In meinem Umfeld gibt es seit geraumer Zeit einige Jubilare, die ihren Fünfzigsten feiern. Dabei gibt es zwei Fünfzig-Feier-Varianten: Entweder der Festochse flieht, macht eine Reise irgendwohin, wo ihn oder sie keiner findet und kommt dann einfach ein Jahr älter zurück oder er oder sie lässt es ordentlich krachen. Die zweite Variante ist mir lieber, denn fünfzigste Geburtstage scheinen von einem gewissen Ehrgeiz geprägt zu sein. Das Geburtstagskind und seine gereifte Gästeschar wollen ganz offensichtlich beweisen, wie erfolgreich, lustig, fit und jung sie noch sind. Das Partybuffet ist jedesmal der Hammer, der DJ eine Granate, die Tanzfläche übervoll. Und keiner traut sich, vor vier Uhr morgens nach Hause zu gehen, weil er nicht alt und spiessig rüberkommen will.
Ja, was sagt man dazu? Hoch die Tassen, solange es noch keine Schnabeltassen sind. Man muss die Feste eben feiern wie sie fallen!
Letzte Woche feierte die Cousine einer meiner Freundinnen ihren Fünfzigsten und ich gehörte erstaunlicherweise zum Club der Eingeladenen. Die Gästeliste der Party las sich wie ein erweitertes Klassentreffen. Es waren wirklich alle dabei. Vor allem die ganz besonders Coolen von damals: Klaus mit den unglaublich blauen Augen und den Wuschelhaaren, Martin dunkel und tiefgründig. Peter, immer dieses unwiderstehlich freche Grinsen im Gesicht und mit süssen Ponyfransen und schliesslich Fred - mega klug mit enormen Wortwitz und auch optisch eine Augenweide. Alle waren toll. Meine Freundin Gitti und ich nicht so. Wir waren für die Jungs die B-Klasse und völlig uncool. Natürlich himmelten wir sie an und träumten abends im Bett davon, dass der ein oder andere uns endlich wahrnehmen würde, was nie geschah.
Wir arrangierten zwar "zufällige" Treffen, wo wir bei der einzigen Weissweinschorle, die wir uns für 3,- DM leisten konnten, besonders laut quatschten und kicherten, um ihnen aufzufallen. Wir ernteten nur mitleidige Blicke.
Ach ja. Ich habe nie aufgehört, mir zu wünschen, sie eines fernen Tages wiederzusehen und in ihrer Miene ihr tiefes Bedauern zu lesen, mich damals verschmäht zu haben.
Klar, jemanden auf Äusserlichkeiten zu reduzieren, ist oberflächlich, und wenn es dabei um einen selbst geht, auch irgendwie beschämend, aber trotzdem: Ich wollte auf dieser Party so gut aussehen wie nie! Das war ich meinem siebzehnjährigen Ich schuldig! Aber meine besten Jahre haben die Jungs verpasst... Im unglücklichsten Fall denken sie nicht im Geringsten: "Wer ist denn diese Gazelle mit dem wachen Blick und den klugen und witzigen Kommentaren? Ich erinnere mich vage an dieses hübsche Gesicht! Ich muss unbedingt mit ihr sprechen!" Nein, wenn ich Pech habe, denken sie exakt das Gleiche wie vor dreissig Jahren. Nämlich: "Wer ist denn die Bohnenstange, die schon nach einer Weinschorle so einen Blödsinn quatscht?"

Ich war furchtbar aufgeregt. Bis zu dem entscheidenden Abend bemühte ich mich redlich, mindestens vier Kilo abzunehmen, was mir aufgrund meines exorbitanten Schokoladenkonsums natürlich nicht glückte. Die Schokomengen waren meiner Nervosität geschuldet, denn ich sah der bevorstehenden Partynacht teils mit Freude und teils mit Beklommenheit entgegen.

Am besagten Abend zog ich meine engste Jeans an. Die sollte eigentlich viel lockerer sitzen, aber ich passte rein. Das war ja schon mal was. Ich konnte darin zwar nur stehen, aber Sitzen wurde sowieso ständig überbewertet. Es gibt Situationen im Leben, wo Frau klare Prioritäten setzen muss. Ein schwarzes Top und einen schwarzen Blazer drüber, roter Lippenstift, kajalumrandete Augen- et voilà. Klassisch, elegant. Raffiniert und sexy. Ich würde mich von der Masse abheben. Positiv natürlich. Ich fragte meinen Sohn, wie er mich so findet. Nach einem prüfenden Blick: "Ja, ja, es gibt einen schmalen Grad zwischen toll und verzweifelt!" Wie bitte? Welche Natter habe ich da an meinem Busen genährt? Na warte. Ich würde die Königin des Abends sein. Die würden schon sehen, was sie verpasst hatten, jawohl!
Viele Menschen auf der Party! Zwei Drittel davon waren mir unbekannt. Weit und breit kein wuscheliger Klaus, fransiger Peter oder verwegener Fred. Nur Bierbäuche und Bundfalten. Das bekannte Drittel bestand aus Frauen. Alle in engen Jeans, schwarzen Tops, schwarzen Blazern und rotem Lippenstift.
Ohne dass man fragt, flötete die eine:"Ich bin frisch geschieden und mir gehts sooo guhut!" Ich kam nicht wirklich zu Wort. "Nee du, mir gings nie besser! Ich fühle mich so frei! Ich brauche keinen Mann, selbst sexuell läuft es allein mega!" Hm, wen soll das nochmal interessieren? Von Gitti erfuhr ich dann zur späten Stunde nach viel Weissweinschorlen: Der tiefgründige Markus hat ein Versicherungsbüro und eine Plauze und ist zum absoluten Langweiler mutiert. Fred, den ich damals so wahnsinnig attraktiv fand, sprach den ganzen Abend nur von sich selbst. Der verwegene Peter meinte, bald "ganz gross rauszukommen", hatte sich aber bisher noch nicht entschieden, ob als Maler, Schriftsteller, Extremsportler oder Schauspieler. Lag ja auch alles dicht beieinander. Aus Klaus' Wuschelkopf war eine Glatze geworden und aus seinen stahlblauen Augen irgendwas Verschwommenes hinter einer dicken, randlosen Brille. Die fand ich mal gut? Schlimmer noch: Die wollte ich eine Viertelstunde zuvor noch beeindrucken? So zerplatzen Mädchenträume, auch noch mit fünfzig plus. Oder gerade dann. Zugegeben sind wir alle nicht jünger geworden. An uns allen nagt der Zahn der Zeit, aber wäre mir einer der Jungs irgendwo in der Stadt begegnet, ich hätte ihn nicht nur nicht erkannt, sondern ihn auch keines Blickes gewürdigt.
Zu fortgerückter Stunde gesellen sich zu Gitti und mir noch die anderen Uncoolen der B-Liga. Als ich in ihre Gesichter schaute, sah ich nur gemeinsame, schöne und lustige Erinnerungen an verrückte Nächte, spontane Partys mit Lagerfeuer und Zaziki und endlose Gespräche über Gott und die Welt. Und zwar egal, ob sie mittlerweile Bauch und Brille trugen.
Was soll ich sagen: Ich hab die Party genossen. Und dabei erfahren: Was schon vor dreissig Jahren nicht zusammen passte, wird jetzt auch nichts mehr. Was den Umkehrschluss zulässt: Diejenigen, die mir damals schon wichtig waren, sind es auch irgendwie noch heute. Als wäre es erst gestern gewesen.

Party Ü 50- stilvoll überstehen


© Madeleine Tara


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Beschreibung des Autors zu "Party Ü 50- stilvoll überstehen"

Mit 50 plus macht man bewusster die Erfahrung, dass sich manche Dinge aus der Vergangenheit nicht mehr aufholen lassen, aber manches scheinbar auch so bleibt, wie es war.
Beim Älterwerden zahlt sich Humor und Augenzwinkern aus!

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Kommentare zu "Party Ü 50- stilvoll überstehen"

Re: Party Ü 50- stilvoll überstehen

Autor: Maline   Datum: 20.07.2019 12:59 Uhr

Kommentar: Deine humorvolle Erzählung bringt mich zum schmunzeln. Meinen 50er hab´ich auch gefeiert.Es blieb der 1. und einzige Geburtstag den ich feierte, aber es freut mich heute noch, dass ich einmal die ganze Familie und meine Freunde einen ganzen Tag um mich hatte. Ach! war das schöööön!

Liebe Grüsse Maline

Re: Party Ü 50- stilvoll überstehen

Autor: Madeleine Tara   Datum: 20.07.2019 15:08 Uhr

Kommentar: Liebe Maline

Nach meinem 50 igsten feiere ich auch so gut wie nicht mehr. Wir alle sind beruflich sehr eingespannt und niemand hat so richtig Zeit. Aber ich habe grosse Vorteile darin entdeckt, mir es an diesem Tag selbst schön zu machen. Ein bisschen Wellness, ein Kurztrip irgendwohin, eine Bootsfahrt etc. Nur, was mir gefällt und gut tut. So soll es ja an diesem Tag eigentlich auch sein.

Sommerliche Grüsse
Madeleine

Re: Party Ü 50- stilvoll überstehen

Autor: Vergissmeinnicht   Datum: 21.07.2019 12:36 Uhr

Kommentar: Habe meinen 50 Geburtstag auch groß gefeiert... viele Partygäste schwärmen heute noch davon... hat spass gemacht deinen Beitrag zu lesen... der Meinung ist das Vergissmeinnicht... übrigens hast du deinen Koffer schon gepackt ???

Re: Party Ü 50- stilvoll überstehen

Autor: Madeleine Tara   Datum: 21.07.2019 15:08 Uhr

Kommentar: Nein, leider noch nicht

Re: Party Ü 50- stilvoll überstehen

Autor: Madeleine Tara   Datum: 21.07.2019 15:09 Uhr

Kommentar: Habe erst nächste Woche Urlaub und da ist dein Gedicht die richtige Inspiration

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