Möchte nicht jeder Mensch einen Ort haben, wo er dazu gehört? Eine Clique, eine Schulklasse, eine Sportmannschaft, in der man sich willkommen fühlt? Ein Ort, der einem Halt und Geborgenheit gibt. Einen Ort, an dem man sich zuhause fühlt.
Manche Menschen verbiegen sich, gehen über eigene Belastungsgrenzen und sind eigentlich nicht mehr sie selbst, weil sie einen solchen Ort suchen.

Sie war einer dieser Menschen gewesen. Sie hatte sich verbogen, sie hatte ihre eigenen Grenzen ignoriert, sie hatte sich vollkommen angepasst. Sie fand die Mädchen toll, sie bewunderte sie. Konnten sie doch regelmäßig ihrem tristen Alltag entfliehen, in scheinbarer tiefer Freundschaft die Wochenenden auf der Autobahn und bei Konzerten verbringen. Sie war durch Zufall in diese kleine Gruppe geraten, in die Clique, die zu jedem Konzert fuhr. Und auch sie hatte es entsprechend getan. Sie wollte ja dazu gehören. Sie hatte Stunden in Warteschlangen verbracht, Stunden auf der Autobahn, Stunden vor Konzerthallen. Sie war arbeiten gegangen, danach direkt die zweihundert Kilometer gefahren. Dort hatte sie einige tolle Stunden verbracht und war danach wieder nach Hause gefahren, hatte drei Stunden geschlafen und das ganze Prozedere wiederholt.
Sie gehörte damit dazu. Man freute sich, wenn sie auftauchte. Man dachte an sie. Man fragte sie, wann sie wo ankommen würde. Man war stolz auf sie, dass sie das so machte.
Sie fühlte sich geborgen, die Konzerthallen und Festival-Plätze waren ihre zweite Heimat und sie konnte ihre Probleme hinter sich lassen.

Heute verstand sie, wie schnell man nicht mehr dazu gehören konnte, nur weil man etwas anders machte.
Heute verstand sie, wie schnell man vergessen werden konnte.
Heute verstand sie, dass sie nie wirklich dazu gehört hatte.
Heute verstand sie, dass nicht das Äußere ausmachte, wer sie war und wohin sie gehörte.
Heute verstand sie, sie wollte gar nicht zu dieser Clique gehören.

Diese Mädchen waren oberflächlich vielleicht lieb und nett. Hinter der Fassade jedoch bröckelte es unaufhörlich. Was bedeutete schon eine Clique, wenn man sie nicht akzeptierte, wie sie war? Was bedeutete dieses „dazugehören“ schon, wenn man sie wegen ihrer Erkrankung mied?

Heute gehörte sie woanders dazu. Wo man sie nahm, wie sie war, mit all ihren Stärken und auch Schwächen. Das erste Mal in ihrem Leben musste sie sich nicht verstellen. Das erste Mal im Leben konnte sie ganz sie selbst sein. Das erste Mal im Leben begleiteten sie Menschen auf ihrem Weg zu sich selbst.

Dazugehören – Eine Heimat, ein Zuhaus.


© AnniemitE


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