Der Himmel ist zugezogen, wodurch er den Tag zu großem Teil verdeckt. Eine einzelne Steinmauer ragt ins stahlgraue Meer. Draußen tanzen die Fluten. Schlechtes Wetter.
Die Wellen bäumen sich hoch und werfen sich krachend über das Ende der Mauer. Sie rollen wild und spielend bis in das kleine Hafenbecken, schlagen gegen die massiven Wände und lassen die vertäuten Boote auf und ab wanken. Wer sein elektronisches Gerät herausholt, kann damit rechnen, das es dicht von Gischt oder Regen benetzt wird. Scharf zieht der Wind über Kanten, zerrt an der Kleidung und schneidet einem die Worte vom Mund ab. Die Straße hinauf muss man sich dagegen stemmen. Eine eventuelle Kapuze wird vom Kopf gerissen. Auf der Filmaufnahme bleibt vom Ton kaum mehr als der Wind.
Italien
Die Luft abends war immer mild warm im Gegensatz zu dem tagsüber heiß. Um die Uhrzeit liegt das Ferienhaus oben am Hang im Schatten. Ein nicht zu unterschätzender Wind vom See hoch transportiert den Geruch nach Sommer, Gras und ein wenig nach Eiscreme. Auf dem Rasenstück vor der Terrasse stand ein einzelner weißer Gartenstuhl.
Die kleine Siedlung erstreckt sich in mehreren Ebenen, mit zentraler Treppe zwischen den Häusern und steilen Betonrampen, in denen Querrillen sind, welche runter in den Ort führen. Zikaden zirpen durchdringend. An der Kante, bevor sich anderthalb Meter tief eine Steinmauer zur nächsten Ebene hinunter stapelt, stand ein Wäscheständer mit Handtüchern und Badesachen, dessen Füße mit Steinen beschwert waren.
Mehrere Korbsessel mit hohen Lehnen waren im Hintergrund an einen Tisch vor der spiegelnden Glastür angeordnet. Man hat von dort freien Blick über die bunten Ziegeldächer des alt anmutenden Dorfes unterhalb, in allen Farbtönen von orangeterra bis dunkelbraun, zum türkisblauen See. Auf den dicht bewachsenen Hang des Monte Castello in der Nähe. Und zu den Gipfeln der großen Bergkette des Monte Baldo an der eine Seilbahn hoch fährt. An den zerklüfteten Spitzen leuchtet der Kalkstein in Sprenkeln von der Abendsonne.
Unbekannt
Ich stehe auf einem leeren Platz, wie in einer unbekannten Stadt, der kein Ende zu haben scheint. Helles Kopfsteinpflaster erstreckt sich weithin über den Boden. Ansonsten ein Nichts. Rundrum wabert Nebel und Dampf aus rußigen Schornsteinen, stinkende Abgase klappernder Oldtimer. Sie fahren vorbei und Gestalten gehen ihrem Tag nach. Zugleich ist es vollkommen leer. Man sieht die Häuser um den Platz nicht. Die Sicht ist kaum zehn zwanzig Meter weit. Ich muss husten, so beißend ist der Qualm. Und ich habe kein Grund dort zu stehen, keinen Ort an den ich gehen kann. Keinen Sinn, ich suche nichts und finde nichts. In mir drin ein zum Himmel schreiendes Ungefühl das nur eines will: das dieser Moment aufhört. Einfach weg ist. Nicht existent. Aber nach außen ist es grau.
Unbegrenzter Raum
Ich knie mit gesenktem Kopf vor ihr, der Einen, wie in einem Raum mit hellem Holzboden, vollkommen erschöpft auf den kalten anthrazitfarbenen Fliesen. Ihre hohen Absätze spiegeln sich darin.
Sie sieht aus wie eine Göttin. Nicht wie eine Schönheit auf den Bildern, sondern nahe. Dieser Eindruck ist hinter der Optik letztlich etwas Immaterielles, wofür man genau hinsehen muss, ohne wortwörtlich zu gucken. Es ist etwas das ich gefunden habe und anbete. Gegen Vernunft oder Wahrscheinlichkeit. Sie drückt meine Selbstsicherheit auf den Boden, bis nichts mehr davon übrig ist. Und sie lässt mich jetzt ahnungslos fühlen, auch wenn das Jahre her ist. Ich kämpfe darum nicht hinzufallen auf dem glatten Untergrund, während ich versuche zu ihr hoch zu blicken. Darauf hoffend das sie sich nicht dabei wegdreht. Die Anstrengung hat meine Knie rutschig gemacht, verschwitzt die Haare, Schweiß auf meinem Rücken und Brust. Beide sind voller brennender Kratzer und Schnitte, die sie mir zugefügt hat.
Sie hat die Arme verschränkt. Auch wenn sie nichts sagt, ist ihre Ungeduld deutlich spürbar, während ich mich weiter bemühe. Ob der ganze Schweiß sie anekelt, oder er letztlich gut ist. Ich atme schwer und tief. Die massive Kette sitzt eng um meinen Hals. So wie es gehört. Es kommt mir richtig vor, als ist sie angewachsen.
Es sind wundervolle Schmerzen. Aus den Wunden tropft Blut in die Luft, langsam wie in Schwerelosigkeit kreisförmig um meinen Oberkörper. Ich genieße, das ich vor meiner Herrin knien darf, und diese Schmerzen haben. Ihr Blick bohrt sich geradezu in meinen Nacken und ich will etwas sagen, aber bin sprachlos. Paralysiert starre ich auf besagten karminrot gefliesten Boden.
Keine Erinnerung
Gleißendes Sonnenlicht scheint durch die Fensterseite in ein Klassenzimmer gegen leere Einzelpulte, einfache Stühle und schräg auf die grüne Tafel, auf der noch blass weggewischte Kreideschrift steht. Stimmengewirr und Fußgetrappel sind am späten Nachmittag verstummt. Jede Form von Konzentration ist restlos aus der Luft verschwunden.
Zwischen den senkrechten Lamellen der Jalousien leuchten sichtbar die einzelnen Strahlen in den ausgestorbenen Raum. Ein funktionaler Spind an der Rückwand, billige Pressholzregale mit Lehrmaterial in den Ecken. Die Sonne fällt warm in der Stille auf den glatten Parkettboden. Es riecht leicht nach Staub und Reinigungsmitteln. Draußen vor dem Glas täuschen ein hellblauer Himmel und Zweige voller Kirschblüten über die Hitze hinweg.
Knäckebrot
Es ist nicht die selbe Sorte wie früher, sondern eine andere. Sehr trocken und durchgebacken, doch auch irgendwie weich, sodass man nicht unbedingt etwas dazu trinken muss. Es schmeckt nicht staubig, sondern wie warm und leicht süß. Besser als das siebte Mal zu kotzen. Normalerweise verbinde ich mit Geschmack von Essen keine Erinnerung. Aber dieser erinnert mich ans Kranksein früher. An das Fieber. Und wie es jemanden kümmerte.
Und es erinnert an die Schirmlampe in der Küche, welche am späten Abend einsam auf den Tisch scheint, während es draußen vor den Fenstern ohne Gardinen stockfinster ist, sodass sich Oberschränke und Herd in ihnen spiegeln.
Dazu wiederum habe ich eine weitere Assoziation. Im Dunkeln saß ich oben an der Treppe. Schwaches Licht von der Energiesparlampe unten im Flur. Obwohl ich schon im Bett liegen sollte, kauerte ich da und hörte dem Trio zu, das im Keller umkreise lief. Es war nicht der Klang der Streichinstrumente an sich, die mir hauptsächlich daran gefiel. Sondern wie die Musik durch Türen gedämpft im Treppenhaus nach oben drang, als käme sie von weiter her.
Eindruck von einem Tod
Haltlos, hunderte Kilometer in der Luft schwebe ich, zappele hilflos mit den Beinen. Der Boden tief unten ist nicht zu sehen. Mit dem Kopf hänge ich in einer Schlinge an einem Seil, wie ein unendlich riesiger Galgen in diesem Himmel, von dem man nicht Pfahl oder Querbalken sieht. Es ist nur ein leerer weißer Raum ohne Grenzen.
Fantasie
Die Wände sind grau. Die Ecke des Raumes allein ist grau. Die Schwerkraft scheint auf angenehme Art höher zu sein, wenn ich auf dem Boden liege. Und nochmal höher, wenn ich vor meiner Herrin liege. Wenn ich es mit geschlossenen Augen vorstelle, kann ich mir für ein paar Sekunden diese Nähe wieder einbilden, sie spüren, als wäre sie da.
Inklusive ihres schwarzes Outfits kann sie wörtlich umwerfend einwirken. Von Weitem gesehen kann sie wohl ebenso effektiv auf jemanden sein. Ihr knappes Oberteil schmiegt sich um ihre Brüste und Seiten. Die hautenge Hose zeichnet schwarz glänzend ihre Kurven nach. Greifbar nah vor mir und zugleich unerreichbar. Ich habe keine Ahnung wie sie sich anfühlt. Aber würde es gerne wissen.
Instinktiv stellt man sich vor wie sie nackt aussieht, bevor man diesen Gedanken reflektieren kann. Zumindest würde ich es reflektieren, woran ich da gerade denke.
In ihrer Hand liegt locker eine kurze Peitsche. Sie zeigt nach unten, jederzeit bereit auszuholen. Wie erbarmungslos sie zuschlägt weiß ich, ebenso wie viel Leidenschaft sie übermitteln kann. Ich spüre den Absatz ihres schmalen, elegant gebauten Heels, den sie auf meinen Hals stellt. Das ist verdammt autoritär, und wundervoll demütigend. Auch dann wenn sie nicht solche Schuhe trägt. Ich kann mir nur wenige Momente vorstellen, die schöner wären. Einer davon wäre sie berühren zu dürfen. Die dünne Spitze des Stöckels bohrt sich tiefer in meinen Nacken, je mehr Druck sie darauf gibt. Ich bleibe stumm. Neben dem Schmerz bereitet es mir ein kalten Schauer, der breitflächig in alle Richtungen fährt. Unwillkürlich ziehe ich die Schultern hoch.
„Na, ist es unangenehm?“
„Nein meine Herrin.“, erwidere ich ächzend. Den Bestand von unangenehm erfüllt es nicht. Es ist viel mehr.
„Und das soll ich dir glauben du Hund?“, fragt sie skeptisch und verstärkt den Druck nochmals.
Ich zittere vor Schmerz, aber versuche immer noch ein Winseln zu unterdrücken.
„Ja meine Herrin, es ist schön…“, antworte ich mit deutlich belegter Stimme.
Sie hebt kurz das Bein an, und stellt ihren Schuh so auf meinen Nacken, das dieser sich zwischen Absatz und Plateau befindet. Allerdings nur zur Hälfte, da mein Hals zu breit ist. Dann drückt sie mein Kopf an den Boden. Ruhe.
Ihr Absatz bohrt sich nun seitlich in meine Haut, was nicht weniger schmerzhaft ist. Mein Schädel pocht vor Schmerz. Meine Herrin verschränkt ihre Arme. Ich versuche den Kopf weiter zur Seite zu drehen, es funktioniert rein technisch nicht.
Dunkelheit
Unverständlich normal, oder endlos wiederholend das gleiche Wort. Lärm auf der Straße, am Bahnsteig oder betäubende Stille. Die Art Stille, bei der man durch unmöbelierte Flure und Zimmer läuft, die Dielen knarren und man feststellt das hier niemand ist, obwohl man es vorher schon wusste. In einen leeren Raum zu rufen, hat keinen Effekt. Alles, die Farben verschwinden langsam. Blendend weiß schmilzt es. Graue Tage und sonnige haben die gleiche Farbe, dieselbe Sinnlosigkeit. Zugleich ist es immer dunkel. Dunkelheit die sich wie schwarze Tinte im Wasser ausbreitete. Ein schwarzes Loch, reißender Strom der in die Tiefe reißt. Der tiefe Grund eines Sees, zu dem kein Laut und kein Licht gelangt.
Vor seinem Häuschen sitzt der Alte wieder.
Fast neunzig schon, der Arbeit müde.
Genug im Leben hat er sich geplagt;
der Arbeit hat er längst „Ade“ gesagt.
Grauweiße Wolkentürme
wanken gen Osten.
Zwischen ihnen ist Platz
für hellblaue Lichtmomente.
Wassertropfen funkeln in
kahlen Astgespinsten.
Zerzaust erzählen letzte Blätter
von Wärme, [ ... ]