Was ist Schreiben?

(Eine Bestandsaufnahme oder sowas ähnliches; bitte nicht zu ernst nehmen; wer nur Ernsthaftigkeit verspeist; der hat einen allzu bitteren Magen; und das ist vielleicht nicht der eigentliche Zweck des Schreibens.)

Schreiben ist die Suche nach der Verbindung des noch Unverbundenen in der Sprache. Schreiben ist die Tat, welche die Beziehung zeitigt, welcher der Schreiber mit seinem Schreiben im Moment des Schreibens gerade erschafft. Vermutlich! Schreiben ist die Lust zur Entdeckung des noch Unentdeckten, gewiss; die Entheimlichung des Geheimen und verheimlichten Innenwesens, wie? der internen Beziehungen und inneren wie äußeren Zusammenhängen, welche, so der Anschein, sich zu offensichtlich werdenden Verbindungen materialisieren, sensibilisieren versprachlichen und in die Wahrnehmbarkeit gebracht werden. Schreiben ist die Versinnlichung des Un- oder Übersichtlichen, Vermutlich! des Innersinnlichen; mehr als nur Vermutlich! Schreiben ist die Übersetzungsarbeit von bloß Gedanklichem oder Vorgestelltem hin ins sprachlich oder schriftlich geformte Etwas. Eine Vermittlung, eine Mediierung sowie Medialisierung des innerlich Verspürten in Kombination mit den äußeren Beeinflussungen, ein Miteinander von Innerer und äußerer Welt für uns. Schreiben ist eine Fixierung an das sprachliche Medium, HaHa; eine Gedankenverknüpfungsarbeit mit Worten, Begriffen und semantischen Inhalten; Ha Ha. Eine Manifestation durch die Schreibenden in ein Medium hinein, selbst in der Hauptschule. Schreiben ist praktisches Tätigsein, spontanes und selbstständiges Kreativsein, gestalterisches Aufmerksam- und Achtsam-Sein in der Geschichtenbildung, Sprachanwendung und Sinnzusammenhängeknüpfens.

Es gibt viele Arten zu Schreiben, wie es auch viele Arten von Bäumen und Sträuchern gibt. Es gibt gleichsam eine Pluralität an Schreib-, Denk-, Erfahrungs- und Vermittlungsweisen. Vielleicht so viele wie es Pflanzenarten gibt. Wer weiß?
Es ist die Bewusstmachung der inneren Fähigkeiten für die begriffliche Verknüpfung des zuvor nicht immer Verknüpften. Schreiben ist Gestalten, Kreieren, Formulieren und Schöpfen. Es ist ein produktives Tätigsein und ein Erzeugen von Wort- und Sinnverbindungen. Schreiben ist das Erzählen von Erzählungen, welche sich erst durch die Schreibenden erzählen. Schreiben ist der Prozess des Kombinierens, des Auswählens, des Zusammenhängefindens und Erfindens, der veräußerlichende Prozess von Entscheidungen. Jedes geschriebene Wort ist eine von Innen getroffene Entscheidung. Wie auch jede Handlung eine Entscheidung impliziert. Schreiben ist das Aufeinanderreihen von Entscheidungen, eine Verdichtung von Gedanken und Möglichkeiten hin zu einem konkreten Resultat, zu einer zur Schrift gewordenen Wirklichkeit. Existenz in Sprache festgehalten durch die geschriebene Schrift, das heißt: in die les- oder hörbare Wahrnehmbarkeit manifestiert, gesetzt, erschaffen und gemacht.

Schreiben ist eine Tätigkeit, wie es viele Tätigkeiten gibt, welche sich verwirklichen durch aktives Tätigsein. Weil Schreiben zwar vieles beschreiben kann, aber nicht alles oder nur die wenigsten Tätigkeiten als Schreiben bezeichnet werden, will ich im Weiteren klären, was wir allgemein nicht unter Schreiben verstehen: Schreiben ist nicht Liegen, Sitzen oder Stehen, obwohl man auch liegend, sitzend oder stehend schreiben kann. Schreiben ist nicht Sprechen, obgleich man auch das Gesprochene verschriftlichen und das Verschriftlichte versprachlichen kann. Schreiben ist nicht hören oder fühlen, obschon man auch Gehörtes oder Gefühle ins Schreiben einfließen lassen kann. Schreiben ist nicht Fliegen, gleichwohl kann man auch im Flugzeug hoch oben über den fliegenden Wolken etwas Sinnvolles schreiben. Schreiben ist kein Wandern, obzwar man auch über das Wandern schreiben kann. Schreiben ist nicht Sehen, gleichwohl wir oftmals das Gesehene willentlich beschreiben wie können. Schreiben ist nicht Essen oder Essen zubereiten, obgleich Geschriebenes häufig auch Nahrung sein kann. Schreiben ist kein Lesen, obschon das Lesen nur durch das Schreiben existiert und das Schreiben für das Lesen da ist und beinahe nur füreinander da sein können. Schreiben ist kein Fließen, so wie ein Fluss fließt, obwohl man auch fließend schreiben kann.

Die Inhalte des Schreibens d.h. die Thematiken, welche durch das Schreiben erfasst werden, sind so vielfältig wie die Inhalte des Lebens selbst. Die Phänomene, mit denen sich das Schreiben beschäftigt, sind so zahlreich, dass wir nicht hinterher gelangen sämtliche Phänomene im Leben auch nur annähernd beschreiben zu können. Die Lebensphänomene selbst übersteigen die Anzahl der Phänomenbeschreibungen um ein Vielfaches. Wir können gar nicht so viel schreiben wie wir leben. Weil die Phänomene des Lebens und die Erlebnisse während der gesamten Lebenszeit nicht alle Schriftlich erfasst sein können, weil dafür hätten wir jede Sekunde, jeden Moment im Leben schreiben müssen, schreibend das vermitteln, was wir jeden Augenblick in unserem Leben erleben und das schaffen nur die Wenigsten, wenn überhaupt. Denn was würden wir erleben, wenn wir nur schrieben, nur nach- oder vorschreiben würden? Idiotische Frage, nächste Frage. Und doch eine geschriebene Frage: Schreiben wir nur vor, was wir erleben bzw. erleben sollen oder erleben wir mehr als dass, was wir vorschreiben könnten? Denn Schreiben ist nicht gleich Leben und doch beschreiben wir im Leben, das was wir erleben, erdenken, erkennen oder vermitteln können. Wir leben mehr als das wir schreiben und vorschreiben könnten und doch beschreiben wir: was wir im Leben nicht ohne das Schreiben, Denken und Kommunizieren verstehen könnten. Und doch schreiben wir nicht nur um des Schreibens oder der Phänomene willen, sondern auch, um die Ursachen und die Folgen der Phänomene zu begreifen, um die wirklichen Zusammenhänge wahrnehmbar zu machen, sowie die inneren Bedeutungen der Phänomene und der Beziehungen zwischen den Phänomenen zu entschlüsseln. Das wahrheitsbezogende Schreiben ist die begriffliche Durchdringung zum Phänomenkern, zum substantiellen Kern der Phänomene, welche und jener sich von den Phänomenen zu darauferscheinenden Phänomenen weiter fortpflanzen. Schreiben ist Schreiben, um zu verbinden.

Oha!

Schreiben ist das Kombinieren des zuvor noch nicht Kombinierten. Es ist die verschriftlichende Expression von Impressionen, Reflexionen, Interpretationen oder Imaginationen. Schreiben ist die Explikation von Implikationen, die Veräußerung des Un- oder Teilveräußertem, die Translation von Inner in Außenweltliches. Arten zu Schreiben existieren viele, sowie es unterschiedliche Resultate von unterschiedlichen Schreibarten gibt wie z.B.: Gedichte, Theaterstücke, Prosaerzählungen, Kurzgeschichten, Romane, Essays, wissenschaftliche Abhandlungen, Referate, Tagebucheinträge, Liedertexte, Briefe und so weiter.

Die personalen Ursachen für etwas Geschriebenes sind die Schreiber beziehungsweise die Schreiberinnen selbst und werden Urheber, Autorinnen, Dichter, wissenschaftliche Mitarbeiterinnen, Schriftsteller oder Texterzeugerinnen genannt. Ursachen für das Schreiben gibt es viele: Aufarbeitung und Bearbeitung, Kunstgestaltung und Vermittlung von Gedanken, Benachrichtigungen von Forschungsergebnissen, kreativer Schaffensdrang, Bewusstwerdung durch Verschriftlichungen, Darstellung von Geschichten, Vergangenem oder Gegenwärtigem beziehungsweise Zukünftigem. Durch das Schreiben vermittelt sich der Wissen- und Vermittlungswille. Weitere Ursache für das Schreiben ist das Interesse sich selbst sowie die Phänomene der Welt besser kennen zu lernen, durch Selbstreflexion und Phänomenreflexion. Im Prozess des Schreibens wird etwas begreiflich und ersichtlich gemacht, was sich aus dem teils intransparenten Dickicht des Unbewussten ins Bewusstsein entfaltet, aufgehoben, gelichtet, versprachlicht, transparent gemacht und… und … und.
Im Prozess des Schreibens geschieht eine Entwicklung desjenigen, was beschrieben wird, sodass jedes Schreiben zugleich auch ein Entwickeln und ein Sichentwickeln ist. Es entwickelt sich der Inhalt dessen, was wir vermittels der Sprache beschreiben wollen. Wie jede Geschichte einen Anfang, einen Mittelteil und ein Ende hat, so auch jedes wissenschaftliche Essay, jedes Gedicht und jedes Theaterstück. Diese Genese durch das Schreiben ist dem Schreiben selbst immanent, da es eine Lebenstätigkeit ist, welche irgendwann anfängt, sich entwickelt, reift, sich verbessert, und weiterhin verfeinert wird. Deswegen ist Schreiben auch ein Geschichten oder Gedichtbilden, ein Theorie oder Aufsatzbilden, als auch ein Sichbilden, ein doppelseitiger Bildungsprozess, eine äußere wie innere Gestaltungstätigkeit, die in Verbundenheit von unseren Sinneseindrücken, unseren Erinnerungen, unseren spontanen Eingebungen oder wohlüberlegten Überlegungen dasjenige an und in Worte und Sätze bindet, was wir für bindens- und verbindenswert erachten halten und – oder empfinden.

Schreiben ist eine Form von Kommunikation, weil durch das Schreiben gewisse Inhalte von dem Sender für die Empfänger adressiert sind. Schreiben ist eine: Ins-Schreiben-Gedanken-gebende-Tätigkeit, welche nicht nur vermittelnden oder instrumentellen Charakter hat, sondern auch zur Selbstaufklärung oder Selbstverständigung dienlich ist. Weil durch das Schreiben zuvor inhärente Gedanken in die Sichtbarkeit bzw. in die Lesbarkeit gebracht werden, ist das Schreiben eine Vermittlungstätigkeit, welche Buchstaben, Worte und Sätze benutzt, um Gedankeninhalte medial verständlich zu machen. Schreiben ist somit sowohl Mittel als auch Zweck für Schreibende und Lesende, Mittel als Vermittlung für innere Gedankengänge, Gefühle, Beobachtungen oder Imaginationen, als auch Zweck im Sinne von situativer Bewusstwerdung des Schreibenden und Lesenden mit Bezug auf den ge- oder beschriebenen Inhalt. Verwirklichung des Schöpfungs- und Erkenntnisdrangs, sowie des Gestaltungs- und Erforschungswillens. Schreiben ist die Verfeinerung der sprachlichen Fähigkeiten und der vernünftigen Vermögen.

in diesem Sinne: schreibt und schreibt nicht, das Leben ist mehr als schreiben;
doch schreiben hilft beim Sich-Befreien. Für die Profis wie für die Laien. Verzeih!


© Alexej


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