„Das ist ein wirklich ernster Fall.So etwas habe ich noch nie gehört. Gebt mir ein paar Tage Zeit, ichmuss noch einiges lesen. Dann komme ich wieder", sagte dergrauhaarige Doktor Steinerweich zu Herzog Willibald dem Achtzehnten.Der war in großer Sorge. Sein Sohn, der auch Willibald hieß, war fast sieben Jahre alt und hatte noch nie gelacht.
Was hatte Willibald der Achtzehntenicht schon alles versucht. Die besten Narren des ganzen Landes hatteer der Reihe nach zu sich befohlen und ihnen aufgetragen, den kleinen Prinzen Willibald zum Lachen zu bringen. Der eine Narr zog die scheußlichsten Grimassen. Der andere erzählte die kuriosesten Witze. Der dritte schaute dem kleinen Prinzen stundenlang in die Augen und fing dann an zu gähnen. Ein anderer versuchte es mit Kitzeln. Erst kitzelte er sich selbst, dann kitzelte er den Prinzenan den Füßen. Wieder ein anderer lachte den Prinzen einfach an und hoffte, dass Willibald mitlachen würde. Aber es half alles nichts. Der Prinz wollte einfach nicht lachen.
Schließlich hatte der Herzog im ganzen Land nach einem Arzt suchen lassen. Man brachte den sehr alten Doktor Steinerweich, der als besonders erfahren galt.
Nachdem sich der Doktor die traurige Schilderung des Herzogs angehört hatte, zog er sich in seine Bibliothek zurück, setzte sich seine Hornbrille auf, legte seine Stirn in Falten und holte sich einige verstaubte Bücher aus einem der obersten Regale.
Seine Falten wurden immer tiefer, denn er fand keine Lösung. Missmutig ließ er sich wieder zum Herzog bringen und trug ihm vor: „So leid es mir tut, ich kann Euch nichthelfen. Der einzige Rat, den ich Euch geben kann, ist der: Freude ist die Vorstufe zum Lachen. Macht dem Prinzen eine Freude. Euer Ehren, veranstaltet zu seinem siebten Geburtstag ein großes Fest."
Der Herzog war nicht ganz zufrieden mitdieser Antwort. Aber er dachte sich, dass ein kleiner Schritt besser sei als gar keiner. Und so ließ er ein wunderschönes Fest für den Prinzen organisieren. Es wurde der gesamte Hofstaat eingeladen und außerdem alle siebenjährigen Kinder des ganzen Landes. Erst gab es fröhliche Musik. Dann nahmen alle an einer endlos langen Tafel Platz. In der Mitte saß Prinz Willibald, ihm gegenüber der Herzogund daneben die Herzogin. Willibald der Achtzehnte gab seinem Leibdiener ein Zeichen, dass das Essen aufgetischt werden sollte, und sogleich wurde die Vorspeise gebracht. Die Schenke mussten aber damit warte, sie den Gästen auf die Teller zu legen, bis der Herzog seine Ansprache gehalten hatte.
Die Herzogin flüsterte dem Herzog zu, dass der Augenblick für seine Rede gekommen sei. Genau in diesem Moment flog eine Elster über den Tisch hinweg und ließ auf dem Teller des Herzogs eine Kleinigkeit fallen. Es sah aus wie eine rote Burgundercreme. Die Elster hatte nämlich vorher rote Beeren gefressen.
Erst wunderte sich der Herzog darüber, denn er hatte ja seine Ansprache noch nicht gehalten. Aber er konnte seine Blick nicht von dem verführerischen Anblick der roten Paste wenden, vergaß völlig,  dass er jetzt seine Rede halten sollte, nahm seinen Löffel und probierte die Kleinigkeit auf seinem Teller. „Eine vorzügliche Delikatesse! Man reiche mir mehr davon!", befahl Willibald der Achtzehnte.
Der kleine Prinz hatte die Szene aufmerksam beobachtet. Und plötzlich lachte er laut auf und konntegar nicht mehr aufhören. Sein Lachen war so ansteckend, dass alle mitlachten, obwohl sie den Grund gar nicht kannten, aus dem der kleine Prinz lachte. Er war seither geheilt. Es war das schönste Fest, das der herzogliche Familie und alle Gäste jemals erlebt hatten.


© Glaser


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