Zugspitze

Quietschfidel machten sich Herr Josef Specht und Frau Sefina Star auf den Weg zum Treffpunkt. Dies, sei erwähnt, ist ein Punkt an dem man sich trifft. Meist irgendwo in der Mitte. Ein punktueller Treffpunkt in der Mitte! Dort treffen sich auch noch andere Menschen. Männlein, Weiblein, Lämmer, Gören und Flegel. Letztere gröhlen den Schmachtohrwurm „Alles hat ein Ende, nur die Wurst hat zwei“ ins morgendliche Universum. Deshalb, weil ein Zug auch zwei Enden hat, das Zugende und die Zugspitze. Ach ja, ein Wurm hat auch zwei Enden.
Nur so, für die Wissensdurstigen, die Baumschüler etc. etc.
Nun zurück zum Zug. Herr Josef Specht erinnert sich an seine Kindheitstage, als er eine bunte Holzraupe, als auch den abgenutzten , farblosen Holzzug seiner älteren Schwester Bilhild an der Schnur hinter sich herzog. Oder wie er an eine Märklin-Zugspitze eine Schnur befestigte und sie in der Luft wirbelte. Die Schnur riss, die Zugspitze war platt. Ach und Frau Sefina Star erst; meine Güte wie war sie als Teenie mit ihrem Flanellkopftuch und Stiefeletten ohne Schnürsenkel besessen, bei der gelegentlichen Fahrt, seinerzeit zu ihrer Ur-Oma an der Zugspitze vorne sitzen zu können. Innen natürlich, beim Zugführer. Beide schwelgten in traumatischen Erinnerungen.

Los gähds, ei-schdeing, da Zug iss do!

Wahlweise trödelten beide in Richtung Zugspitze. Sie wollten diese besetzen und tuckerten so langsam dem Gipfel der Zugspitze in Garmisch entgegen. Es ging steil bergauf. Sie saßen im Ersten Waggon, von der motorischen Zugspitze aus gesehen zwischen Tür und Angel zum Zweiten Waggon. Frau Sefina fröstelte, dafür rückte Herr Josef näher an ihre reife Pelle. Hatschie, und noch einmal Hatschie....aber, aber zzzz. Er zog seine schnieke Feuersalamanderfarbene Trachtenjacke, geziert mit Plastikhirschhornknöpfen aus, und hüllte Sefina damit ein. Wer zum Teufel riss die Panoramafenster auf? Was kann so ein Panoramafenster schon bieten außer der nahenden Zugspitze? Erraten; Zugluft vom Feinsten. Natürlich ohne Feinstaub, ohne Heupartikel, ohne Jaucheduft. So ganz dezent bläst sie von hinten nach vorne, beim ersten Panoramafenster rein, beim andern wieder raus. Wie gerne hätte in diesem Moment Frau Sefina ein Zöglund- Plaid von Ikea um sich gewickelt, und wäre auf einem mit Merinowolle gefülltem Wäggonfeel-Polster gesessen.

Aba des bissl Zuglufd auf dem Weg zua Zugschbidzn machd ja nix!

Die Panoramafenster blieben geöffnet! Gelegentlich vernahmen beide ein staunendes ahhh, ohhh, wie ein erschrockenes uahhhh....und ihhhh. Irgendwie kam Sefina vor, dort ganz hinten... tuck tuck tuck, der Zug schleppt sich nach oben... Heidi zwischen einer Horde Steinböcke gesehen zu haben. Vielleicht war es auch nur Rotkäppchen mit dem purpur´nen Mäntelchen. Trotz anhaltender Zugluft genossen beide die Fahrt in frostige Höhe.
Kaum zu glauben, aber Zaunkönige, Spatzen und Möwen begleiteten Josef Specht und Sefina Star sozusagen als Zugvögel. Bis zu einer gewissen Höhe flogen sie gleichmäßig neben den offenen Panoramafenstern ohne einen einzigen Pieps mit. Die Zaunkönige durften neben den Möwen ihre Kräfte messen. Piuu Piuu … getrauten sich die Herrschaften nicht rufen, die Möwencrew würde sich ins Innere der Zugspitze verfliegen und alles pick-bare sich zwischen den Schnabel schieben.
Spatz hin, Zaunkönig her; Sefina packt schon mal die Brotzeittüte aus; hervor kommen etliche in viertel geschnittene, entkernte Brombeeren, sowie eine Stulle, beschmiert mit Brunch- Zuckerbrot. Zuhause gab es in der Regel Brunch-Peitsche, zumindest beim Besuch von Herrn Specht.

Des muass glanga … (de Menge)

Josef schließt sich an, und … hokus pokus, zaubert er zwischen zwei braunen Schenkeln, die in einer D-ose auf Verzehr (nicht Verkehr) warten, noch fünf goldgelbe geriffelte Stäbchen hervor, genannt Pommes Fritten. Zuerst macht er sich bis auf die blutigen Knochen sabbernd an die saftigen Schenkel eines Hühnchens ran, um anschließend tropfenden Speichels die Pommes nacheinander noch an den schweinchenfarbenen Prothesengaumen zu kleben.

Fast ist die Endstation erreicht, was heißt, langsam alle Reste wieder fein säuberlich in Dosen und Tüten zu packen; oder falls es keiner sieht den Raubvögeln draußen zu Ihrer natürlichen Nahrung, die Reste als Ergänzungsmittel anbieten. Der Weihnachtsmann lässt grüßen!

Hosd du wos gseng? I ned!

Die Zugspitze ist erreicht, die Zugreisenden steigen aus, … Sie haben eine halbe Stunde Aufenthalt... Abfahrt in dreißig Minuten, tönt es schrill wie Möwengeschrei aus einem versteckten Lautsprecher!

Nun, die meisten begaben sich auf das Aussichtsplateau, und schauten aus. Nach was auch immer! Das Angebot reichte von Steinböcken, Bäumen, Schnee, und Steinböcken, Bäumen, Schnee.

Des war´s … momentan!

Sefina suchte das Stille Örtchen. Sie fand es rechts vorne, links neben den Sautrögen, in denen sich das Restfutter der Berghütten-Gastronomie stinkend vereinte. Unvorstellbar, hatte doch jede Toilette eine hölzerne Brille, wie beidseitig ungeschliffene wie ungehobelte Holzgriffe, um sich eventuell, während einer Übergabe von entkernten geviertelten Brombeeren, wie „Brunch- Zuckerbrot in mehr oder weniger weißen Schüsseln, festhalten zu können, als auch bei möglichen Pressvorgängen sich stützen zu können. Sefina stützte sich! 20 Minuten!

Ein Signalton verriet, dass der Zug bereit sei, Passagiere wieder auf zu nehmen. Sie eilten, um denselben Platz zu ergattern wie bei der Fahrt nach oben. Sefina beherbergte in ihrer Tasche außer sparsamsten Proviant noch alles erdenkliche aus ihrer Hausapotheke. Sogar kleine Gummibälle für alle Ausnahme-Fälle hatte sie dabei. Bei eventuell aufsteigender Höhenpanik knete man solche Bälle. Auch eine Salbe war mit von der Partie. Eine spezielle Zugsalbe. Falls der Zug entgleisen würde, könnte man mit dieser schwarzen Salbe an die Scheibe einen stinkenden Hilferuf verzeichnen. Ansonsten, wie auf üblichem Meeresspiegelterrain, ziehe man sich Schiefer, (eventuell eingezogen auf einer hölzernen Klobrille) mit jener Salbe wieder raus.

Wieder wurde Sefina in die Jacke der vielen toten Feuersalamander gehüllt, und wieder träumte sie von dem Ikea- Plaid Zöglund und dem Polster Wäggonfeel. So gegen irgendwann um diese Zeit, zwischen Nachmittag und Dämmerung, dämmerte es ihr, sich für den Ausstieg wappnen zu müssen. Es ging der Ausflug auf die Zugspitze, beide sitzend fast an der Zugspitze, mit etwas feiner Zugluft und ohne piepsend nebenher fliegenden Zaunzugvögel, Spatzenzugvögel und Möwenzugvögel und nicht benutzter stinkender Zugsalbe dem Ende zu...

Alles hat ein Ende, nur der Zug hat zwei …


TR 05.10.13 ©


© Teresa Ruebli


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Kommentare zu "Zugspitze"

Re: Zugspitze

Autor: noé   Datum: 15.04.2014 1:45 Uhr

Kommentar: Gefällt mir ausnehmend gut! Sehr ironisch-hintersinnig, so etwas liebe ich geradezu (und um die Ecke auch).
noé

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