Noch immer saß sie in der Ecke ihres Bettes. Ihr Gesicht rot vor Wut und Anstrengung. Die Augen ebenfalls gerötet und feucht von den Tränen, die sie Minuten zuvor noch vergossen hatte, während sie mutwillig ihr Kinderzimmer verwüstet hatte. Teilnahmslos ließ sie den Blick durch das Zimmer schweifen. Nichts lag mehr an seinem Platz. Alles hatte sie aus den Regalen und Schränken gerissen und zu Boden geworfen. Selbst die kleinen Stühle waren von ihr getreten worden und durch den Raum geflogen. Wie lange sie ihrer Wut freien Lauf gelassen hatte, war ihr nicht bewusst, aber als sie einen Blick aus dem Fenster warf, dämmerte es bereits. Keinen einzigen Schritt konnte man mehr gehen. Bis sie und ihre Schwerster ins Bett gehen würden, müsste all das hier wieder in Ordnung gebracht sein. Ihre kleine Schwester! Sie war der Grund für ihren Groll und in dem Moment, in dem sie daran dachte, knirschte sie mit den Zähnen. Ihre Wut war noch immer nicht verflogen. „Ich hasse sie“, hatte Jule geschrien, als sie in ihr Zimmer rannte und der Tür so viel Schwung gab, dass diese mit einem lauten Knall ins Schloss fiel. Sie fühlte sich ungerecht behandelt, unverstanden und gab sich der momentanen Einbildung hin, dass sie das ungeliebte Kind in der Familie sei. Jule war überzeugt davon, dass nur sie immer Ärger bekam, was natürlich nicht den Tatsachen entsprach, aber sie empfand es so.
Die Tür öffnete sich und starr vor Entsetzen stand ihre Mutter im Türrahmen. „Was ist denn das hier?“, schrie sie ihre Tochter sofort an, was Jule in ihrer Einbildung noch bestärkte. Als ihre Mutter sie dann aber in der Ecke kauern sah, verwandelte sich ihre Miene. Ihr Blick wurde liebevoller. Sie bahnte sich irgendwie einen Weg durch den Raum und nahm neben Jule auf dem Bett Platz. Als sie ihre Tochter in die Arme schloss, überkam Jule Scham. Das Mädchen schämte sich für das, was sie gesagt und getan hatte. Auf die Frage, was ihr das jetzt gebracht habe außer mehr Arbeit, wusste sie keine Antwort. Das Angebot aber das Chaos gemeinsam zu bereinigen, nahm sie dankend an. Sogar ihre kleine Schwester kam hinzu und half.
Später zur Nachtruhe lag sie noch eine Weile wach und dachte über die Geschehnisse nach. Es war nicht richtig gewesen. Weder das Gesagte noch die darauf erfolgte Tat. Natürlich liebte Mama sie beide gleichermaßen. Ihre kleine Schwerster verstand nur vieles noch nicht so, wie sie selbst. In ihrer Wut hatte sie aber ganz wichtige Dinge vergessen, nämlich wie viel Spaß man mit einer kleinen Schwerster haben konnte. Gemeinsam erschufen sie zum Beispiel die tollen Legobauwerke. Oder zu gerne versteckten sie sich voreinander und suchten sich gegenseitig und beim Malen sahen sie beide immer so aus, als seien sie in den Farbtopf gefallen. Sogar ihre Süßigkeiten teilten sie. Wenn Jule glaubte irgendetwas sei zu gefährlich für ihre Schwester, dann machte sie sich sogar richtig Sorgen. Im Grunde ihres Herzens liebte Jule ihre Schwester, auch wenn sie das in ihrer Wut zwischendurch auch mal vergaß.
Es war ein ganz bestimmter Ton:
Stimmt man uns da auf etwas ein …?!
Der VERTEIDIGUNGS-Minister sprach davon,
wir müssten wieder KRIEGSfähig sein!
Mich traf es wie ein harter Schlag:
Rhetorik [ ... ]
Beschwingtheit überkommt mich
beim Blick in ferne Landschaften.
Ich wappne mich gegen böse Blicke
und verletzende Worte.
Ich versuche mich vor Verhöhnungen
und [ ... ]
Ich weiß nicht, ob diese Worte irgendjemand liest,
Ob sie irgendjemand hört oder sieht.
Aber sie liegen mir auf dem Herzen
Und deswegen diese Nachricht an die Welt [ ... ]