Wissen sie...

Wissen sie, wenn ich abends so auf der Fensterbank an meinem offenen Fenster sitze, über die Stadt gucke mit all ihren qualmenden Schornsteinen, den im Wind wehenden Blättern der Bäume, den Lichtern und den Schatten hinter den anderen Fenstern, den vorbeiziehenden Wolken und der verstreichenden Zeit, wenn ich nun also da sitze im vierten Stock eines renovierten Altbaus, mir die letzten Reste meines vor Jahren mal guten Gehörs endgültig mit viel zu lauter und viel zu schöner Musik ruiniere, dann stelle ich mir immer wieder eine Szene vor in der mein Körper langsam und erschöpft in sich zusammensinkt, erschlafft, das Gleichgewicht nicht mehr zu halten vermag und vorne über kippt, hinab gleitet in die Tiefe, die zehn, elf, zwölf Meter im freien Fall, wie in Zeitlupe in einem Hollywoodfilm hinter sich bringt, sich dabei einmal um die eigene Achse dreht und mein Geist endgültig befreit wird, erlöst, von allem was da mal war, mit einer Träne in den Augenwinkeln, fortgezerrt vom Fallwind, und einem nichts bereuenden, winzigen Lächeln auf den Lippen, bis die letzten tröstenden Töne eines dieser wundervollen Lieder in einer Kakophonie brechender Knochen und spritzender Körperflüssigkeiten untergeht, mit der letzten kleinen Frage im Hinterkopf ob und wenn ja, wie lange manche Menschen wohl um mich trauern werden, ob die Welt, also die paar Personen die meine Welt ausgemacht haben, mich vermissen werden und ob sich irgendetwas ändern wird, die Leute anfangen werden etwas zu begreifen was sie vorher nicht verstanden haben, nicht verstehen wollten, nicht verstehen konnten, ob das Extrem des Todes das Extrem der Einsicht und Aufklärung mit sich bringt.

Wissen sie, wenn ich abends so auf der Fensterbank an meinem offenen Fenster sitze, über die Stadt gucke, seufze, aufstehe und mich ins Bett lege, dann stelle ich mir immer wieder vor wie es wohl wäre wenn sich irgendetwas ändern würde.

© Lorenz H. P.

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amia
Evia

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