Ich weiß nicht, wie man Liebe misst. Auch nicht, woran man sie messen sollte. Eigentlich verstehe ich gar nichts von der Liebe; scheint für mich nur eins dieser bedeutungsschwangeren Worte zu sein, die niemand recht erklären kann. Wie das Substantiv „Freiheit“. Doch wie kann ich - ein Mensch, der von derlei Dingen keine Ahnung hat - eine Sehnsucht nach dieser geheimnisvollen „Liebe“ haben, wo sie mir doch so gar fremd ist?
Menschen, die ich diesbezüglich um Rat bat - ja, gar anflehte, mir einen Hinweis zu geben, den mein kleiner, zerrütteter Verstand verarbeiten kann -, gaben mir die seltsamsten Antworten. Man würde es fühlen, wenn es Liebe sei. Herrgott, was sind denn nun Gefühle? Hat die denn jedermann, jedefrau? Sollte ich auch so etwas haben? Eine Antwort - so viele tausend Fragen mehr. Gibt es kein Buch darüber; „Wie man fühlen und lieben lernt - Ein Handbuch für dumme Ahnungslose“?
Gewiss sollte ich sowas von Natur aus mitbringen. Irgendwo zwischen den Aminosäuren, direkt in der Doppelhelix. Ist eine Sache zu verstehen das Selbe wie etwas zu fühlen? Denn verstehen tue ich viel. Dass die Erde um die Sonne kreist. a2 plus b² gleich c³ ist. Dass Einstein vielleicht klug, aber doch weit entfernt von Genie war. Eine Idee, einem gelungenen Plan nie wirklich Stand hält. Privatsphäre im World Wide Web ein schlechter Scherz von Mark Zuckerberg ist, den er in seiner großen Villa dem Datenschutz bei einem Glas Champagner erzählt, bevor er den Gift versetzten Brandy an ihn weiterreicht. Ja, an Verstand mangelt es mir nicht. Durchaus an Wissen und Gehirnkapazität; vielleicht auch ein bisschen Power in der Hardware der Synapsen. Aber Verstand - davon hat jeder Mensch genug, wenn er ihn richtig trainiert.
Mein Problem jedoch ist die emotionale Ebene. Zwischenmenschlicher Kontakt und gefühlsbetontes Verhalten sind Fremdwörter für mein kopflastiges BIOS. Und nun sind da jeden Tag diese Menschen, die versuchen, auf diesen beiden Ebenen mit mir zu kommunizieren. Wie soll ich das anstellen? Chinesisch klingt doch auch nicht wie Polnisch; die Vögel können sich uns Menschen gegenüber auch nicht erfolgreich mitteilen. Und wie, um Himmels Willen, soll ich dann eine Person erkennen, die mich liebt - was aus immer das bedeuten mag?
Traurig sehe ich den Paaren der Gattung Homo sapiens sapiens zu, die sich „in einer Beziehung“ befinden. Seltsam, wie die sich verhalten. Und dieses Küssen! Ich habe es mal probiert; komisch ist das gewesen. Ein Mund, der sich gierig auf einen anderen drückt und anfängt, herum zu knabbern und mithilfe verschlungener Zungen Flüssigkeit auszutauschen. Warum sollte ich den stinkigen Speichel eines anderen Individuums in meinem Mund haben wollen? Und dann die Hände, die plötzlich anfangen zu wandern. Na, hör mal - das ist Sperrgebiet; betreten verboten! Nicht selten fallen dabei Liebesbekundungen aus den feuchten Lippen heraus und verheddern sich im Trommelfell des Partners, bevor sie wankend durch den Paukengang taumeln und den Steigbügel zum Klingen bringen. Meist gefolgt von einem Stöhnen, das einem Tier ähnelt, welchem man zufällig auf den Schwanz getreten ist. Und wo wir schon beim hinteren, empfindlichen Teil angekommen sind - ob ich feucht bin, will man wissen. Wie soll man denn bei derlei Abartigkeiten auch nur an sexuelle Reize denken können?! Und gehören die nicht auch mit zu dieser „Liebe“?
Und so wird es wohl kommen, dass ich das nächste Mal, wenn ich einen Gedanken an den Unsinn „Liebe“ verschwende, nur der folgende Satz in meiner Antwortkartei für all‘ die vielen unbeantworteten Fragen auftauchen wird: Veni, vidi, violini - ich kam, sah und vergeigte.


© a.k.heidmann


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