Trinität

© pixabay, Stefan Keller

Langsam beginnt ein Gefühl der tauben Leichtigkeit von hinten heran seinen Körper zu ergreifen. In sanften Wellen von der Wirbelsäule ausgehend schmiegt es sich fest an seinen Rücken. Von jedem Beobachter ungeahnt verschmilzt sein Rücken immer intensiver mit der grau karierten Stofflehne des eher billig wirkenden Sofas. Ohnehin würde er keinem neugierigen Zuschauer die ungewohnte Situation beschreiben können; zu viele Eindrücke mischten sich unter seinen sonst recht geordneten Gedankengang.
„Bist du noch hier?“; die Stimme war ihm bekannt und doch hatte er sie im Moment nicht erwartet. Es war jene Stimme, die Ihn schon einige Male rücklings aus dem wirren Geflecht seiner Gedankengänge aufgeweckt hatte. Ein simples „Ja“ entglitt seinem staubtrockenen Mund – irgendwie hatte er beim Denken vergessen zu antworten, doch die vertraute Stimme war wohl mit der zähen Antwort zufriedengestellt, denn es folgte keine weitere Bemerkung.
Es war ungewöhnlich still geworden, doch er konnte sich den Grund nicht direkt erschließen, bis seine Aufmerksamkeit, durch die Stille erweckt, sich von innen nach außen wand. Es war die Musik. Die Musik fehlte. Obwohl die eigenartige Musiklosigkeit sich nur über wenige Momente erstreckte, kam sie ihm doch relevant vor.
Nun begleitet von völlig unpassenden wilden und blechernen Klängen schien die Leichtigkeit hinter einen dumpfen Filter gehüllt worden zu sein. Fast schon aufdringlich zwängte sich der eine, alleinig umstandsgebende Gedanke auf. Erst unsicher darüber, ob es klug war ihn in seine Überlegungen aufzunehmen, ließ er alle Schranken sinken und ließ die sich einschleichenden Bilder wirken.
Noch ehe er sich darauf einstellen konnte, stürzte ein unglaublich machtvolles Gefühl von Wärme auf seine kognitiven Bahnen ein. Alles Misstrauen, alle Sorgen, alle negativen Gefühle waren nichtig – weggespült von einer so warmen und überwältigenden Erfahrung an Zuneigung und Erkenntnis. Damit hatte er nicht gerechnet. Er wurde erst eins mit den Menschen, dann mit der Erde und dem Universum, bevor er schlussendlich mit sich selbst Frieden geschlossen hatte. Nichts konnte ihn erschüttern, nichts konnte die Existenz erschüttern; er war die Existenz.
„Alles okay bei dir?“ – wieder erfragte die altbekannte Stimme Dinge, von denen er keine Vorstellung hatte. „Alles okay“ hörte er sich sagen, eine unbewusste soziale Reaktion, die er sich über die Jahre antrainiert hatte. Es verging noch eine Weile, ehe alsbald sein Geist wieder zurück in die Grenzen des körperlichen Seins gezwungen wurde. Die Leichtigkeit war entgegen seinem Erwarten noch nicht verflogen und so entschlief er nach und nach in die gewohnte Realität; eine Realität, die nun gefüllt war mit Wärme, Zuneigung, Hoffnung und Vertrauen.


© 2020, Enigma


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