicht den Reiher.

Der große Vogel folgt mit Arg
dem kleinen Flieger, der
sich nah ins schwankend Schilf geklammert,
als gäb´ er`s niemehr her.

" So recht bequem, mein kleiner Freund,
will es kaum werden, wie ? "

" Nein, will es nicht, doch dacht ich mir
wir reden ja sonst nie . . ."

" Leider hab ich keine Muse
für einen Uferplausch, verzeih.
Im Nest erwarten mich drei Schnäbel,
denen ist einerlei
woher, weswegen und warum
ich ohne Fisch den Heimflug starte.
Drum lass`mich meine Bringschuld pflegen . . ."

" Hör mir kurz zu und warte !
Schon lang bewund`re ich im Stillen
wie täglich du mit sich`rem Stoß
so manchem Fisch den See wegnimmst,
seit kurzem scheint mir bloß,

dass Müh`und Nutzen eine Schere.
Die Lanze oft ihr Ziel nicht findet.
Willst du mir sagen was es ist,
wo uns doch dieser See verbindet ? "

Erstaunt hört er dem Kleinen zu
und denkt sich: wie gescheit !
Am Schilfrohr; zwitschernd, kämpft im Wind -
der Bachstelztherapeut.

" Nicht jeder Stich erlegt, so schau,
zu groß der Fisch, zu tief sein Stand.
Da stört ein Blatt, dort gleisst das Licht.
So vieles unbenannt . . ."

" Das sind die Gründe, bist du sicher ?
Wann sah ich dich zuletzt hier speisen ?
Dafür erst gestern - tief die Sonne,
ohn`Fisch und Fang nach Hause reisen . "

" Die Augen sind`s, ich sehe schlecht.
Von Tag zu Tag sie mehr mir trüb.
Kein Fisch hält still bis ich vielleicht
mit Glück platzier`den gold`nen Hieb. "

Am Schilf dem Stelz im böig Spiel
erschaukelt sich ein Licht -
" Ich hab´s, die Elster fand ein Ding,
aus Glas - sie braucht es nicht ! "

Nicht ahnend was der Bachstelz meint,
gibt er doch zu bedenken
die Elster sein dafür bekannt
nie etwas zu verschenken.

" Da fällt uns sicher etwas ein,
komm mit , ich kenn`den Logel,
in dem sie ihre Schätze hortet.
Ein sonderbarer Vogel."

Ein kurzer Flug zum nahen Wald,
schon hören sie lautes Krächzen.
Im Wipfel zwei Vögel, recht aufgebracht,
kommentiert nur von morschem Ächzen.

" Es bricht uns entzwei,
wie soll das gehen ?
Mit all dem Gefunkel,
du wirst es sehen,
die Last es nach unten zieht ! "

" Wer schleppt denn tagtäglich
ohn`Unterlass
hierher jed Geraffel ?! "

" Es macht halt Spass ! "

Reiher und Stelz, die Schnäbel offen,
verfolgen vom Boden den Streit.
Bis eine der Elstern die zwei bemerkt :

" Oh, selt`ner Besuch, hocherfreut. "

" Wir wollen nicht stören,
nur eine Frage,
ist euch was zu viel
in Nest und Waage ?
So könnten wir helfen
und noch obendrein
verhilft eure Gabe,
will es so sein,
dem Reiher zu klarem Seh`n. "

Die Elstern verstummt,
nur das Knarren der Äste
in windiger Höhe singt.
Kurz sehn sie sich an,
vergessen die Reste
des Streits - der ja doch nichts bringt.

" Welch Ding soll das sein ?
Wir sind gut bestückt
mit Schätzen aus aller Welt."

" Ja, jedweden Mist
schleppst du uns ins Heim -
bis alles zu Boden fällt !"

Der alte Zwist will neu entflammen,
flink geht nun der Bachstelz dazwischen :
" Aus Glas, eine Linse an Silberkette,
wir brauchen sie dringend zum Fischen."

Erneut den Elstern Aug`in Aug`
das Zetern kommt abhanden,
dann suchen sie mitten im Wust des Krams
was sie vor zwei Wochen fanden.

Nach knapper Dauer taucht herauf
die Eine, nun etwas benommen,
im Schnabel pendelt ein Monokel -
" Deswegen ihr hergekommen ?"

Schon startet erleichtert
der Stelz geschwind
zu holen was wichtig,

" Voll Dank wir sind ! "

Entfährt es dem Reiher,
obwohl zur Zeit
er kaum weiß warum
solch tönend Geläut.

" So kläre mich auf,
wie hilft mir das Glas ?
Der Kleine, ohn`Atem -
die Fracht im Gras.

" Den Menschen, versteh`-
wird die Umwelt verwischt.
Dies Teil vor den Augen,
der Blick erfrischt."

Mit wild flatternd Flügeln
der Bachstelz hieft
dem Großen die Schärfe,
doch jener vertieft . . .

" Du kannst mir nicht halten
das Glas - sei es gut.
Dem Helden der Bühne
Sehkrücken nur Wut
bescheren ums Unvermögen. "

" Gib mir deinen Stolz,
ich vergrab`ihn für dich.
Wir fangen die Fische -
gemeinschaftlich ! "

Da krächzt hoch die Elster
in Ast und Laub:
" Ich wollte nicht lauschen,
doch bin auch nicht taub . . .

grad wohl deinen Augen
die Lust ermattet,
so sei mir doch
dieser Tipp gestattet :

Folgt über dem Bergkamm
des Flusses Lauf.
Fliegt, lichtet der Wald sich,
hinab - nicht hinauf . . .

die Stadt ist zu riechen
bevor sie erblickt . . .
was Großes ins Netz schwimmt
wird marktlich vertickt.

Die Kleinen, die Falschen,
verwachsen die Form,
ist Abfall und wertlos
und jenseits der Norm.

Gar manche, wie ihr,
dort auf Beute lungern.
Im Hafen der Fischer
muss niemand hungern."

Im See steht der Graureih`
zuweilen im Dunst,
sein Freund hält die Linse -
der Klarheit Gunst . . .

Er muss es nicht mehr,
doch es fühlt sich gut an,
umflattert zu können -
was man sonst nicht mehr kann.

Dort wo der Sumpf
im See aufgeht,
belegt von flüchtig weißem Schleier,
jagt ab und zu ein Team nach Fisch :
Ein Bachstelz und sein Reiher.


© Ralf Risse Alle Rechte vorbehalten, besonders das Recht auf Vervielfältigungund Verbreitung, sowie Übersetzung.Kein Teil des Textes darf ohne schriftliche Genehmigung des Autors reproduziert oder verarbeitet werden.


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Kommentare zu "Unter Vögeln"

Re: Unter Vögeln

Autor: simon   Datum: 02.10.2013 0:29 Uhr

Kommentar: ....sehr schön!
LG Simon

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