Die Zeitung, sie hat es zuerst gebracht,
die grausame Tat in dunkler Nacht,
die Schatten des Dorfes, die heimlich im Handeln,
mit zündelndem Geist die Gassen durchwandeln
und ruhelos nähren den bangen Verdacht.
Sie wählten zum Ziel sich das Schützenfest,
wenn jeder Bürger die Wohnung verlässt
zum Jubeln und Feiern am sportlichen Kranz,
die Nacht zu verbringen beim Tranke und Tanz
und nicht zu bemerken den Einzug der Pest.

Zunächst war es wohl nur ein Ginsterstrauch,
dann Eingang und Treppe, die Pforte nun auch,
von dort ging es aufwärts in rasender Hast,
bis zu des Giebels beflaggten Mast,
das Rathaus zerfiel in Flammen und Rauch.
Von weitem ertönten Sirenen her,
der mahnende Klang der Feuerwehr,
sie kämpften gegen die lodernde Wand,
in der sich kein Hoffen auf Schonung mehr fand,
der Schultheiß erbleichte und grämte sich sehr.

Wer begeht solche Tat, wer gehört vor Gericht?
Einer von hier doch ganz sicher nicht!
Wir lieben das Land und achten die Leute,
suchen nicht nach flammender Beute,
der Teufel besitzt ein fremdes Gesicht!
So sprachen die Bürger in bebender Wut,
während sie starrten in erkaltende Glut,
ein Fragen und Schaudern durchzuckte den Geist,
der in heimlicher Ohnmacht nichts Gutes verheißt
und erst nach vollendeter Rache ruht.

Die Metzgersfrau es zuerst erwähnte,
während zum Tratsch sie am Türrahmen lehnte,
„`s mag sein, ich weiß nicht, doch muss ich ja sagen,
die Fischers sich ausnehmend seltsam betragen
und die Frau sich nicht einmal für diese Tat schämte.“
„Zwei Jahre wohnen die beiden erst hier,“
parlierte der Postbote redselig beim Bier,
„das hat natürlich gar nichts zu sagen,
doch wer sollte sonst das wagen,
an unseres Dorfes glänzende Zier?“

So gingen Gerüchte im Dorfe umher,
sie zu glauben war für viele wahrhaft nicht schwer,
wie eine giftige Schlange im Ozean,
nährt der Tratsch des Verdachtes unrühmlichen Wahn
und treibt die Vernunft weit ins tiefe Meer.
Zuerst ein Blick, dann ein Schweigen,
so begann der schlimme Reigen,
von dem alle überzeugt,
das der Verstand sich davor beugt
und die Hassgefühle steigen.

Frau Fischer war zunächst verwirrt,
dachte dass sie sich wohl irrt,
jene Menschen, so lange nett,
stiegen leis´ auf das Parkett,
mit dem der Stolz des Dorfes sich ziert.
Wenn eine Gruppe es gewahrte,
dass Frau Fischer sich ihr nahte,
stoben sie schnell auseinander,
durch Hortensien und Oleander
Tratsch sich mit Verdacht schon paarte.

Und Herr Fischer im Verein,
kam nicht einmal zur Tür herein,
schon wurd´ es leis im großen Raum,
die Zungen hielten sich im Zaum,
nur schiefe Blicke waren sein.
Kam er nach Hause, in grauen Gedanken
sich Trauerflore am Herzen ranken.
„Was ist es nur, was geht hier vor?“
klagt seine Frau ihm dann ins Ohr,
und sie begannen sich zu zanken.

Je länger die Täter unbekannt,
je mehr wurden sie direkt benannt,
nur Fischers kamen dafür in Frage,
brachte das Dorf in solche Lage,
Verdacht ist mit Hass eng verwandt.
Kein Leben mehr und keine Ruh´,
die Türen schlossen sich ganz zu,
dass sie allein und isoliert,
das Volk nach ihren Seelen giert,
sie wandeln in des Aussatz Schuh.

Da lodert wieder der Flammen Glut,
auf des Metzgers einzig Gut,
bis in den Giebel langt der Schein,
sein einzig Kind ward´ dort allein,
und in der Not sinkt all der Mut.
Die Bürger kommen, dass man rette,
mit Eimern, Schläuchen, Axt und Kette
doch zurück, zurück von diesen Flammen
die Tür ist nicht mehr einzurammen!
Das Kind liegt schlafend noch im Bette.

„Mein Kind, mein Kind, es ist verloren,“
rief die Mutter laut in alle Ohren,
„Wer rettet es? Wer holt es mir?
Wer schützt es vor des Todes Gier?
Welcher Held ist auserkoren?“
Und niemand wagte einen Schritt,
bis Herr Fischer zur Stiege tritt,
er springt hinein ins Ungewisse,
dass die Mutter das Kind nicht misse
und an dem Verluste litt.

Das Volk, es stockt den Atem still,
ob es dem Fischer gelingen will,
da eilt er schon die Stiege empor,
ein Schatten lugt am Fenster vor,
und schreit verzweifelt, laut und schrill.
Zwei Schritte noch, er packt das Kind,
das Fenster, barst im kalten Wind,
er tritt zum Rahmen, wirft es hinunter,
aufgefangen, das Kind ist munter,
der Retter eilt davon geschwind.

Zur Treppe nun, im hastig Lauf,
das Volk, es sieht gebannt hinauf,
oh Jesus mein, lass´ es ihn schaffen,
ist ihr Gedanke und sie gaffen,
auf des bitt´ren Lebens Lauf.
Ein Balken bricht, kracht auf die Stiege,
dass Herr Fischer darunter liege,
kein Weh´, kein Laut hinunter weht,
die Rettung käme hier zu spät,
Herr Fischer liegt in Gottes Wiege.

An einem Sonnentag im Mai,
kam das ganze Dorf herbei,
zu ehren diesen Heldenmann,
der sich nicht erfreuen kann,
am Ende ihrer Tyrannei.
Die Witwe steht am Grab und weint,
die Sonne nun den Sarg bescheint,
„Warum nur er, was ist der Grund?
Nun ruht er in des Todes Schlund,
doch bald schon, bald sind wir vereint!“

Die Bürger gehen, tief getroffen,
dürfen sie Vergebung hoffen?
Herr Fischer war ein Ehrenmann,
was ihm nicht mehr helfen kann,
das Wirtshaus hat bereits schon offen.
Am Abend ward´ der Kerl ertappt,
als die Falle zugeschnappt,
mit Zündholz und Benzinkanister,
stand er beim lodernden Geknister,
welches in sein Herz geschwappt.


© Mark Gosdek


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Kommentare zu "Der Fremde"

Re: Der Fremde

Autor: noé   Datum: 14.12.2013 9:29 Uhr

Kommentar: Mark! Das ist ja spannend wie ein Krimi! Das hat mit "Moritat" so gar nichts mehr gemein! Toll!
Adventgruß von noé

Re: Der Fremde

Autor: Mark Gosdek   Datum: 14.12.2013 10:14 Uhr

Kommentar: Vielen Dank, Noé. Es hat einige Monate gedauert, bis ich es zusammen hatte.

Re: Der Fremde

Autor: Jana2613   Datum: 17.12.2013 16:50 Uhr

Kommentar: Das ist ein Bestseller! Ich habe es zweimal gelesen und war darin so vertieft wie in einem spannenden Krimi. Hier hast du deine poetischen Flügel einzigartig ausgestreckt, alles gegeben und ein wunderschönes Werk gemeistert. Ich hoffe dass du noch sehr viele Kommentare erhältst, denn dein Werk darf hier nicht schlummern. Beide Daumen hoch! Meinen vollen Respekt!

Re: Der Fremde

Autor: Mark Gosdek   Datum: 18.12.2013 5:46 Uhr

Kommentar: Hallo Jana, vielen Dank für Deinen wundervollen Kommentar. Es freut mich, dass Dir die Ballade so gut gefallen hat. Gibt mir Ansporn, in dieser Richtung weitere Gedichte zu schreiben. Man kann in einer Ballade ganze Geschichten erzählen und ich denke, dass sie es als Kunstform es verdient hat, dass sich viele mit ihr beschäftigen. Schöne Grüße Mark

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