Numbers - Das Spiel mit dem Tod

Kennt ihr das, wenn ihr jeden Tag aufs neue von der Angst geplagt werdet, den nächsten Tag nicht mehr erleben zu dürfen?
Kennt ihr die Angst vor den Dingen, die tagtäglich um euch herum geschehen?
Kennt ihr dieses grausame Gefühl der Machtlosigkeit?
Die Zeit bleibt nicht stehen, nur weil das Leben mal nicht perfekt läuft.
Es scheint nichts neues zu sein, doch der Tod ist und bleibt unausweichlich.

Was für ein sinnloses Geschwafel.
Ihr seid Menschen, die sich mit der Frage beschäftigen, welches Gericht sie als nächstes zubereiten werden, um sich nicht wieder anhören zu müssen, wie eintönig man doch kochen würde.
Doch der richtige Schmerz beginnt erst da, wenn dir die wertvollste Zeit deines Lebens geraubt wird, für Experimente, bei denen Tiere nicht mehr ausreichend sind.
Hilflose Kinder werden in die Hände fremder Menschen gegeben, welche nichts anderes im Sinn haben, als die Macht und das Geld.

Willkommen in einer Welt, in der Phantasie und Wirklichkeit kaum voneinander zu unterscheiden sind, weil solch grausame Dinge sonst immer unmöglich schienen.

Es war nicht immer so.
Ich glaube mich an ein glückliches Leben erinnern zu können.
Ein Leben ohne Todesangst und Zwang.

Ich hasse es hier.
Das tat ich schon immer.
Diese grausam bleichen Wände und diese schrecklichen Gitter vor den Fenstern, als wäre ich ein Schwerverbrecher, der jede Sekunde von hier abhauen wöllte.
Keine Frage, wenn ich die Chance hätte, würde ich sofort von hier verschwinden.
Was hält mich hier?
Etwa die, die ein ähnliches Schicksal wie ich teilen?
Die, denen unter ähnlichen Umständen ihre Kindheit gnadenlos geraubt wurde?
Zugegeben, über die Jahre sind sie mir echt ans Herz gewachsen.
Aber wären sie ein Grund zu bleiben?
Sie alle scheinen nicht wie ich zu sein. Es scheint, als hätte man ihnen all das genommen, was sie sind.
Es ist üblich für uns, den Leiter dieses Projektes mit ,,Vater" anzusprechen. Diese Regel mag sich grausam anhören, doch scheint es mir so, als würde niemand sie auch nur annährend hinterfragen. Sie alle gehorchen bei jeder kleinsten Anweisung, scheinen dieses ganze Projekt keineswegs zu verstehen.
Es können doch nicht diese Menschen sein, die mich hier halten.
Sind sie der Grund, warum ich bleibe?
Andere Frage; was wäre ein passender Grund, diesen höllischen Ort zu verlassen?
Es hält mich nichts an diesem Ort, doch was will ich dort draußen? Ich bin alleine, nach wie vor. Es hat sich nichts verändert über die Jahre.
Nur meine Denkweise.

Ich liege gerade in meinem kleinen Bett und beobachte die tiefroten Sonnenstrahlen als es plötzlich laut an der Tür klopft.
Das ruckartige Zucken meines Körpers lässt sich kaum vermeiden.
Mein Blick fällt unkontrolliert auf zur Tür und ich erblicke das Gesicht von Cedric, der Neffe des Leiters dieses Projektes.
Sie sind beide tiefgründig böse Menschen.
Obwohl Cedric gerade mal drei Jahre älter ist als ich, hat er bereits so viel Schreckliches in seinem Leben getan, dass nicht einmal Gott ihm noch vergeben könnte.
Doch in seiner Welt ist eh kein Platz für einen Glauben, sofern er nicht vom Teufel höchstpersönlich stammt.
Seine tiefgrünen Augen fesseln mich so sehr, dass es kaum möglich ist, meinen Blick von ihnen zu wenden.
,,Wie interessant. Du siehst mich an als hätte ich gerade jemanden umgebracht."
Ich schüttle hysterisch meinen Kopf und sammel mich.
,,Wäre doch gar nicht so weit hergeholt", flüstere ich vor mich hin.
Cedrics Blick beginnt ernster zu werden und in mir baut sich eine gewisse Angst auf.
,,Na sag schon," platzt es stotternd aus mir heraus. ,,Was willst du von mir?"
Während ich rede kommt er immer weiter auf mich zu. Sein Blick führt in völlige Leere.
Er starrt mich weder an, noch fokussiert er irgendeinen anderen Blickpunkt in diesem Raum.
,,Was wird da-" Als ich gerade zu ihm heraufschauen will, merke ich wie seine kalte Hand meine Schulter berührt. Verwirrt und verängstigt zugleich zucke ich zusammen.
Cedrics ernstes Gesicht wandelt sich langsam in ein beängstigendes Lächeln um.
Ich spüre wie mein Herz immer schneller und stärker schlägt.
,,Na hoppla. Hat dich das etwa verängstigt?"
Als ich seine Hand gerade abschütteln will, spüre ich wie Cedric beginnt in meine Schulter zu kneifen. Ich merke wie sich ein Druck in mir aufbaut, gefolgt von einem Moment der Panik.
,,Es erstaunt mich immer wieder, wie naiv du doch bist."
Meine Augen beginnen sich zu weiten.
,,Wie viel Ärger ich am Hals hätte, würde dir etwas zustoßen."

Meint er das ernst? Ärger von wem denn? Die anderen wären doch froh, würde mir etwas passieren. Keiner meiner sogenannten Freunde würde es auch nur in Erwägung ziehen mich zu vermissen. Sie sind doch alle nur mit ihrem eigenen Leid beschäftigt - sofern sie nach ihrer Gehirnwäsche überhaupt Leid verspüren können.
Oder meint Cedric etwa seinen Onkel? Würde dieser wütend werden, wenn er mir etwas antut?
Auch nach einer so langen Zeit scheint es nahezu unmöglich, die Menschen um mich herum einzuschätzen.
Während sich in meinem Kopf weitere Fragen stapeln, merke ich, wie der Druck auf meiner Schulter nachlässt.
Ich beobachte wie Cedric einen kleinen Zettel aus seiner Hosentasche kramt und ihn mir kaltherzig in die Hand drückt.
Mit den Worten: ,,Sei pünktlich, wir wollen die Neuankömmlinge ja nicht gleich verärgern" verlässt er den Raum. Geweckt von Neugier knülle ich den Zettel auseinander und versuche die darauf gekritzelten Buchstaben zu entziffern.
,,Da haben sie es also wieder geschafft.." murmel ich vor mich hin.
Wir bekommen also Gesellschaft. Es kommt nicht selten vor, dass Vater weitere Kinder an diesen Ort hier bringt.
Oft scheinen diese Kinder völlig verstört und wollen Cedrics Onkel kaum als ihren Vater akzeptieren.
Betrübt blicke ich zu Boden.
Es scheint wohl nicht ungewöhnlich zu sein, dass das Leben von Hass und Trauer geprägt ist. Eine dauerhafte Zufriedenheit lässt sich wohl nur dann erreichen, wenn man alle seine Feinde besiegt hat und endlich in Ruhe und mit einem leeren Kopf zu Bett gehen kann.
Als ich gerade das Gefühl eines starken Schwindels wahrnehmen kann, fällt mein Körper auch schon zur Seite. Es gelingt mir im letzten Moment die Wand mit beiden Handflächen zu erfassen. Was ein merkwürdiges Gefühl.
,,Ich glaube, ich werde Ohn-.."
Meine Hände ballen sich zu Fäusten und ich falle zu Boden.

———————————————————————

,,Ich glaube du verstehst nicht ganz um was es hier geht!"
Das laute Geschreie aus dem Zellenflur dringt in mein Ohr ein und lässt mich aufschrecken.
Ich richte mich auf und nehme erneut einen merkwürdigen Schwindel wahr, gefolgt von starken Kopfschmerzen.
,,Natürlich weiß ich um was es hier geht, das war ganz sicher nicht beabsichtigt!"
Als sich meine Augen langsam von der Schwärze des Schwindels befreien, erkenne ich, dass meine Tür zum Flur offen steht.
Ich lasse die Bettdecke durch meine Fingerspitzen gleiten. Erst jetzt bemerke ich, dass ich mich im Bett meiner Zelle befinde.
Wie bin ich denn hierher gekommen?
Als ich mich gerade langsam daran versuche aufzustehen, kommt Cedric durch die Tür gestürmt.
,,Dem Teufel sei Dank, dir geht es gut!"
Erschrocken blicke ich in sein erleichtertes Gesicht.
,,Mir geht es gut, ja. Aber warum sollte das auch nicht der Fall sein?"
Cedric kommt ein paar Schritte näher und drückt seine Lippen leicht gegen mein Ohr.
,,Deine Medizin von gestern Abend," flüstert er, ,,ich habe sie nicht ganz richtig dosiert. Ich wollte sehen wo deine Grenzen liegen, jedoch hatte ich natürlich nicht vor dich in einen solchen Zustand zu bringen. Als mein Onkel dich hier liegen sah durfte ich mir echt was anhören!"
Ich beginne reflexartig zu nicken und blicke dabei erwartungsvoll zu Cedric hinauf.
Es ist ungewöhnlich, dass er so vertraut mit mir redet.
,,Ich verstehe schon," platzt es plötzlich aus mir heraus.
,,Du machst dir Sorgen um deine Existenz, nicht um meine Gesundheit."
Mit einem sarkastischen Lächeln beginnt Cedric vorsichtig durch meine Haare zu streifen.
,,Vielleicht hast du Recht."

Möglicherweise war diese Antwort vorhersehbar.
Man kann sagen was man will, doch er wird sich nie ändern.
,,Wie auch immer, du solltest jetzt zum Mittagessen kommen. Die Neuen sind schon da und außerdem musst du für heute Abend gestärkt sein. Deine geringe Nährstoffaufnahme wirkt sich sichtlich negativ auf deine Gesundheit aus. Damit ist jetzt Schluss."
Ich bleibe also nicht davon verschont, egal wie schlecht mein Zustand ist.
Widerwillig und mit Cedrics helfender Hand ziehe ich mich aus dem Bett.
Als mein Ohr gerade seine Lippen streift, drückt Cedric mit viel Kraft in meinen Arm.
Sein heißer Atem lässt einen kalten Schauer über meinen Rücken laufen.
,,Glaub ja nicht, du würdest einfach so davonkommen. Im Gegensatz zu meinem Onkel habe ich dich durchschaut. Unser Training scheint bei dir absolut nichts ausgelöst zu haben.''
Während ich gerade seine Worte zu verstehen versuche, reißt Cedric mich mit einem Ruck hocch und schubst mich leicht in Richtung Zellentür.
————————————————————
Der Weg durch die Zellenflure bis zum Esszimmer fühlen sich unendlich lang an.
Als wir fast die Tür erreichen, ertönen schon die ersten Stimmen.

,,Nummer 02!" 
,,Anwesend!"
,,Nummer 04?!" 
,,Hier!" 

Die dunkle Stimme von Vater beunruhigt mich.
Es ist lange nicht mehr vorgekommen, dass er die Anwesenheit der Numbers überprüft.
Während ich einen letzten Blick zu Cedric tätige, reißt dieser schon die Tür zum Esszimmer auf.
,,Na sieh mal an. Wie schön, dass ihr auch endlich den Weg hier her gefunden habt."
Fast zeitgleich beginnen Cedric und ich uns leicht nach vorne zu beugen.
Als ich gerade damit Anfange eine Entschuldigungsrede zu erfinden, merke ich, wie Vater desinteressiert mit seiner Anwesenheits-kontrolle fortfährt.

,,Nummer 17, setzen!"

 Erschrocken richte ich mich wieder auf und blicke zum freien Platz neben einer mir unbekannten Person. Ich zögere etwas, gehe dann aber auf den leeren Stuhl zu und setze mich angespannt hin.

,,Wunderbar. Außer Nummer 12 sind alle da."

Mein Blick geht einmal durch die ganze Runde. Neben dem unbekannten Jungen erblicke ich noch ein fremdes Gesicht. Ein kleines Mädchen, ich würde sie nicht älter als zehn schätzen.

,,Bevor wir zu essen beginnen, fände ich es angebracht, wenn die Neuen sich zunächst einmal vorstellen würden."

Zögernd treffen sich die Blicke des kleinen Mädchens und des Jungen.
Sie scheinen nervös und verängstigt zu sein. Nach einer kurzen Stille rückt der Junge seinen Stuhl nach hinten und steht langsam auf. Auch das Mädchen erhebt sich, geht einen Schritt zur Seite und versteckt sich ängstlich hinter dem Jungen.
Ob die beiden sich kennen?
Zugegeben, sie sehen sich schon ziemlich ähnlich.

,,Ich.." ertönt es leise, ,,ich heiße Julius. Ich bin fünfzehn."
Er beginnt zu stottern und blickt gestresst zu dem kleinen Mädchen.
,,Emily!", platzt es aus ihr heraus.

Vaters Blick verfinstert sich.
,,Setzen."
Er ist sichtlich unzufrieden.
,,Emily, du wirst uns begleiten. Der Rest darf nun anfangen."

Mein Blick fällt auf das verängstigte Gesicht des Mädchens, welches fast im selben Moment von Cedric am Arm gepackt und mitgezogen wird.
 ,,Julius!", schreit sie ein letztes Mal auf, bevor sie den Raum widerwillig verlässt und die Tür zufällt.
Merkwürdigerweise scheint dieser Julius nicht sonderlich geschockt zu sein.
Mit einer unfassbaren Ruhe zieht er seinen Stuhl zurück und setzt sich hin.
Von allen Blicken im Raum gefesselt greift er nach der Kelle und kippt eine große Menge Linsensuppe in seine Schüssel.

,,Welche Nummer bist du", platzt es aus Nummer 01 heraus.
Julius schenkt ihr nur einen kurzen Blick, wendet sich dann aber wieder seinem Essen zu.
,,Mein Name ist Julius, wie bereits erwähnt."

Nummer 01 legt einen verdutzten Blick auf und haut mit ihrer Faust leicht auf den Tisch.
,,Ich glaube du hast meine Frage nicht verstanden?!"

Fragend legt Julius seinen Löffel zur Seite und widmet sich Nummer 01.
,,Was hat das ganze auf sich?", fragt er, während er beginnt sich etwas über den Tisch zu lehnen. ,,Mit den Nummern?"
An einigen Ecken bricht ein leises Gekichere aus, während Nummer 01 verwirrt zu Julius starrt.
,,So ist das also," ertönt es plötzlich von Nummer 04.
,,Du wurdest noch keiner Nummer zugewiesen?"

Die Augen von Nummer vier weiten sich.
,,Wie ungewohnt.''
Zwei Neue, die sich uns mit ihren echten Namen vorstellen durften.
Durch die falsche Dosierung meiner Medikamente herschte heute ein ganz schönes Chaos.
Da ist es gar nicht so weit entfernt, dass die Zuweisung der Nummern bei diesen beiden einfach untergegangen ist.
Julius blickt durch die ganze Runde, bis sein Blick plötzlich bei mir stehen bleibt.
,,Du! Wie heißt du?!"
Ich zucke leicht zusammen als seine hektische Stimme ertönt.
,,Ich kann mir nicht vorstellen inwiefern das relevant ist, doch wenn es dich glücklich macht."
Ich zögere kurz und blicke Julius dann direkt in die Augen.
,,Ich bin der Nummer 17 zugewiesen."
Sichtlich verwirrt kratzt er sich am Hinterkopf und stößt einen verzweifelten Seufzer aus.

,,Was sagen diese Nummern über euch aus? Wieso werdet ihr nicht einfach bei euren Namen genannt?"

Wenn ich genauer darüber nachdenke, ist Julius Reaktion eigentlich ziemlich verständlich.
Diese Nummern haben sich schon so sehr in unseren Alltag verankert, dass es sinnlos wäre, sie jetzt noch zu hinterfragen.
,,So genau wissen wir das gar nicht", sagt Nummer 04, während auch er sich erhebt und zur Kelle greift, um seine Schüssel mit Linsensuppe zu füllen.
,,Auch du wirst deinen Namen vergessen", kommt es plötzlich aus einer der hinteren Ecken von Nummer 06.
Sie hat ein finsteres Lächeln im Gesicht.
Wenn ich ehrlich bin war Nummer 06 mir schon immer unheimlich.
Sie ist schon ziemlich lange hier und sagt andauernd komische Dinge.
Außerdem scheint sie ein sehr enges Verhältnis zu Vater zu haben, was die ganze Situation noch um einiges gruseliger macht.

Während ich weiter dem Gespräch der anderen lausche, beginne auch ich mir eine Schüssel Linsensuppe zu nehmen.
Ohne ein Wort zu sagen drückt Nummer 06 den Stuhl nach hinten und steht auf.
Es ist keine Seltenheit, dass sie nichts isst.
Meistens verschwindet sie direkt nach der Anwesenheitskontrolle.
Es scheint, als hätte Julius ihr Interesse geweckt.
Ich blicke Nummer 06 noch einige Augenblicke hinterher, bis sie langsam hinter der Tür verschwindet.
Der laute Türknall sorgt für eine sofortige Stille. Nur das Klimpern der Löffel ist noch zu hören. Einige Minuten vergehen und inzwischen haben sich auch die anderen eine Portion Suppe genommen.
Als ich gerade einen Unterhaltung mit Nummer 04 beginnen will, bemerke ich, wie die Tür von außen geöffnet wird.
Ich nehme die Gestalt von Cedric wahr, welcher ein fieses Grinsen im Gesicht hat.
,,Aufgepasst, das Essen ist beendet! Julius, mitkommen. Es ist soweit."
Nach diesen Worten lege ich zögernd meinen Löffel beiseite und stehe auf. Wenn ich doch nur wüsste, was Cedrics Ziel ist.
Zögernd steht auch Julius auf.
Ich bemitleide ihn.
Es muss hart sein mitten aus dem Leben gerissen zu werden, nur weil dieses für eine gewisse Zeit beschissen lief.
Doch wer hätte schon damit rechnen können, dass es dort draußen wirklich Menschen gibt, die sich tagtäglich am fremden Leid bespaßen.
Ich blicke in Julius glasige Augen und versuche ihn mit meinem Blick zu beruhigen.
Wie sinnlos. Es ist doch offensichtlich, dass ich ihn damit nicht erreichen kann.
Er schenkt mir noch einen kurzen Blick, bis er dann zur Tür geht und von Cedric empfangen wird.
Von Neugier gepackt gehe auch ich zur Tür hinaus und schaue den beiden hinterher.
Sie gehen in Richtung Cedrics Büro. Ob ich ihnen wohl folgen sollte?
Vielleicht finde ich dann endlich heraus, was das mit den Nummern auf sich hat.
Ich beschließe den beiden einige Minuten zu folgen, bis ich plötzlich von der Seite an der Schulter gepackt werde.
Vor meinen Augen erscheint das agressive Gesicht von Nummer 01, welche mich leicht zu sich ranzieht und dabei verschwitzt lächelt.

,,Interessant, was willst du denn dort hinten? Deine Zelle und der Freizeitraum sind auf der anderen Seite."
Sie zeigt mit dem Finger richtung Zellenflur, während sie näher zu mir heran kommt und zu flüstern beginnt.
,,Irgendwie verdächtig, findest du nicht?"
Ertappt gehe ich einen Schritt zurück und schaue sie verdutzt an.
Ohne dass ich etwas sagen muss, beginnt sich ein breites Grinsen auf ihrem Gesicht zu bilden.
,,Keine Sorge, ich verrate dich nicht. Aber ich möchte, dass du mich einweihst."

Sie weiß genau, wie sie mich effektiv ausnutzen kann.
Es ist nicht das erste Mal, dennoch ist mein Körper in ihrer Gegenwart immer angespannt. Schweigend nicke ich Nummer 01 zu, welche kurz danach von mir ablässt und in Richtung Freizeitraum verschwindet.
Das könnte mir noch Probleme bereiten.
Wenn sich das ganze herumspricht, wird Nummer 06 es schneller an Vater weitergeben, als wir überhaupt in der Lage sind, Informationen zu sammeln.
Nummer 01 scheint mehr zu wisseen als sie zugibt. Auch sie scheint noch ein freies Denkvermögen zu besitzen, jedoch lässt sie sich von Vaters Anwesenheit immer einschüchtern.
Ich beschließe meinen Plan trotz der ergebenen Umstände fortzusetzen und gehe weiter den leblosen Flur entlang.
Diesmal schaue ich mich jedoch um, um eine Situation wie eben zu vermeiden. Es scheint niemand hier zu sein.
Sie alle sind viel zu sehr mit sich selbst beschäftigt.
Nicht einmal Nummer 01 ist an Julius interessiert.
Sie sieht lediglich eine Chance, diesen Ort endlich verlassen zu können.
Es ist fast so, als wäre auch sie das Ergebnis einer fehlerhaften Kopfwäsche.

Als ich Cedrics Büro fast erreicht habe, höre ich auch schon seine agressive Stimme.
,,Ich will mich nicht entscheiden", höre ich Julius aus dem Raum schreien.
,,Wenn du es verweigerst, wirst du dir nicht ausmalen können, was dir blüht."
Ich blicke zu Boden und denke über Cedrics Worte nach.
Es erscheint mir sinnlos, sich von einer solch belanglosen Antwort beeinträchtigen zu lassen. Julius hat keine Wahl.

Ob er nun antwortet oder nicht; glücklich werden kann er an diesem Ort jedenfalls nicht mehr.
Doch so wie ich Cedric kenne, wird er sich nicht mit Julius Schweigen zufriedengeben.
Als ich ihn leise lachen höre, beginnt mein Herz schneller zu schlagen.
Es ist eine düstere, kalte Lache. Sie drückt nichts als Hass aus.
Während ich meinen Kopf näher an die Tür drücke, höre ich das leise Rascheln einer kleinen Box. Es hört sich an als würde sich ein winziger Gegenstand in ihr befinden, welcher immer wieder gegen das dünne Holz prallt.
Dieses Geräush sorgt für einen Ansturm von Erinnerungen in meinem Kopf.
Es erscheinen mir Bilder von früher. Bilder, in denen auch ich eine solche Box in der Hand hielt, um zu erfahren, was mein Schicksal mit sich bringt.
Ich wählte damals die ganz linke Box. Doch um ehrlich zu sein kann ich mir bis heute nicht erklären, inwiefern der Inhalt dieses Holzkästchens über mein Schicksal bestimmen soll.
Als ich vor einigen Jahren hineinsah, erblickte ich ein etwas verrostetes Symbol, welches wohl eine Krone darstellen sollte. Sie hatte drei sichtbare Zacken, jedoch war einer von diesen abgebrochen. Damals dachte ich stundenlang über die Bedeutung dieses Symboles nach, allerdings schien es mir über die Jahre immer bedeutungsloser zu werden.
All die anderen sprachen nie über ihre Symbole, also tat ich es auch nicht.
Niemand hier ist mir vertraut genug, als dass ich diese Info einfach so preisgeben könnte.
,,Was genau hat das zu bedeuten", ertönt es aus dem Raum und reißt mich ungewollt aus meinen Gedanken.
Ich weiß genau in welch einer Situation sich Julius befindet. Seine Gefühle drängen sich so sehe in meinen Kopf, dass ich mir das Szenario schon fast vor Auge führen kann.
Dieser beängstigende Blick von Cedric, diese unheimliche Stille die den Raum umhüllt.
Das alles scheint mir so vertraut.
,,Lass es mich dir zeigen, Nummer 8.''
Meine Augen weiten sich und mit einem Ruck weiche ich von der Tür weg und gehe einige Schritte zurück. Als hätte ich es geahnt stürmt Cedric aus der Tür heraus und zieht Julius am Arm hinter sich her. Als unsere Blicke sich zu treffen beginnen bleibt er ruckartig stehen und schenkt mir einen ernsten Blick.
,,Was hast du hier zu suchen, Nummer 17?"
Mein Herz beginnt zu rasen und ich laufe noch ein paar Schritte zurück, bis ich hinter mir die kalte Betonwand spüre. Während sich die Gedanken in meinem Kopf zu sammeln versuchen, beginne ich schüchtern zu lächeln.
Jetzt nur nicht ausrasten.
Ich muss ruhig bleiben.
,,Oh, was ein Zufall dass ich dich hier treffe! Ich wollte nur etwas bezüglich meiner Zelle besprechen."
Während mein Herz mir fast in die Hose rutscht, zwinge ich mir ein breites Lächeln auf.
Als auch Cedric zu lächeln beginnt, scheint mein Gesicht wie von alleine zu verfinstern.
,,Dann komm doch am besten direkt mit", platzt es lächelnd aus ihm heraus.
Obwohl seine Mundwinkel nach oben ragen, ist Cedrics Blick von Hass erfüllt.
Es scheint, als würde ich mich in mein ganz persönliches Verderben stürzen, gehe ich jetzt mit ihm mit.
,,Ach, weißt du.." sage ich mit gewisser Furcht. ,,Ich habe es gar nicht so eilig, wenn ich ehrlich bin."
Cedrics Grinsen wird breiter. Ob er mich wohl durchschaut hat?
,,Mitkommen."
Die Stimmung spannt sich deutlich an und ich merke wie mein Blut in meinem Körper zu kochen beginnt.
,,A-aber du bist doch gerade mit Julius beschäf-"
,,Mitkommen, sagte ich!"
Ich zucke zusammen und nicke widerwillig. Mein Lächeln verschwindet vollkommen und ein kalter Schauer läuft mir den Rücken hinunter.
Während Cedric mich erwartungsvoll anstarrt gehen wir auch schon los. Der Zellenflur wirkt kälter als zuvor, als wäre er von undurchdringlicher Trostlosigkeit erfüllt.
Inzwischen hat Cedric Julius Arm losgelassen und wir können seinen schnellen Schritten ohne weiteren Einschränkungen folgen. Immer wieder treffen sich Julius und meine Augen, wobei seine mir leer und kalt erscheinen.
Als wir den Eingang von Vaters Büro erreichen, überkommt mich ein ungutes Gefühl.
Als ich das letzte Mal hier war, begannen die schrecklichsten Jahre meines gesamten Lebens.
Was es wohl zu bedeuten hat, dass wir alle zu Beginn unserer Zeit in einen solch furchtbaren Raum geschickt werden?
Als ich gerade die trostlos grauen Wände beobachte, bemerke ich, wie Vater von seinem Stuhl aufsteht und auf uns zukommt


© Lesadoni


0 Lesern gefällt dieser Text.

Diesen Text als PDF downloaden




Kommentare zu "Numbers."

Es sind noch keine Kommentare vorhanden

Kommentar schreiben zu "Numbers."

Möchten Sie dem Autor einen Kommentar hinterlassen? Dann Loggen Sie sich ein oder Registrieren Sie sich in unserem Netzwerk.