Die kleine Zehe zum hundertsten Mal anschlagen
Ein viel zu vollgepackter Supermarkt
kurz vor Ladenschluss
Neue Schuhe kaufen
Hosentaschen nähen
Stau
Diese Nicht-Momente
Diese langen Weilen
Ohne Buch und Strom im Bummelzug fahren
Das Menschenmeer am Bahnhof navigieren
inmitten der Stoßzeit
Gescherbtes ersetzen
Scharniere ölen
Putzen
Das ist der Lebens-Kitt
Der die Jahreswand tragend macht
Im Wartezimmer beim Zahnarzt sitzen
Die eine unbezahlte Rechnung finden
Einen leeren Briefkasten öffnen
Den Termin verschieben
Toilettenpapier besorgen
Duschen
Dieses Drumherum
Die Luft in Niemands Lungen
Das Wasser in kalten Kiemen
Hass es nicht
Lieb es nicht
Nimm es an
Mit offenen Händen und Augen
Halte Ausschau nach Schönheit
Lass die Tage fließen
Durch dich hindurch
Kommentar:Dein Gedicht ist in den ersten sechs Strophen ziemlich streng aufgabaut, eine längere sechszeilige Strophe, darauf eine kurze, mit zwei Zeilen. Dann fängt ein zweiter Teil an, der freier gegliedert ist, verdichteter mit kürzeren Strophen, kürzeren Zeilen.
Charakteristisch ist auch, das die ersten Zeilen der Strophen immer länger sind als die folgenden Zeilen, immer eine Art Dreieck bilden.
In den ersten fünf Strophen geht es um die Anforderungen, die un ser Alltag, das gewöhnliche, alltägliche stellt.
Einkaufen - zur Arbeit oder sonstwohin fahren - warten und die schriftlichen Sachen erledigen. Alles nichts was uns so gefallen, begeistern könnte.
Du stehst neutral dazu, nimmst es an, wie Du es schreibst.
Dann gibst Du uns einen Rat, halt Ausschau nach dem Schönen!
"Sieb das Wasser". Ein sehr schönes Bild!
Finde auch "Gescherbtes ersetzen" toll, sehr gut.
Dann ein schöner kurzer Abschluss.
Finde das Gedicht sehr gut gemacht und auch vom Aufbau formal sehr schön.
Ich kann Dir vom Inhalt nur zustimmen. Wir gehören uns selbst nur zu einem bestimmten Teil. Meist ist man einfach ganz gewöhnlich, ununterscheidbar, Konsument, Reisender, Patient,
in einer kleinen Schublade. Aber es ist auch sehr aufwändig, immer ich selbst zu sein, immer zu zeigen, was man wirklich ist.
Ich würde verhungern - ohne Einkauf, würde nichts erleben - ohne Reise, ohne Arbeit - hätte Schmerzen - ohne Zahnarzt! Nehmen wir also unser Geworfensein ernst, sorgen wir uns, feiern wir aber auch, haben wir Spaß!
Kommentar:Vielen Dank Thomas für deine Beschreibungen und Interpretationen meiner Zeilen.
Dein letzter Satz ist sehr schön.
Geworfensein finde ich passend hier.
Kommentar schreiben zu "Tagein Tagein"
Möchten Sie dem Autor einen Kommentar hinterlassen? Dann Loggen Sie sich ein oder Registrieren Sie sich in unserem Netzwerk.
Beschwingtheit überkommt mich
beim Blick in ferne Landschaften.
Ich wappne mich gegen böse Blicke
und verletzende Worte.
Ich versuche mich vor Verhöhnungen
und [ ... ]
Also, ich trage ja immer noch meine Maske,
weil der Virus ist ja nicht verreist!
Selbst zu Hause ich drauf achte,
gerade vor dem Spiegel wirds mir heiß!
Ich weiß nicht, ob diese Worte irgendjemand liest,
Ob sie irgendjemand hört oder sieht.
Aber sie liegen mir auf dem Herzen
Und deswegen diese Nachricht an die Welt [ ... ]