Es dämmert über dem Sumpf. Noch lastet gräulicher Nebel über der bizarren Landschaft. Die ersten Blasen platzen blubbernd im blassen Dunst. Irgendwer kocht bereits in der Frische. Ein komischer Kauz nach dem anderen macht seine Augen auf. Die Schnapsdrossel fängt zu singen an.

Fang-Netze schillern im glasklaren Tau. Darin spiegeln sich sämtliche Ur-Welten. Ein süßer Spatz dreht sich noch einmal vorbeugend um, in seinem Nest, das sich im Haupthaar einer Kopfweide befindet und nun beginnt es – das Leben!
Wie verrückt kriechen die Würmer aus ihren Kanälen. Die Schluckspechte machen sich geräuschvoll über die Korkeichen her. Pflopp, plopp! tönt es aus allen Ecken und Enden.

Der weißlich gewordene Nebel löst sich engelsgleich auf. Die letzte Nachteule lächelt verschmitzt in ihren Mantelkragen hinein – in Betrachtung des geschäftigen Treibens, das sich un- und barm-herzig breit macht. Hitze steigt auf. Die fleißigen Bienchen schwärmen aus – sie überfliegen ein Heer von Rüsselkäfern! Die Prachtscharten strecken sich dem Licht entgegen, ebenso wie die fleischfressenden Pflanzen, die es gar nicht erwarten können sich über dicken Schmeißfliegen zu schließen. Die Gemeinde der Sumpfratten versammelt sich. Wilde Naschkatzen lauern armen Kirchenmäusen auf, die sich in der Nacht verlaufen haben um ausnahmsweise mal etwas Genießbares zu finden.
Ganz frische Grillen schlüpfen aus ihren Larven und beginnen mit den Zickaden – denen, die nicht der Familie der Schnabelkerfen entstammen sondern darauf aus sind ihr „ck“ zu pflegen - ein Konzert. Es soll den Eintagsfliegen einheizen, damit ihnen das Sterben leichter fällt. Doch vorher beginnt das Tanzen, das Tanzen der Wanzen im leuchtenden Kleid! Von weither ist monoton eine blökende Schafherde zu hören. Der Schäfer stimmt in ihren Chor mit ein. Sie sind ein paar Stündchen weit entfernt. Ihr Sumpf ist ein anderer!

In unserem Sumpf stellen sich die Schmetterlinge zur Schau. Sie schweben über einen Laufsteg aus Luft und Liebe und sie ernähren sich auch hauptsächlich davon. Ihr Gehirn ist winzig klein und so putzig anzusehen wie ein Sträußchen Vergissmeinnicht. Sie saugen nur manchmal Nektar, meistens sind sie jedoch rein platonisch unterwegs.

Die Glockenblumen läuten das Mal ein. Das eine Mal wo sich ein Traum vorsichtig aus der Umarmung des Schlangengrases befreit, um wie eine Seifenblase ungeplatzt in den Himmel aufzusteigen.
- „Quaaak“! und noch einmal „Quaaaak“, versuchen die Frösche mit ein zustimmen. Die Sinfonie des Tages vervollständigt sich. Ein jeder präsentiert was ihm gegeben, Gesang beispielweise – nur die Reiher nehmen diese göttliche Weisung auf eine andere, ganz spezielle Art wörtlich…

Wer noch kein Frosch geworden ist, drückt sich als Quappe in den Pfützen herum und wedelt wie ein Spermium mit dem Schwanz, außerdem heißt er wie alle anderen „Kaul“.
So anonym bleiben die Liebellen nicht. Sie outen sich – wie Hubschrauber über den Dingen stehend – frech in der Sonne. Mit ihren riesigen Augen zwinkern sie harmlosen Spaziergängern zu und locken sie in den grundlosen Grund. Und da es derer in unserem Sumpf eine Unzahl (wie unter anderem 666) gibt ist hie und da auch ein erschreckter Aufschrei zu hören, der wie ein plötzlich-schroffes Erwachen klingt.

Dann erfreuen sich die Wasserläufer ihrer beneidenswerten Fähigkeit unsinkbar zu sein. Bereitwillig machen sie Platz um niemanden daran zu hindern, in seinem Lebensraum aufzugehen. Denn der Weg ist das Ziel und Chancen dem Naturkreislauf von Nutzen zu sein, gibt es beachtlich viele. Besonders groß sind sie in einem Sumpf wie dem unseren. Er reicht von Horizont zu Horizont, vom Mittelpunkt der Erde bis an die nichtvorhandenen Grenzen des Universums und plötzlich fragen wir uns wo die Schafe hergekommen sind, die so zärtlich blökenden Schafe, die Vorläufer der Eierlegenden Wollmilchsau und ihr Schäfer, samt dem Stündchen in dem wir noch ein bisschen nachdenken sollten.


© Sur_real


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