Ich scheine mich verlaufen zu haben. Was ist das für eine Stadt, was ist das für ein Land? Was ist das für eine Welt?! Ich kenne mich nicht mehr aus – war ich hier schon mal? Was hängen hier für seltsame Plakate herum, auf denen leblose Gipsköpfe komische Parolen verkünden?
Irgendwie dachte ich, ich würde mich auskennen, aber immer, wenn ich irgendwohin gehe, dann stellt sich nach relativ kurzer Zeit heraus, daß es der falsche Weg war.
Was soll, ich tun? Ich möchte nach Hause! Aber wo ist das – „Zuhause“?

In meiner Not versuche meine Freunde anzurufen. Ihre Nummern sind doch im Handy gespeichert, aber ich erreiche sie nicht. Wenn ich beispielsweise eine davon gewählt habe, dann meldet sich ein Fremder, der sich von mir gar nicht erst ansprechen lässt unter diesem Namen. Er / sie wirft mich sofort wieder aus der Leitung… Dann, Gott sei Dank, begegne ich einem „Freund“ auf der Straße. Ich spreche ihn an und frage ihn nach dem Weg. Die betreffende Person meint aber nur „Tut mir leid, ich kenne sie nicht, was wollen sie von mir, lassen sie mich bitte in Ruhe!“

Ich bin verzweifelt! Fassungslos verfolge ich den vermeintlich Fremden mit meinen Blicken als er weggeht. In einiger Entfernung trifft er, oh Wunder, einen weiteren Freund von mir. Anscheinend unterhalten sie sich jetzt über mich. Sie lachen, sie schütteln die Köpfe und sie verneinen etwas mit Gesten. Handelt es sich dabei um die Verweigerung einer Auskunft an mich? Ihre Zeigefinger gehen hin und her. „Kommt nicht in Frage“ soll das wohl heißen, dann schütteln sie wieder die Köpfe. Ich verstehe aus der Ferne, daß diese wohl „Bei dem nicht“ heißen soll.

Wieder verstehe ich die Welt nicht mehr. Habe ich eine Art „Demenz“, weil ich Leute für Bekannte und oder sogar für Freunde halte, die mich anscheinend noch nie im Leben gesehen haben? Wo bin ich hier hingeraten? Habe ich vielleicht noch nie kapiert wo ich bin und was ich hier soll? Bin ich ein Alien?? Aber wer hat mich dann hier abgesetzt und sitzenlassen? Soll ich die Polizei rufen? Hilfe, nein, womöglich bin ich ein schon länger gesuchter Übeltäter, der sich besser verbergen sollte, als auf sich aufmerksam zu machen…

Da überkommt mich eine Intuition. Ich kenne wahrscheinlich niemanden hier, ich habe vermutlich das Gedächtnis verloren, was Personen anbetrifft, aber was den Heimweg von meinem Standpunkt aus angeht das weiß ich anscheinend. Die Gebäude im Umfeld sind mir bekannt. Wozu brauche ich also Menschen, die mir helfen?! Ich kann mir doch selber helfen! Am besten ich halte das nächste Taxi an, steige ein und lasse mich in meine Wohngegend fahren. Dort steige ich, 500 Meter vor meiner Wohnung aus, um keine direkten Spuren zu hinterlassen, falls ich ein gesuchter Verbrecher bin und gehe den Rest zu Fuß.

Ich öffne meinen Geldbeutel und stelle zu meiner geringen Überraschung fest, daß ich nicht einmal das Geld für ein Öffentliches Verkehrsmittel habe! Warum sollte das auch anders sein?! Ich muss zu Fuß gehen. Von hier aus – das dürfte vermutlich der Stadtkern sein, wo ich mich gerade befinde – müssten es ungefähr 5 Kilometer bis zu mir nach Hause sein. Also los!
Zuerst geht alles glatt, die ersten 1000 Schritte bewältige ich komplikationslos, dann bemerke ich wie sich meine Umgebung unheimlich verändert. Die Häuser werden anscheinend immer größer…oder werde ich ständig kleiner? Ich kann das nicht abschätzen, bemerke aber, daß ich verfolgt werde.

Jetzt wird’s brenzlig! Was muss ich tun um mich verständlich zu machen? Ich bin doch nur ein suchender Mensch, auf dem Heimweg in die gewohnte Sicherheit, oder etwa nicht? Die Blicke der Passanten, die mir entgegenkommen werden zusehends düsterer. Was habe ich nur angestellt? Und: Führe ich mich selbst in die Irre? Es kommt mir so vor, denn immer häufiger werden die Gebäude an denen ich vorbeikomme von Häuserzeilen unterbrochen die offensichtlich gar nicht dorthin gehören wo sie sind. Dann vernehme ich Stimmen! „Woher willst du wissen, daß einige der Häuser nicht dorthin gehören wo sie stehen?! Hast du denn nicht gelernt einem Augenschein zu vertrauen?

Ich sinniere vor mich hin: Wenn „die“ – wer auch immer – jetzt schon meine Gedanken lesen können, dann befinde ich mich ganz bestimmt in einer prekären Situation. Inzwischen sind die Gebäude um mich zu riesigen Monstern, Wahrzeichen dunkler Mächte geworden… Es hat keinen Sinn mehr… Meine Heimat ist in weite Ferne gerückt… Überall treffe ich nur noch auf Freunde, die nichts mit mir am Hut haben… Dann fällt mir plötzlich auf, daß ausschließlich fremde Sprachen um mich gesprochen werden. Dort drüben ist eine Art Marktplatz, ein Verkehrsknotenpunkt, wo anscheinend ein mittelalterlicher Pranger steht. Ich gehe hin und setze mich vor ihn hin. Fürs Aufwachen ist es jetzt auch zu spät!

Ein kurioser Albtraum

© Alf Glocker


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Kommentare zu "Ein kurioser Albtraum"

Re: Ein kurioser Albtraum

Autor: Michael Dierl   Datum: 24.04.2024 9:21 Uhr

Kommentar: Hmmm.....echt gespenstisch Dein Kurzromen - WARUM - weil meine Mutter an Demenz gestorben ist. Sie sprach manchmal mit Menschen um sie herum die gar nicht da waren und das so intensiv, besser als jeder Schauspieler, wie echt, als wenn sie Geister sehen könnte. Ich bin, als ich dies zum 1. Mal mitbekommen haben total erschrocken - UND - es belastet ungemein, so sehr dass man fast den Verstand verliert weil man es nicht begreifen kann. Es ist vergleichbar mit dem Universum oder Hilbers Hotel, wenn Du das Beispiel kennen solltest? Unten der Link dazu aber werde nicht verrückt! Hahahaaaaaa........mein Hirn hat sich nach etwa 5 Sek. ausgeschaltet! Viel Spass beim Denken!

Die Strommasten auf Deinem Bild machen Bauchtanz! :-) Sieht echt lustig aus!

https://www.youtube.com/watch?v=XTsaZRKx9UI

lg Michael

Re: Ein kurioser Albtraum

Autor: Wolfgang Sonntag   Datum: 24.04.2024 11:21 Uhr

Kommentar: Schon beim Lesen bekomme ich Panik.
Zusammen mit dem Foto hast du dir wieder richtig Mühe gegeben, lieber Alf.
Liebe Grüße Wolfgang

Re: Ein kurioser Albtraum

Autor: Karwatzki,Wolfgang   Datum: 24.04.2024 12:01 Uhr

Kommentar: Hallo Alf,
Dein Alptraum strotzt ja geradezu von beängstigenden Erlebnissen. Aber Du hast sie durchgestanden.
Deute ich Deinen letzten Satz richtig dahin, daß Du Gefallen an der Gruselei gefunden hast und weiterträumen willst?
LG
Wolfgang K

Re: Ein kurioser Albtraum

Autor: Alf Glocker   Datum: 24.04.2024 14:34 Uhr

Kommentar: Vielen Dank liebe Freunde!
Danke für den Link -
und nein, ich habe keinen Gefallen an derlei Gruseleien gefunden, sie plahen mich!

LieGrü
Alf

Re: Ein kurioser Albtraum

Autor: Jens Lucka   Datum: 24.04.2024 22:01 Uhr

Kommentar: Falls sich diese Situation nicht ändern lässt, sollte man es einfach als Real betrachten und sich nix bei denken, um sich nicht verrückt machen zu lassen.
Ja, manchmal löst der (Traum) ja auch alles irgendwie auf.
So hoffe ich, dass die Geister meines Geistes lange bei mir bleiben mögen.

Liebe Grüße von Jens

Re: Ein kurioser Albtraum

Autor: Alf Glocker   Datum: 25.04.2024 8:18 Uhr

Kommentar: Das bleibt zu hoffen!
Glück auf!

Liebe Grüße
Alf

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