Abwatschen der schreibenden Zunft

1 Schreiberlinge

Die bildtypisch grellen Schreiberlinge
wollen
als freche Eindringlinge
unser ungeschütztes Gehirn
umknoten mit kotzfestem Buchstabenzwirn.

2 Poeten

So richtige Poeten
verstehen, uns zu kneten,
während wir
stillversunken lesend
innerlich zuhören,
wie sie uns betören
und subtil
unser Lesevergnügen mehren.

3 Journalisten

Die Journalisten
sind die listig-verruchten,
die sich investigativ versuchen.
Sie folgen jeder dürren Spur,
kämpfen zäh mit der Stundenuhr,
sie mühen sich ab am Tagesklippklapp
und haben am anderen Morgen
schon längst wieder andere Sorgen.

4 Sachbuchautoren

Recherchefreudige Sachbuchautoren
zwickt es, an aktuell prickelnden Themen zu bohren,
wie heiß es werden wird auf den Azoren
oder sumpfig in den südlichen Komoren,
wie lernfähig doch ist das Kuckucksaffenkind,
das heute schon Baumwollkokons verspinnt.

5 Romanautoren

Viele episch ausschweifende Romanautoren
sind vom belesenen Publikum dazu auserkoren,
ihre Werke als Bettlektüre zu verschlingen,
und sich um nächtlichen Schlaf zu bringen.

6 Yellowpressautoren

Die klitschig und glitschigen Yellowpressautoren
werden profitdienlichst eingeschworen,
in ferkeligsten Innereien zu graben,
an denen Stumpfleser sich sausuhlend laben.

7 Lyriker

Alle erhabenen Lyriker
wollen als Mystiker
die Welt verklären,
statt zu erklären.
Sie wähnen sich,
oft überschüttet mit allen Ehren,
in verqueren himmlischen Stratosphären.

8 Kabaretisten

Die spitzzüngigen Kabarettisten
fabulieren so, als ob sie wüssten,
was unsere verkorkste Welt
trotz aller Lächerlichkeit
im Innersten zusammenhält.

9 Wissenschaftsautoren

Stolz habilitierte Wissenschaftsautoren
haben sich untereinander verschworen,
überheblich überkandidelt zu kommunizieren,
damit Laien dagegen nur ja nicht reüssieren.

10 Dramatiker

Die klassisch antiken Dramatiker
zählen stumpf von Akt eins bis drei
und ihnen ist literarisch einerlei,
welcher Zuhörer – Cholera oder Pest -
sich in dieses Schema pressen lässt.

11 Kritiker

Der gestrenge Herr Kritiker
fuchtelt
als rauflustiger Wickinger
in schlipsverkleideter Gestalt
mit gestählter Streitaxt im Literatenwald,
um blutscharf jedes aufgetischte Lesegut
zu zerstückeln in neidischem Übermut.

12 Epilog

Zuletzt noch die Schreiber vom Netzwerk
Fast alle verstehen ihr Handwerk.
Hunderte schreiben eifrig sich krumm.
Keiner stochert in Versatzstücken rum.

Egal, wie auch immer die Qualität,
ein Lob auf jeden, der sich hier quält
oder besondere
Dichtergaben
versprüht,
dass Andere
sich daran laben.


26.10.2012


© Wolfgang Karwatzki


4 Lesern gefällt dieser Text.






Beschreibung des Autors zu "Abwatschen der schreibenden Zunft"

Mit meinem Text bitte nicht wie der rauflustige Wickinger verfahren.
Den zustande zu bringen, hat mich Monate gekostet.
.
Die ursprünglich auch hier veröffentlichte Überschrift" Wer schreibt denn da" habe ich provokanterweise geändert.
Das Abwatschen in der Überschrift trifft auch sachlich den Text besser.

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Kommentare zu "Abwatschen der schreibenden Zunft"

Re: Abwatschen der schreibenden Zunft

Autor: Pedda   Datum: 28.10.2012 14:52 Uhr

Kommentar: Bravo Wolfgang! Bravissimo! Mal wieder ein ein grandioses Werk von dir - ach was - ein Epos. Klasse, wie du die gesamte schreibende Zunft thematisierst. Glaube ich gern, dass das Monate gedauert hat. Aber es hat sich gelohnt. Sprachlich auch wieder erste Sahne. Allein die Zeile: "umknoten mit kotzfestem Buchstabenzwirn" ist ein echter Karwatzki, so wie ich ihn mag. Danke dir jetzt mal im Namen aller Schreiber-Netzwerker auch für den Schluss - hab's gern gelesen - es war ein Genuss. Es grüßt dich Peter

Re: Abwatschen der schreibenden Zunft

Autor: Alex Anders   Datum: 30.10.2012 12:21 Uhr

Kommentar: Hallo Wolfgang und Pedda! Das Gedicht finde ich wieder einmal großartig und nicht zu toppen. Grüße, Alex

Re: Abwatschen der schreibenden Zunft

Autor: Angélique Duvier   Datum: 30.10.2012 21:34 Uhr

Kommentar: Ich möchte mich den beiden Kommentaren anschließen! Großartig, lieber Wolfgang!
Liebe Grüße, Angélique

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