Als hätten tausende von Engel meine Augen geküsst. Als hätte das Glück mir zugespielt und zugleich im Gegenzug mein Herz rausgerissen. Als meinte das Schicksal meines Lebens es nur ein einziges Mal mehr als gut mit mir. Als hätte sich der Himmel aufgetan und der Schöpfer persönlich hätte mir diese gottähnliche Kreatur geschenkt, nur um mir zu zeigen, was ich nicht haben kann. Ein Engelschor, der nur für meine Ohren spielte, während ich jeden Zentimeter ihres Antlitzes scannte und versuchte ihn so gut wie möglich im Gedächtnis zu behalten. In meinen Augen leuchtete die Atmosphäre die dieses Geschöpf umgab. Ihre langen kastanienbraunen Haare wehten leicht auf wenn sie sich bewegte. Die zarten Kurven ihres zierlichen Körpers, die sich durch das luftig dünne Kleid, das sie trug, zeichneten, ließen jeden Mann darüber fantasieren wie es wohl darunter aussah. Ihre sinnlichen Lippen öffneten sich leicht, als sie in meine Richtung sah. Meine Welt stand still, doch mein Kopf fuhr eine Achterbahn mit halsbrecherischen Loopings (Bitte, halten Sie eine Kotztüte bereit). Mein Herz wollte aus der Brust springen und sich vor die Füße dieser Göttin werfen, nur damit sie es mit dem dünnen Absatz ihres Schuhs aufspießt und an der Kante der Treppenstufe abwischt.

In mein Bild drängte sich ein blonder Kopf. „Antoine? ANTOINE!““, sprach eine fast schon schrille Stimme zu mir. Die luftig leichte Traumwolke, die mich noch zuvor gen siebten Himmel hob, zerberste unter mir binnen Sekunden und ich schlug schmerzhaft auf dem harten Boden der Tatsachen auf. Charlotte stand, in mein Blickfeld gebeugt, links von mir. „Das ist meine beste Freundin…. Anna.“, ihr Zeigefinger bewegte sich wie in Zeitlupe. Die Luft, die ich eingeatmet hatte, schien sich in einen Kloß verwandelt zu haben, der mir im Hals stecken blieb. Meine Organe wurden augenblicklich zu Steinen, die mich in die Tiefe zogen und mit jedem Zentimeter, mit dem sich ihr Zeigefinger meiner Göttin näherte, wurde mein Brustkorb enger geschnürt. Nein! NEIN!! In meinem Inneren schrie ich aus vollem Hals. Alles in mir verkrampfte. Charlotte zeigte eindeutig auf sie. Ich blickte sie an und sie schien meinen Blick zu erwidern, auch wenn es schier unmöglich war in der Menge. Doch sie blickte mich an und für einen Moment ließ die Panik, die in mir hochstieg, mich los und ich verlor mich in der unendlichen Tiefe ihrer schwarzen Augen.

Eine flache Hand mit gespreizten Fingern tauchte vor meinen Augen auf und ging hin und her. „Haaallo! Antoine, ich rede mit dir.“, Charlotte holte mich von meiner gedanklichen Reise. „Äh…. Ja“, war das erstbeste was mir einfiel. „Was ist los mit dir?“, fragte sie. Ich ignorierte sie und blickte wieder hinauf zur Treppe, doch meine Göttin war verschwunden.

Ich wollte mich wieder Charlotte zu wenden, doch ehe ich meine Gedanken ordnen konnte glitt meine Göttin aus der Menge, wie durch einen purpurnen Vorhang und nun stand sie direkt vor mir. Ihre großen Augen blickten kurz zu mir hoch und wendeten sich dann Charlotte zu. Zwei Finger tauchten vor meiner Nase auf und schnippten. Ich hatte sie wohl auffällig angestarrt.

Mein Blick folgte den Fingern, die Charlotte gehörten. Sie sah mich verständnislos an. Natürlich…

„Anna, das ist Antoine! Er ist heute etwas komisch.“, als sie den letzten Satz aussprach, blickte Charlotte mich mit gespielt übertriebener Skepsis an, wobei sie das letzte Wort lang zog. Sie kehrte uns den Rücken zu und tänzelte zu den Anderen. Anna schenkte mir ein kurzes warmes Lächeln, während sie mir schüchtern die Hand reichte. Ich nahm ihre Hand wie ein kostbares Geschenk und in Gedanken liebkoste ich ihren Handrücken und wanderte weiter und weiter an ihrem Arm rauf. Doch ehe ich den Gedanken genussvoll vertiefen konnte, hatte sie ihre zierliche Hand aus meinem Griff befreit und wandte sich von mir ab. Ein Moment der peinlichen Stille zwang uns sich zu Charlotte und dem Rest zu gesellen.

Für die Anderen war ich Charlottes Freund und für Anna war ich nun der Freund ihrer besten Freundin. Ich werde auf ewig auf diesen Moment zurück blicken und mich dafür hassen, für das was war und für das was ist…


© Ronia Tading


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Beschreibung des Autors zu "le mystère du coeur (das Geheimnis des Herzens) - Prolog"

Als ich sie sah sang mein Herz und zerberste zu gleich. Sie war ein Engel, eine Königin, eine Göttin. Doch sie konnte mir nie ferner sein - sie war die beste Freundin meiner Freundin....




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