„Bei Adolf war nicht alles schlecht“, höre ich Mutter sagen,
„und das mit den Gaskammern haben wir nicht gewusst.“

Habt ihr es wirklich nicht gewusst, oder wolltet ihr es nicht wissen? Habt ihr einfach weggeschaut? Ihr müsst doch etwas gemerkt haben, als die jüdischen Mitbürger immer mehr entrechtet, mit Berufsverbot belegt, stigmatisiert mit gelbem Stern, ihre Bücher und Kunstwerke verboten und verbrannt, ihre Geschäfte boykottiert und geplündert, ihre Fenster eingeworfen, ihre Synagogen angezündet wurden und schließlich jüdische Nachbarn und Bekannte über Nacht einfach verschwanden. Aber ihr habt weggeschaut, einfach weggeschaut und nichts gehört und nichts gesagt, wie die drei Affen.

Dieser fiktive Bericht ist besonders für alle noch lebenden Zeitzeugen gedacht, die weggeschaut haben, sowie für alle jüngeren Ewig-Gestrigen, die versuchen, den Holocaust leider schon wieder zu leugnen. Die gemachten Aussagen und Zahlenangaben basieren auf tatsächlichen Berechnungen und Zeugenaussagen.


Auschwitz, am 23. Mai 1944

Sehr geehrter Herr Hauptsturmführer,

Wie gewünscht, erhalten Sie hiermit meinen Bericht zur derzeitigen kapazitiven Situation im Lager:

Durch die Ungarn-Aktion* sind seit einigen Wochen die eintreffenden Transporte bekanntlich so groß, dass der Durchsatz in der festgelegten Zeit kaum bewältigt werden kann. Deshalb berichte ich Ihnen im Folgenden, welche Maßnahmen bereits ergriffen wurden und welche m.E. noch fehlen, um den großen Andrang kapazitiv zu bewältigen. Ich bin dabei auf die einzelnen Prozeßschritte bei der Judenvernichtung gesondert eingegangen.

1) Auskleideräume:
Unsere zwei Auskleideräume sind großzügig konzipiert und das Entkleiden geht ja auch viel zügiger als die anschließenden Behandlungen, so daß es hier zu keinen Verzögerungen kommt. Positiv ist zu bewerten, dass auch Auskleideraum II inzwischen mit Rohren nachgerüstet wurde, so dass die Räume nun belüftet und im Winter sogar mit der heißen Abluft aus den Krematorien beheizt werden können. Der Personenfluss ist nun so gestaltet, dass die Auskleideräume direkt an die Gaskammern I-IV angrenzen, so daß der Inhalt eines voll besetzten Auskleideraums jeweils auf zwei Kammern verteilt werden kann. Lediglich vor den Gaskammern der Bunker I + II stehen die Menschen nach dem Auskleiden noch im Freien, bis die Kammern für die nächste Charge frei sind.

2) Gaskammern:
Durch Inbetriebnahme der neuen Kammern IV + V, sowie der Wiederinbetriebnahme der Kammer in Bunker II, im Lagerjargon auch „Zentral-Sauna“ genannt, stehen derzeit 6 Gaskammern, mit einer Gesamtfläche von 1087 m² zur Verfügung. Die minimale Stehplatzfläche wurde pro erwachsene Person mit 0,125 m² ermittelt, d.h. acht Personen pro Quadratmeter. Mehr sind wirklich nicht hinein zu zwängen, wir haben es oftmals versucht. Es ist daher bezüglich der Gaskammern von einer Gesamtkapazität von 8.696 Leichen pro Tag auszugehen. Im Schnitt treffen derzeit täglich etwa 5.500 Personen im Lager ein, d.h. die eigentliche Vergasung stellt kapazitiv keinen Engpass dar.
Ein Vergasungszyklus dauert ca. 30 min., dann ist alles tot. Ein Problem entsteht allerdings durch die enge Packung der Menschen in den Kammern. Nach der Vergasung stehen die Toten wie Basaltsäulen aufrecht aneinander gepresst. Ganze Familien drücken sich im Tode verkrampft noch die Hände, so daß wir Mühe haben, sie auseinander zu reißen, um die Kammern für die nächste Charge frei zu machen.
Die ebenerdigen Kammern IV + V können durch Öffnen der Türen nach außen problemlos gelüftet werden. Lediglich bei den beiden großen unterirdischen Kammern I + II muss weiterhin eine Zwangsentlüftung über Gebläse erfolgen. Analog der Entkleideräume werden inzwischen die Kammern I-IV im Winter mit Heißluft aus den Krematorien, die Kammern V + VI mit Öfen beheizt, um auch bei tiefen Temperaturen eine schnelle Freisetzung des Blausäuregases zu gewährleisten.
Erlauben Sie mir an dieser Stelle einen kurzen Exkurs zum Einsatz des Gases Zyklon-B. Bekanntlich war dieses Gift ja stets zwecks Schädlingsbekämpfung, besonders gegen Kleiderläuse, im Lager vorrätig. Schon im Sommer 1941 entdeckte ich mehr durch Zufall, wie effektiv dieses Produkt gegen menschliche Organismen wirkt, wonach ich mich als „Erfinder der Zyklon-B-Methode“ bezeichnen darf. Für die Tötung von Menschen wird lediglich der 22. Teil der Dosis für wirbellose Tiere benötigt. Wir schaffen es inzwischen, mit nur 4 kg Zyklon-B etwa 1.000 Personen zu behandeln. Dieses Gas ist also viel effektiver und wirkt doppelt so schnell wie das früher verwendete Kohlenmonoxyd bzw. Motorabgase.
Der SS-Desinfektor, der die Zyklon-B Kristalle in die 4 Einwurföffnungen im Dach der Gaskammern einbringt, beklagt sich lediglich, daß die Öffnungen in den Kammern IV + V so hoch angebracht sind, daß er den Inhalt der Dosen mittels Leitern in die Drahtkörbe einschütten muß. Dies verzögert den Vergasungsprozess, so daß Bewußtlosigkeit und Tod bis zu 20 min. später eintritt als in den Kammern II + III. Hier sollte schnellstens an einer effektiveren Lösung gearbeitet werden.

3) Leichenkeller:
Da die Krematorien den größten Engpaß im Vernichtungsprozeß darstellen (siehe Punkt 4), muss ein Großteil der Leichen nach der Vergasung zwischengelagert werden. Hierzu wird Leichenkeller II, der bereits als Gaskammer umfunktioniert worden war, wieder als Zwischenlager genutzt. Durch diese Maßnahme können nun genügend Körper in den beiden Leichenkellern gelagert werden. Die Zwischenlagerung hat auch den positiven Nebeneffekt, daß dadurch genügend Zeit für die Verwertung der Leichen verbleibt, also das Durchsuchen nach Wertgegenständen, das Abschneiden der Haare der weiblichen Leichen und das Öffnen der Münder mit Haken, zum Entfernen von etwaigen Goldzähnen und –füllungen durch unsere zwei Dutzend Zahnärzte.

4) Krematorien:
Die Krematorien stellen das größte logistische Problem dar. Es gibt einfach zu wenige Verbrennungsöfen in den 5 Krematorien. Krematorium I ist noch mit einem alten Doppelmuffelofen des Typs D-57253 Modell „Auschwitz“ ausgestattet, die Krematorien II und III mit Dreimuffelöfen und lediglich die Krematorien IV und V mit den neuen Achtmuffelöfen. Pro Muffel kann die Kapazität auf etwa 90 Leichen in 24 Stunden beziffert werden. So ist bei den vorhandenen 24 Muffeln von einer Gesamtverbrennungskapazität von 2160 Leichen pro Tag auszugehen. Zu beachten ist hierbei, dass sich diese Kapazität auf Leichen erwachsener Männer bezieht. Bei der Verbrennung von Kindern, oder extrem abgemagerter Personen ist natürlich von einer größeren Kapazität auszugehen. Dennoch ist eine Verbrennung von über 5.000 Leichen pro Tag mit der vorhandenen Ofenkapazität nicht zu bewältigen.
Aus diesem Grunde mußten die beiden hinter den Bunkern I + II ausgehobenen Verbrennungsgruben mit je 30 m Länge, 7 m Breite und 3 m Tiefe, wieder in Betrieb genommen werden. Diese haben zwar eine große Kapazität, weil aber die Verbrennungstemperatur viel niedriger ist als in den Öfen und Schornsteine fehlen, breitet sich in der gesamten Gegend ein stark wahrnehmbarer Gestank aus, so daß sich das Wachpersonal, sowie die Bauern der näheren Umgebung schon beschweren.
Auf meinen Vorschlag hin, konnte aber auch in den Verbrennungsgruben eine Produktivitätssteigerung erzielt werden. Ich habe in den Gruben mittig eine Vertiefung mit einer Rinne anlegen lassen, in welche das bei der Verbrennung austretende heiße Körperfett der Leichen einfließt. Dieses wird dann mit Eimern herausgeschöpft und wieder über die Leichen gegossen. Dadurch konnte der Verbrennungsvorgang beschleunigt und der Bedarf an Brennholz reduziert werden.
Ich rate also dringend zur Beschaffung von mindestens 3 weiteren Achtmuffelöfen der Fa. Topf & Söhne, um die kapazitive Lücke in den Krematorien zu schließen und die Verbrennungsgruben wieder außer Betrieb setzen zu können.
Erlauben Sie mir noch ein Wort zur Beseitigung der Asche und Knochenreste, die besonders in den Verbrennungsgruben in großen Mengen anfallen. Die Knochen werden mittels Knochenmühlen der Fa. Schriever AG zerkleinert. Die beiden vorhandenen Mühlen stoßen bereits an ihre Kapazitätsgrenzen, so daß die Anschaffung einer dritten Mühle dringend angeraten ist. Asche und Knochenmehl wird wie gewohnt an Stellen mit starker Strömung in die Sola** geschüttet, damit auch gar nichts von dem Judenvernichtungsprozess mehr übrig bleibt.

5) Brennstoffbedarf:
Der Koksverbrauch für eine 24-Stunden-Schicht beläuft sich bei den Krematorien II + III auf je 2,2 t, bei den Krematorien IV + V auf je 5,5 t und beim Krematorium I auf 1,5 t, also werden pro Tag 16,9 t Koks benötigt. Der Nachschub des Brennstoffes stellt kein Problem dar, da mit den Güterzügen täglich nicht nur Menschen, sondern auch genügend Koksladungen im Lager eintreffen.
Die Achtmuffelöfen besitzen auch nur vier Feuerungen, da die innen liegenden Muffeln ohne eigene Befeuerung mitgeheizt werden. Dadurch wird Brennstoff in erheblichem Umfang eingespart.
Des Weiteren wird bei allen neuen Topf-Öfen die zur Verbrennung notwendige eingeblasene Luft durch Wärmetauscher vorgewärmt, was die Verbrennungsdauer verkürzt und zu mehr Effizienz führt. Während des Dauerbetriebes wird somit ein Großteil der benötigten Energie aus der Leichenverbrennung selbst bezogen, was den Brennstoffbedarf zusätzlich senkt. Daher ist darauf zu achten, daß die Öfen, besonders in den Krematorien IV + V rund um die Uhr in Betrieb sind und nicht erkalten.

6) Personal:
Die Arbeiten werden in Gänze von Häftlingen der Sonderkommandos*** erledigt. In den Krematorien arbeiten je 110 Häftlinge als Heizer in der Tages- und je 104 Häftlinge in der Nachtschicht. Darüber hinaus arbeiten derzeit 30 Häftlinge beim Entladen von Holz an den Verbrennungsgruben. Die Sonderkommandos werden von 12 SS-Soldaten, sowie der doppelten Anzahl Kapos**** überwacht. Dabei ist zu beachten, dass aus Sicherheitsgründen die Sonderkommandos monatlich ausgetauscht werden.

Abschließend sei noch vermerkt, dass sich die derzeitigen Kapazitätsengpässe, besonders in den Krematorien in den nächsten Wochen und Monaten sicherlich entspannen werden, da der Zustrom an neuen Gefangenen langsam abnehmen wird. Durch die Ungarn-Aktion wird es in den nächsten Wochen sicherlich nochmals vereinzelt zu Spitzen im Vernichtungsprozeß und zu Kapazitätsproblemen kommen, aber durch die fortschreitende Säuberung der Juden in allen besetzten Ländern, wird sich das Problem langsam von selbst lösen. Bis dahin kann hier als Fazit stehen, daß das Lager Auschwitz-Birkenau unter Ihrer Führung unter dem Strich gut auf die derzeit eintreffenden Transporte vorbereitet ist.
Möge in Kürze ganz Europa vom Judenpack befreit sein.

Heul Hitler
Ihr Otto Moll
Hauptscharführer


Anmerkungen:
Man geht heute davon aus, dass allein im KZ Auschwitz-Birkenau von Anfang 1941 bis Ende 1944 etwa 1,5 Mio. Menschen ermordet wurden.

„Nach Auschwitz ein Gedicht zu schreiben ist barbarisch.“ Theodor W. Adorno in: Kulturkritik und Gesellschaft (1949)

*Die deutsche Wehrmacht marschierte im März 1944 in Ungarn ein. Dort lebte noch die größte Gruppe europäischer Juden einer Nation, die bislang vom Holocaust verschont geblieben war. Von den 795.000 ungarischen Juden wurden von Mai bis Juli 1944 rund 438.000 nach Auschwitz-Birkenau deportiert und ermordet.

**Die Sola ist ein Nebenfluss der Weichsel unweit von Auschwitz.

***Sonderkommandos waren Arbeitsgruppen von Häftlingen, die gezwungen wurden, die Ermordung der Deportierten vorzubereiten und die Leichen zu verbrennen. Die Juden mussten sich quasi selbst vernichten. Dadurch sollte das SS-Personal psychisch geschont werden, und man wollte natürlich auch möglichst wenig Zeugen dieser systematischen, nahezu fließbandartigen Massenmorde. Die Sonderkommandos wurden nach einer gewissen Zeit erschossen und durch andere Häftlinge ersetzt.

****Kapos nannte man in den Konzentrationslagern Funktionshäftlinge. Kapos wurden zu Mitarbeitern der Lagerleitung und mussten andere Häftlinge beaufsichtigen. Kapos mussten auch für die SS die Arbeit der Häftlinge anleiten und waren für die Ergebnisse verantwortlich. Sie erhielten für diese Dienste besondere Vergünstigungen (z.B. Alkohol). In größeren Lagern wurden sogar Oberkapos eingesetzt.


© Pedda/gog 12.09.2013


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Beschreibung des Autors zu "Fiktiver Bericht des SS-Hauptscharführers Otto Moll an den Lagerkommandanten Josef Kramer über Kapazitätsprobleme bei der Judenvernichtung im KZ Auschwitz-Birkenau"

Anmerkung des Autors: Die gemachten Aussagen und Zahlenangaben sind durch Berechnungen und Zeugenaussagen als weitgehend sicher anzusehen. Es handelt sich bei diesem Bericht um eine bittere Anklage in Form einer Satire. Ich bitte, die gemachten Aussagen nicht als Meinung des Autors misszuverstehen.
P.S. Das "Heul Hitler" am Berichtsende ist beabsichtigt.

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Kommentare zu "Fiktiver Bericht des SS-Hauptscharführers Otto Moll an den Lagerkommandanten Josef Kramer über Kapazitätsprobleme bei der Judenvernichtung im KZ Auschwitz-Birkenau"

Re: Fiktiver Bericht des SS-Hauptscharführers Otto Moll an den Lagerkommandanten Josef Kramer über Kapazitätsprobleme bei der Judenvernichtung im KZ Auschwitz-Birkenau

Autor: hartmut   Datum: 12.09.2013 17:14 Uhr

Kommentar: hallo pedda,
du schriebst einen mit fleiß und mitgefühl erarbeiteten bericht.
vielen dank

hartmut

Re: Fiktiver Bericht des SS-Hauptscharführers Otto Moll an den Lagerkommandanten Josef Kramer über Kapazitätsprobleme bei der Judenvernichtung im KZ Auschwitz-Birkenau

Autor: Alex Anders   Datum: 12.09.2013 19:33 Uhr

Kommentar: Hallo Pedda,

ja, auch heute gibt es noch viele Gründe für die Aufarbeitung dieses wohl dunkelsten Kapitels deutscher Geschichte. Wer behauptet, nichts davon gewusst zu haben, lügt entweder oder war sich nur nicht über die Dimension der Untaten im Klaren. Die Zahl der Zeitzeugen wird gezwungenermaßen immer kleiner, doch ändert nichts an den Tatsachen.

Meine Großeltern haben mir zumindest eine Ahnung davon bestätigt, wenn das genaue Ausmaß sicherlich unklar war, was ja im Sinne der Machthaber war. Meine Oma meinte: "Man musste das Maul halten, sonst kam man nach Dachau!"

Als eine meiner Töchter einmal ein Referat über dieses unleidige Thema hielt, riet ich ihr, alle Lageranschriften einzeilig auf ein Blatt untereinander zu schreiben und diese Blätter untereinander zu kleben. Sie musste dann auf einen Tisch steigen, um die lange Schlange überhaupt entrollen zu können. Das soll damals keiner gewusst haben?

Eine kleine hoffnungsvolle Anekdote zum Schluss: Mein Onkel Joe, der wie ein waschechter Franzose wirkt, ist eigentlich geborener Ungar und jüdischer Abstammung. Er floh im Zuge oben genannter Maßnahmen als Sechzehnjähriger auf eigene Faust zu Fuß durch ganz Südeuropa bis nach Frankreich (seine Eltern und Geschwister wurden vergast), ließ sich in Paris nieder und heiratete dort Jahre später die Schwester meiner Mutter, eine Deutsche! Sie sind glücklich zusammen bis heute.

Gruß, Alex

Re: Fiktiver Bericht des SS-Hauptscharführers Otto Moll an den Lagerkommandanten Josef Kramer über Kapazitätsprobleme bei der Judenvernichtung im KZ Auschwitz-Birkenau

Autor: Pedda   Datum: 12.09.2013 20:20 Uhr

Kommentar: Hallo Alex, Ja, das Thema musste ich jetzt angehen, da die Zeitzeugen, z.B. meine Eltern nun von uns gehen. So habe ich meine Mutter neulich auch dazu befragt, so lange es noch geht. Danke für die Anekdote von Onkel Joe. Gruß Pedda

Re: Fiktiver Bericht des SS-Hauptscharführers Otto Moll an den Lagerkommandanten Josef Kramer über Kapazitätsprobleme bei der Judenvernichtung im KZ Auschwitz-Birkenau

Autor: Stefan S.   Datum: 14.09.2013 1:04 Uhr

Kommentar: Hallo Pedda, ein "gefällt mir" kann ich nicht geben, dieser Text darf einem nicht gefallen! Ich sitze hier und habe Tränen in den Augen. Aber: Nach Auschwitz kann man auch Gedichte schreiben, und auch Gespräche über Bäume führen. Ich finde es gut, dass du daran erinnerst mit Zeitzeugen zu reden, ich empfehle das allen jungen Leuten, man staunt wie wenig man von der älteren Generation kennt. Früher mal dachte ich, es sollte mal Schluss sein mit dem "erinnert werden",ganz im Sinne der bekannten Walser`schen Rede, jetzt, älter geworden, halte ich es für unumgänglich über diese Zeit zu reflektieren. Nochmals danke für einen schwierigen Beitrag.
Liebe Grüße Stefan S.

Re: Fiktiver Bericht des SS-Hauptscharführers Otto Moll an den Lagerkommandanten Josef Kramer über Kapazitätsprobleme bei der Judenvernichtung im KZ Auschwitz-Birkenau

Autor: minsal   Datum: 15.09.2013 3:10 Uhr

Kommentar: Hallo Pedda, wenn Kinder, sehr kleine Kinder von schwarzen Zügen, hohen Schornsteinen und einem Himmel träumen, in dem es imm Sommer schneit, wissen wir, dass es ein sehr tief beseeltes kulturelles Erbe gibt...
...diese Schronsteine rauchen ja noch immer, weltweit...

Wegsehen betrifft daher nicht nur die Generation, die Du ansprichst! ...Wegsehen ist aktueller denn je... und ich habe noch keine genaue Vorstellung davon, wie ich meinen Kindern erkläre, dass ich/wir.....(siehe: Völkermorde in der Geschichte/Neuzeit seit 1945)....
hg Minsal

Re: Fiktiver Bericht des SS-Hauptscharführers Otto Moll an den Lagerkommandanten Josef Kramer über Kapazitätsprobleme bei der Judenvernichtung im KZ Auschwitz-Birkenau

Autor: Ralf Risse   Datum: 18.09.2013 21:19 Uhr

Kommentar: Hallo Pedda,man kann nicht oft genug an das dunkelste Kapitel deutscher Geschichte erinnern.Es ist noch gar nicht lange her. . . , und das dumme neubraune Gesindel darf unter Polizeischutz wieder durch die Straßen marschieren . . .warum ? Gruß Ralf

Re: Fiktiver Bericht des SS-Hauptscharführers Otto Moll an den Lagerkommandanten Josef Kramer über Kapazitätsprobleme bei der Judenvernichtung im KZ Auschwitz-Birkenau

Autor: Pedda   Datum: 19.09.2013 16:50 Uhr

Kommentar: Hallo Stefan, Minasl, Ralf, Danke für eure Kommentare. Ja, man muss immer wieder erinnert werden, denn es ist ja noch nicht mal 70 Jahre her und was ist das schon in der Menschheitsgeschichte? Und dennoch gibt es nach so kurzer Zeit wieder eine NSU und andere Organisationen, die leugnen, was damals geschah. Wir wissen alle: da wurden 6 Millionen Menschen vergast. Das kann man sich gar nicht vorstellen und daher berührt es uns nicht. Wenn man sich aber mal die Details ansieht, wie das wirklich fließbandmäßig laufen musste, um eine so große Anzahl an Menschen umzubringen, dann bleibt einem vor Schreck der Mund offen stehen bzw. die Tränen schießen in die Augen. Das wollte ich mit dieser nüchternen Art der Darstellung ausdrücken. Es wurde wirklich bei den Juden von Vergasungs-Chargen gesprochen. Das Menschen so etwas tun konnten im 20. Jahrhundert. Das waren doch keine Barbaren, da waren doch auch intelligente Menschen dabei. Daher glaube ich, es könnte immer wieder geschehen, wenn wir nicht immer wieder erinnern an das größte Verbrechen der Menschheitsgeschichte, auch wenn es einigen zum Halse raushängt. Gruß Pedda

Re: Fiktiver Bericht des SS-Hauptscharführers Otto Moll an den Lagerkommandanten Josef Kramer über Kapazitätsprobleme bei der Judenvernichtung im KZ Auschwitz-Birkenau

Autor: Hans Finke   Datum: 09.10.2013 13:40 Uhr

Kommentar: Lieber Pedda, was für ein weiterer Blick in abgrundtief-zynische deutsche Grausamkeit! Zeitdokumente wie diese können nicht oft genug geschrieben sein. – Dieser Herr Moll(der für viele steht)berichtet eiskalt mit technokratischer Exaktheit, von „Chargen“ und Mengen, Häufungen und Engpässe beim reibungslosen Vergasen von Menschen und nachfolgendem Verfeuern. Die Vorstellung drängte sich auf, wie dieser Unmensch nach Dienstende mit seiner Familie am weißgedeckten Tisch tafelt, mit den Kindern im sonnigen Garten Ball spielt und des Sonntags mit der Familie in lauer Frühlingsluft sich ergeht, während unweit dieses Idylls der Rauch brennender Judenleichen aus den Schloten quoll. –
Warum konnte das überhaupt geschehen? Wo begann es und wo liegen die Gründe, dass ein Land der Dichter und Denker zu einem der Richter und Henker und Wegseher sich wandelte?
Waren es die Geburtswehen einer ungeliebten, a priori schwachen Demokratie, einer für Deutsche bis dahin unbekannten Staatsform, Deutsche, die noch der Monarchie nachtrauerten, deren Offiziere ihr tödliches Handwerk nicht mehr üben durften? War es das sogenannte Versailler Diktat, die Dolchstoßlegende, die es nie gab? Waren es eine noch immer kaisertreue Beamtenschaft, Juristen, hohe Funktionäre, denen nun das Volk und kein Monarch mehr als Souverän vorstehen sollte? War es das Volk selbst, das kriegsmüde und ausgehungert, arbeitslos und obrigkeitshörig endlich Frieden wollte, wer auch immer ihn brachte. Dieser kurze, gefährliche Frieden kam mit dem 30. Januar 33, sogleich brannte der Reichstag, da wurden erst die beschuldigten Kommunisten, dann die Sozialisten und schließlich auch die Parteien der Mitte verboten, die glaubten, brav neutral gewesen zu sein.
Der Wandel hin zur Diktatur dieses „böhmischen Gefreiten“, wie ihn Hindenburg noch beiläufig nannte, sickerte leise in die Gemüter, die zunächst mit KdF- Schiffsreisen, Ostsee- Erholungsheimen, mit singenden Spatenträgern zum Autobahnbau marschierend, nicht zu vergessen den Olympischen Spielen 36, eingelullt wurden. – Zu wenige erkannten das Spiel, das Hitler mit unseren Eltern, Großeltern trieb (Wer las denn schon Mein Kampf, obwohl jedes Hochzeitspaar mit diesem Hitler-Ausfluß beglückt wurde). Sie hatten auch keine Zeit, weil sie von Pimpf über BDM bis zum Kanonenfutter- Material staatlich organisiert blieben. Die wenigen, weitsichtigen Köpfe wurden erkannt, denunziert und eliminiert oder sie hatten das fragwürdige Glück, emigrieren zu können. Zu viele lauschten der subtilen Demagogie und Polemik auf den perfekt inszenierten Massenaufmärschen (Nürnberg, Berlin Sportpalast). Unter ihnen Richter, Ärzte, Anwälte, Wissenschaftler (oft politikfern) Beamte (die stets nur ihre Pflicht tun) und große Teile der Geistlichkeit. Und das Volk? Das wurde zu spät oder nicht wach, auch noch nicht, als 38 die Synagogen brannten.
Manche wollen auch noch nach Hoyerswerda, Solingen, Rostock und NSU nicht wach werden. Brecht schrieb, Der Schoß ist fruchtbar noch, aus dem das kroch. –
Es bleibt die eine Frage: Wie konnte Auschwitz-Birkenau, Sobibor, Treblinka und die vielen anderen überhaupt geschehen?
Es sind, wie man sieht, mehrere Facetten bei einer Antwort zu berücksichtigen.
Eine Frage stellt sich mir, seit ich mich vor vielen Jahren mit dem Thema Drittes Reich zu beschäftigen begann: Wie hätte ich mich damals verhalten? Wäre ich mutig gewesen oder feige? Hätte ich weggeschaut oder eingegriffen? Darauf hab ich bisher keine Antwort – die Gnade der späten Geburt (Kohl).
LG Hans

Re: Fiktiver Bericht des SS-Hauptscharführers Otto Moll an den Lagerkommandanten Josef Kramer über Kapazitätsprobleme bei der Judenvernichtung im KZ Auschwitz-Birkenau

Autor: Pedda   Datum: 14.10.2013 18:58 Uhr

Kommentar: Lieber Hans, Ich danke dir für deinen ausführlichen Kommentar. Klasse, dein geschichtlicher Abriss. Die letzte Frage habe ich mir auch immer wieder gestellt und man kann sie beantworten. Gehst du heute, wo es erlaubt ist, auf die Straße und protestierst z.B. gegen die Agenda 2010, den Krieg in Afghanistan etc. Nein? Ich auch nicht (leider). Wir hätten damals auch mitgemacht. Ich gebe es zu. Ich bin feige und würde mich und meine Famileie schützen bzw. nicht gefährden. Darum haben so viele weggeschaut: die nackte Angst. Als man erkannte, auf was man sich mit dem braunen Pack wirklich eingelassen hatte, war es schon zu spät. Gleich am Anfang 1933 hätten Tausende protestieren müssen, da war vielleicht ein kurzes Zeitfenster, danach war es schon zu spät (siehe Weiße Rose). Und noch eine andere Frage interessiert an dieser Stelle: Könnte so was nochmal passieren? Auch hier m.E. ein eindeutiges "Ja" (leider). Der Boden war damals sicherlich fruchtbar für diesen Demagogen nach dem Trauma des verlorenen Ersten Weltkrieges. Das hast du exzellent beschrieben. Aber lass hier mal 6 oder 8 Millionen arbeitslos sein und von Hartz IV leben, was meinst du, wann dann die ersten Moscheen brennen?
Gruß Pedda

Re: Fiktiver Bericht des SS-Hauptscharführers Otto Moll an den Lagerkommandanten Josef Kramer über Kapazitätsprobleme bei der Judenvernichtung im KZ Auschwitz-Birkenau

Autor: Hans Finke   Datum: 14.10.2013 20:25 Uhr

Kommentar: ...wie recht du hast: siehe Ungarn; siehe Marie le Pen, siehe Belgien, Rußland jüngst; wo auch immer in Europa man hinsieht; überall kriecht das Nationale Geblüt aus den Löchern. Die EU, die UNO partikularisieren sich eher, als dass es in absehbarer Zeit zu echten Gemeinsamkeiten käme. Die Festung Europa (Lampedusa) mauert sich ein.- Die Kolonialmächte, die Afrika über 400 Jahre ausgebeutet haben, an Menschen und Bodenschätzen, wenden sich kühl ab. Und der Islam - an den Mauren war zu sehen, welche Künste, welches Wissen sie uns brachten, aber wir mußten ja das Heilige Grab "befreien" und damit begann der bis heute dauernde Glaubenskrieg. Wir machten sie zu Feinden und heute haben wir das Ergebnis (Moscheen werden brennen, und nicht nur die).- Danke dir für deine aufrichtigen Zeilen. Bester Gruß von mir.

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