Reflektionen wie in meinem neuen Buch "Mein Weg zu mir" bringen Erinnerungen zurück. Traurige Erinnerungen.
Solche Erlebnisse prägen jedes Opfer für immer und ewig.
Die ganze heile Welt ist mit einem einzigen kurzen Augenblick völlig zerstört und Vergessen geht nicht. Es brennt sich in meinen Kopf, es brennt sich auf meine Haut und mein Leben ist nicht mehr, wie es vorher war.

Manch einer wird jetzt denken:
Wie kann man darüber schreiben, wenn es noch so wehtut?
Wie kann man nur damit in die Öffentlichkeit gehen, wenn es noch so aktuell ist?
Wie kann man sich nur so sehr selbst verletzen?

Tja, möglicherweise hat dieser Jemand damit auch noch recht. Wer weiß?

Aber eines vergisst er vermutlich dabei:
Selbst wenn es lange her ist und das Leben mehr oder weniger normal verläuft, es ist niemals vergessen.

Ich bin davon überzeugt, dass Menschen, die mit solchen traumatischen Erlebnissen konfrontiert wurden, niemals vergessen.

Es fühlt sich nämlich wirklich an, als ob es auf die Haut gebrannt wurde. Es fühlt sich an, als ob mein Verstand diese Erinnerungen nicht tief genug vergraben kann.
Manchmal sind Berührungen und Nähe die Hölle und kaum zu ertragen.
Manchmal sind Worte wie Schwerter, die mich mitten ins Herz treffen.
Manchmal sind winzig kleine Gesten schon ein Anlass für diese schlimmen Erinnerungen.

Jetzt kenne ich viele Menschen, die glauben, dass man das in einer Therapie bearbeiten, verarbeiten und vielleicht sogar aus der Erinnerung ganz streichen kann.

Ganz ehrlich:
Meiner Meinung und meiner Erfahrung nach, geht das völlig an der Realität vorbei.
Ich glaube vielmehr, dass das sogar Vortäuschung falscher Tatsachen ist.
Denn in all den Jahren ist mir kein einziger begegnet, der nach einer Therapie alles vergessen hat und dem solche Augenblicke der Konfrontation mit der Erinnerung nichts ausmachen.
Kein einziger!

In fast 20 Jahren Auseinandersetzung mit diesem Thema habe ich herausgefunden, dass ich diese Gefühle besser ernst nehme und akzeptieren lerne. Dass ich besser versuche, sie mir anzuschauen und anzufühlen und dann zurückzuschicken.
Denn wenn ich stark sein will und es keinem zeigen will, sind sie noch lange nicht weg. Sie kreisen über mir wie Schwerter, die nur darauf warten, noch einmal einen Moment zu finden, um zuzuschlagen.
Und sie schlagen erbarmungslos zu.
Sie ziehen den Boden unter den Füßen weg.
Sie zwingen mich in diese Strudel der Vergangenheit hinein und ich stehe machtlos daneben.
Ich kann es fühlen, ich kann es spüren, ich kann es schreiben und vielleicht auch jemandem erzählen. Aber für diese Stunden oder vielleicht Tage fehlt mir jeglicher Plan damit zu leben, damit umzugehen.
Es tut weh, es macht traurig und es macht unglaublich hilflos. Wenn dann auch noch in den Nachrichten immer neue Fälle bekannt werden, wird das Leben unter Menschen vielleicht wieder einmal für eine Weile unmöglich.
Dann will ich nur noch in mein Schneckenhaus zurück, niemand mehr sehen und niemand mehr fühlen.

Stark sein bedeutet jetzt wahrscheinlich:
Diese Gefühle anzusehen, anzunehmen und nicht zur Hölle werden zu lassen. Denn von ganz unten zum Licht ist ein langer Weg und den kenne ich wirklich schon zu gut.

Einmal Opfer, immer Opfer?
NEIN!
Denn ich will dem Täter nicht diese Macht über mein Leben geben. Es reicht, dass er wie ein Schwert immer wieder einmal über meinem Kopf kreist.
Ich will leben.

Ich will aber noch etwas ganz anderes:
Ehrlich sein zu mir selbst. Auch wenn es manchmal für andere unbequem und traurig ist.
Ich will diese Gefühle ernst nehmen und ich will diese Zeit haben, hinzusehen und noch einmal zu reflektieren.

Vielleicht immer und immer wieder... für den ganzen Rest meines Lebens...
Wer weiß...


© Lia Beck


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Beschreibung des Autors zu "Mein Weg zu mir"

Gedanken, die beim Schreiben meines Buches aufkamen und mir das Leben für eine Weile schwer gemacht haben.
© Copyright Lia Beck
Alle Rechte vorbehalten. Vervielfältigungen bedürfen der ausdrücklichen Genehmigung der Autorin.




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