Ich sitze in meinem letzten Schuljahr in einem “Weno-” (= “Werte und Normen”, nennt es Ethik, Philosophie oder wie auch immer) Kurs, der aus mit mir sechs Leuten besteht. Fünf davon müssen da sitzen, für Mathi, die eigentlich nur alle volllabert, ist es quasi Therapie.

Nun, während ich dann mal drei Wochen in Raum und Zeit war, also in so einem Luxusurlaub mit schlechtem Essen, Korbflechten und Trommeln, haben die anderen eine Klausur geschrieben. Ich sollte eine Ersatzleistung schreiben und bekam das Thema “Was ist Wahrheit”, worüber ich einen Text verfassen sollte. Ich philosophierte nun ziemlich authentisch darüber, dass Wahrheit (oder eigentlich Unwahrheit) ein menschliches Konstrukt ist, weil in der Natur entweder etwas existiert oder nicht und das meiste, was existiert oder passiert für einen selber sowieso irrelevant ist, weil wir es nie mitkriegen werden. Okay, dazwischen dachte ich bestimmt kurzzeitig an Nudeln mit Spinat oder habe mich gefragt, wieso der Schuhladen, gegenüber von mir, so heißt, wie der Sänger einer meiner Lieblingsbands. Dann habe ich mich sicher auch gefragt, warum die sich 2002 aufgelöst haben und warum die Musik und die Gesellschaft heutzutage... Ihr versteht?

Ich habe für diesen Text 14 Punkte bekommen. (Für die 15 haben Quellen gefehlt). Mein Lehrer war stolz und überaus beeindruckt und meinte, dass andere damit heillos überfordert wären. Ich war auch ziemlich baff über die Bewertung, erklärte ihm dann, dass sowas tatsächlich die ganze Zeit über in meinem Kopf rumschwirrt. Und ja, eigentlich beneide ich diese Leute, denen sowas schwer fällt. Zum einen, weil es wahnsinnig anstrengend ist, nicht “nicht denken” zu können, zumal 90% der Gedanken niemals meinen Kopf verlassen, weil sie einfach direkt wieder verschwunden sind, sich teilweise überlappen oder teilweise auch so deprimierend sind, dass ich damit nicht zurechtkomme. Zum anderen denke ich, dass die Welt eigentlich andere Dinge braucht, als “Zwangsphilosophen”. In so ziemlich jeder Epoche wurden solche Leute belächelt und ich möchte mir auch nicht anmaßen, ein unterschätztes Genie zu sein!

Aber eine Frage beschäftigt mich tatsächlich seitdem: Was denken Leute, die nicht so viel denken? Denken die genau so (viel), können oder wollen es aber nicht ausdrücken? Wenn ja, wie halten die das aus? Haben sie einfach “sinnvollere” Gedanken? Lenken sie sich ab? Aber womit? Was tun sie, wenn sie “nicht denken”? Ich komme nämlich selbst (oder gerade!) bei so “stupiden” Beschäftigungen, wie saufen, shoppen oder Fußball gucken ins Grübeln...


© Mathi Psychowesen


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Kommentare zu "Gedanken über Gedanken..."

Re: Gedanken über Gedanken...

Autor: Herbert Kaiser   Datum: 14.01.2023 13:45 Uhr

Kommentar: Hallo

Mir gefallen deine Zeilen, wenngleich sich auch hier die Gedanken einwenig überschlagen.
Denken ist eine Funktion des Geistes und eine praktische und vernünftige Sache. Zwanghaftes Denken dagegen ist lästig und lässt uns nicht zur Ruhe kommen. Werde einfach zum Zeugen deiner Gedanken, schau sie dir wertfrei an und lass sie ziehen. Meist sind Gedanken Störenfriede, denen man gar keine Beachtung schenkt.

LG Herbert

Re: Gedanken über Gedanken...

Autor: Jürgen Skupniewski-Fernandez   Datum: 17.01.2023 11:26 Uhr

Kommentar: Die Wahrheit zu ergründen, war schon immer ein Thema an das sich die Geister den Kopf zerbrachen.
Nun es kommt darauf an wie "Denken" interpretiert wird. Denken an sich, als ein aktives Phenomen, betrifft alle. Meiner Meinung nach.
Wem es tatsächlich mit Hilfe von Meditation gelingt Gedanken auszuschalten, dem sind schon Flügel gewachsen und schwebt Richtung Nirwana.

Viele Grüße - Jürgen

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