Emotionen

Oft schon standen sie mir im Weg, dachte ich. Viele Chancen haben sie mir verdorben, dachte ich. Ich habe mich verflucht, mich verteufelt und mich nieder geredet.
Meine Emotionen als etwas störendes angesehen.Ich wollte sie ablegen, mich von ihnen distanzieren, sie von mir reißen wie kratzende Kleidung. Ich mag meine impulsiven Emotionen so oft nicht leiden. Fühle mich fast schon von ihnen betrogen und guten Erfahrungen beraubt.
Kann mich stundenlang bemitleiden, Tatsachen ignorieren und sogar umkehren, so dass sie sich entgegen jeglicher Ansicht, für mich wie ein riesen Verlust anfühlen.

Meine Gefühle schaffen es aus einer Situation ein Drama, ein Betrug, einen Fehler zu erschaffen, der so noch gar nicht stattgefunden hat.

Die Gefühle die ich dabei erlebe, sind real und unterscheiden nicht zwischen Einbildung und Realität.

Es macht keinen Unterschied.

Wie bei einem Alptraum, du erlebst alles in diesem Moment, ohne dass dein Geist unterscheiden kann, zwischen deinem ruhig schlafenden Körper und deiner völligen Eskalation im Traumleben.

Die Gefühle brausen auf, kommen wie eine Welle auf mich zu gerollt, brechen über mich hinein wie an einem Felsen, der aus dem Wasser ragt und verschlingen mich, ziehen mich hinab und bilden Strudel. Wirbeln umher, bringen alles durcheinander, ziehen sich zurück, brechen mit neuer Gewalt über mir ein und geben mir keinen Augenblick um Luft zu holen.

Bis sich das Wasser beruhigt, seine Oberfläche glättet und den Blick auf etwas größeres frei gibt. Auf das Große Ganze, was die kleinen Wellen von mir zieht und mich schnell rehabilitiert. Doch jeder dieser Stürme hinterlässt kleine Salzkristalle auf meiner Seele, die sich einbrennen und lauernd abwarten.

Was ist los in mir?

Ein Kampf zwischen Herz und Kopf, Wahrheit und Gefühl, Einbildung und Bewusstsein, Verlust und Gewinn, Oben und Unten, Ich und Du, Verständnis und Selbstschutz, ein Kampf gegen mich. Ein Selbst, das ich nicht verstehe, nicht will, woher soll ich wissen welche Richtung die richtige ist, wenn all diese Richtungen zur gleichen Zeit in mir existieren und mir alle plausibel erscheinen.

Wie schaffe ich es, den nächsten Schritt zu machen? Das frage ich mich selbst. Ich mache ihn einfach, oft in vollem Bewusstsein über mögliche Konsequenzen, häufig einfach ins blaue hinein, und manchmal sogar mit einer Absicht die ich in Kauf nehme, in der Hoffnung eine Reaktion zu provozieren, die ich selbst noch nicht erfassen kann.

Chaos im Kopf, keine Anleitung, wer sagt mir wie es geht?

Du weißt schon was du machst! Du wirst schon wissen was gut für dich ist! Alles kommt so wie es kommen soll! Hätte ich dir gleich sagen können, dass es ein Fehler war! Du bist doch stark, du machst das schon! ……..

Was für schwache Aussagen, die dich nie auch nur einen Schritt vorwärts bringen. Wie ein Brett vor dem Kopf.

Du bist doch stark…. Was wäre denn wenn es nicht so ist?
Habe ich denn überhaupt eine Wahl?

Wer ist da, wenn ich meine Fassade fallen lasse? - Du? Nein.

Bin ich also vielleicht nicht stark sondern perspektivlos?
Was bleibt mir denn übrig.
Stark sein, was heißt das? Nicht das was ich fühle. Meine Stärke fühlt sich an wie ein Kartenhaus im nähernden Sturm. Wackelig, kurz vor dem Einsturz, gehalten von einzelnen Karten, die aus besonders starkem Papier gefertigt wurden. Doch kommt nach dem Sturm der Regen, ist der letzte Halt verloren.

Ich fühle mich wie ein alter Baum. Ich trotze jedem Sturm. Das ist nur was jeder sieht.
Ich biege mich, knacke gefährlich aber breche nie. Doch meine Blätter, mit jedem Sturm werden es weniger und die Sonne reicht nicht mehr aus, um sie nachwachsen zu lassen, bis der nächste Sturm über mir hereinbricht. Es werden weniger.
Die Auswirkung, verheerend.
Mit jedem Blatt geht ein Stück Gefühl in den Wind über, ich gebe etwas ab von mir, verliere ein Teil meiner Selbst. Und bin mir nicht mal sicher ob es etwas Gutes oder Schlechtes sein könnte. Dafür müsste ich verstehen, wo ich am Ende stehen soll.

Bis dahin versuche ich mir zusagen, es hat alles seinen Sinn.

Ich bin die Version meiner Selbst, die ich gerade zum Überleben brauche und wer weiß zu welchen Chancen ich mich führe. Doch es bleiben die unklaren Momente in denen ich in die Lücken meiner Selbstsicherheit rutsche und mich nur mit Kratzern und Blauen Flecken wieder lösen kann


© Lea.m


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Beschreibung des Autors zu "Gedanken"

Eine Momentaufnahme meiner Gedanken und Gefühle. Es gibt Momente in denen ich tief in ihnen versinke und das Niederschreiben hilft mir, Ordnung in meinen Kopf zu bringen.

Vielleicht erreicht dich was ich schreibe, vielleicht aber auch nicht. Doch das ist okay, denn unser Inneres ist so individuell wie es nur sein kann. Es besteht aus unseren Erfahrungen, unseren Emotionen und bildet sich in jedem Moment neu.

Ich bin eine Hochsensible Person und suche steht’s nach Möglichkeiten damit umzugehen und zu schreiben, scheint mir momentan ein guter Anfang zu sein.




Kommentare zu "Gedanken"

Re: Gedanken

Autor: Wolfgang Sonntag   Datum: 15.10.2021 11:59 Uhr

Kommentar: Hallo Lea,
willkommen bei uns im Forum. Deine Geschichte wie diese hier hilft dir doppelt; einmal beim Schreiben, und dann durch das Gelesen werden mit der Hoffnung, dass sie gefällt. Mir gefällt sie.
Wir lesen voneinander und liebe Grüße
Wolfgang

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