Oder: Das Christkind gibt es wirklich

Gestern war so ein ganz seltsamer Tag. Ein Tag, den ich bestimmt nicht wieder vergessen werde.
Ich war schon sehr früh wach und meine ersten Gedanken waren:
17.12. Geburtstag meines Opas. Wie alt wäre er eigentlich heute? Ach, ist gar nicht wichtig... wenn er noch leben würde, gäbe es heute Pfefferkuchensoße mit Brotstücken, Fleischwurst und Sauerkraut.
Ich musste schmunzeln und an ihn denken.
Auch im Büro war es, wie wenn sein Geist irgendwie hinter mir stehen würde.
Als ich dann noch diesen Schmetterling an der Wand gegenüber meines Zimmers gesehen habe... Mitten im Dezember bei 6-7 °Grad, saß da ein Pfauenauge. Einfach so. Er wartete, bis ich ihn gesehen und erkannt hatte und dann flog er einfach weg.
Zuhause angekommen, blinkte das rote Licht an meinem Telefon. Ich erkannte den Namen und beschloss ich trotz aller Arbeit, sofort anzurufen. Ein seltsames Gefühl beschlich mich und Angst kam auf. Diese Angst spürte ich vor einigen Tagen schon einmal so intensiv.
Ich rief also zurück und die Stimme am anderen Ende der Leitung bestätigt mir dann, warum ich solche Gefühle hatte.
Meine Freundin sagte mir ohne Umschweife, sie habe einen sehr aggressiven Krebs und bereits die ersten beiden Chemos hinter sich. Ich war so geschockt, dass ich erst einmal nichts sagen konnte und dann in Tränen ausbrach. Wir saßen am Telefon und weinten gemeinsam. Wir konnten gar nicht anders. Nachdem wir uns wieder gefangen hatten, erzählte sie mir, was sie vor einigen Tagen – wie der Blitz aus heiterem Himmel – traf. Und sie erzählte mir auch von Nashis. Das Einzige, was sie im Moment wirklich gerne isst. Besonders, schön kalt aus dem Kühlschrank.
Den ganzen Abend dachte ich daran, wie ich ihr vor Weihnachten noch eine Freude machen könnte.
Nashis mit der Post schicken ist vielleicht keine gute Idee.
Selbst hinfahren und wieder zurück, dass würde ich gesundheitlich vielleicht nicht alleine schaffen.
Und so überlegte ich, wie ich etwas organisieren könnte. Im Organisieren war ich schon immer gut.
Facebook, Freunde, Nashis, jemand in ihrer Nähe. Diese Gedanken rannten in meinem Kopf im Kreis.
Ich schrieb einige Freunde an und fragte, ob sie vielleicht helfen könnten und irgendwie half dann jeder einzelne auf seine ganz persönliche Art.
Aber einer, kam mir vor, wie das Christkind persönlich. Ich hatte ihm gerade heute noch ein kleines Päckchen geschickt. Und jetzt machte er mir ein ganz besonderes Weihnachtsgeschenk.
Er fragte einfach nur, was er tun könnte.
Ich schrieb zurück: „Kannst Du Nashis zu meiner schwerkranken Freundin bringen.“
Er antwortete ganz selbstverständlich: „Wann und wohin?“
Drei Worte, die mich zu Tränen rührten.
Wie einfach und schön konnte das Leben doch sein.
Diesen Abend zu beschreiben und die Gefühle, die damit verbunden sind, das würde hier den Rahmen sprengen. Aber ich habe Weihnachten noch nie in meinem Leben so nah erlebt.
Es war, wie wenn das Christkind neben mir steht und sagt: „Alles wird gut.“
Meine Freunde und ich haben dann noch ein paar andere Dinge in die Wege geleitet, um ihr irgendwie zu helfen.
Mir gingen zwischendrin einige Gedanken durch den Kopf und ich schrieb ein Gedicht:
Sorgen???
Wir machen uns Sorgen über Dinge, die sind so banal,
während für andere das Leben ist, wie die reinste Qual.

Wir machen uns Sorgen, um viele kleine unwichtige Sachen,
während anderen unter Schmerzen vergeht das Lachen.

Wir machen uns Sorgen, um das Geld und die ganze Welt,
während für andere die Hoffnung jeden Tag mehr zerfällt.

Wir machen uns Sorgen, merken die Sinnlosigkeit nicht,
während für andere gerade das ganze Leben zerbricht.

Wir versinken in unserer kleinkarierten materiellen Welt
und haben vergessen, was im Leben tatsächlich zählt.

Wie klein und unwirklich werden all unsere Sorgen, wenn wir jemanden kennen, der mit seinem Leben kämpfen muss.
Wenn wir das Wunder der Weihnacht dann hautnah erleben, verlieren sie vollends ihre Bedeutung.
Es ist einfach ein unbeschreibliches Gefühl, jemanden glücklich zu machen.
Plötzlich hat die ganze Welt eine ganz andere Bedeutung.
Für mich liegt die Kunst darin, dieses Weihnachtsgefühl mit in den Alltag zu nehmen. Vielleicht schaffe ich es ja, jeden Tag ein bisschen Weihnachten zu leben.

Ich danke all meinen Freunden, für dieses kleine Wunder.
Frohe Weihnachten und ein gesundes, glückliches neues Jahr.


© Cornelia G. Becker


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Beschreibung des Autors zu "Nashis unterm Weihnachtsbaum"

ich habe diesen Artikel bei der Huffington Post veröffentlicht.
Sie hat die Nashis tatsächlich gestern von "meinem" Christkind geliefert bekommen. Ob sie sie allerdings noch essen kann, dass liegt jetzt in Gottes Hand...

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Kommentare zu "Nashis unterm Weihnachtsbaum"

Re: Nashis unterm Weihnachtsbaum

Autor: noé   Datum: 22.12.2013 15:28 Uhr

Kommentar: Nur ein einziges "gefällt mir" ist beschämend wenig für diesen ergreifenden Text, der Erinnerungen zurückbringt. Ich sitze hier mit Tränen in den Augen...
Vorweihnachtliche Grüße von noé

Re: Nashis unterm Weihnachtsbaum

Autor: Cornelia G. Becker   Datum: 22.12.2013 16:21 Uhr

Kommentar: Danke noé
es tut unglaublich weh... sie ist doch erst 52... und alles was im Moment bleibt, ist die Hoffnung, dass sie nicht zu lange leiden muss... deshalb mein Gebet mit dem Engel auf meinem Blog...
Wünsch Dir einen schönen 4. Advent :)

Re: Nashis unterm Weihnachtsbaum

Autor: Picolo   Datum: 22.12.2013 23:15 Uhr

Kommentar: Conny
Dieser Text hat mich sehr, sehr berührt, denn Du hast eine besondere Gabe Deine Gedanken und Gefühle in Worte zu kleiden. Möge der Geist von Weihnachten auch darüber hinaus bestehen. Das wünsche ich mir für alle guten Menschen.
Liebe Grüße Micha

Re: Nashis unterm Weihnachtsbaum

Autor: [email protected]   Datum: 23.12.2013 5:35 Uhr

Kommentar: Liebe Conny,ich schließe mich Micha an,mehr gibt es nicht zu sagen.Deine Geschichte erinnert mich sehr an meine , die ich noch immer lebe .Auch meine langjährige Freundin hatte Krebs,den sie ,Gott sie Dank besiegt hat.Leider bekam sie durch die aggressive Behandlung Probleme mit dem Herz-hat einen Schrittmacher u.nen Defibrillator , die Nieren sind hin und einmal fiel sie einfach um und lag 5Monate im Koma.Mein schönstes Weihnachts - und Geburtstagsgeschenk sind die Briefe von ihr - sie wohnt 500km entfernt.Du kannst dir vielleicht meine Panik vorstellen ,wenn ihr Brief nicht rechtzeitig bei mir eintrifft ....Ich wünsche dir und deiner Freundin nur das Allerbeste , gesegnete Weihnacht und ein friedvolles Neues Jahr .big hug ,Petra

Re: Nashis unterm Weihnachtsbaum

Autor: Cornelia G. Becker   Datum: 23.12.2013 14:52 Uhr

Kommentar: Vielen Dank für Eure lieben Kommentare
Fühlt Euch mal lieb gedrückt :)
Schöne Weihnachten

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