(gewidmet Maria Theresia Vorreinert)


Alles ist grau! Ich komme aus einem hellen Raum, gehe durch eine Türe (oder Schleuse) die keine Türe (oder Schleuse) ist und befinde mich plötzlich in einem grauen Etwas, das nicht Fisch und nicht Fleisch zu sein scheint. Es ist ein Raum der kein Raum ist und doch ein Raum ist…und in ihm sitzen einige Leute, die mich fragend ansehen… Was wollen sie von mir? Ich bin hier nur Gast!

Sie sprechen mich an: „Entschuldigen sie bitte, wissen sie wo wir hier sind?“ Ich antworte „Ja“ und wundere mich darüber. Warum weiß ich denn wo die hier sind? Ich weiß nur, daß ich in dem Bereich dahinter etwas zu besorgen habe. Die Personengruppe lässt nicht locker…eine junge Frau, die mir irgendwie bekannt vorkommt sagt: „Es muss sich um einen Irrtum handeln, vorhin war ich doch noch wo ganz anders, aber ich glaube jemand hat mein Herz angehalten!“

Dann deutet sie auf etwas Undefinierbares neben sich auf der Wartebank im Warteraum – „außerdem muss ich doch ein Kind zur Welt bringen“. Ich werde unsicher, bekomme jedoch von weißnichtwo eine Information zugespielt. Dann kläre ich die junge Frau, die von 2 staunenden Männern umgeben ist, auf. „Ich denke nicht, daß es ein Irrtum ist – offensichtlich haben sie übersehen, daß das da ein Halbbruder des Thronfolgers gewesen wäre und ein paar Strategen befürchten Schwierigkeiten mit seinem Volk in der Zukunft. Man hatte es eilig mit euch!“

„Würden sie bitte trotzdem nachfragen, ob das alles seine Richtigkeit hat, wenn sie da rein gehen?“, meint die Frau, die mir irgendwie bekannt vorkommt. Ich nicke…dann verliert sich meine Erinnerung, so als könne man von dort wo ich dann hin ging keine Erinnerung mitnehmen. Ich weiß nur, daß ich anscheinend öfter schon dort gewesen bin. Am nächsten Tag erfahre ich aus den Medien, daß ein schreckliches Unglück passiert sei und ein europäisches Königshaus am Trauern wäre. Ich staune nicht und alle Leute, denen ich von meinem „Traum“ erzählt hatte staunen ebenfalls nicht. Aber Zweifel am Wahrheitsgehalt der offiziellen Geschichte kommen bei uns auf. Die Welt ist wieder mal undurchschaubar…oder?

Ein anderer Besuch erzählt sich so… Meine Sandkastenfreundin Maria Theresia, kurz „Mia“ genannt, eine unglaublich realistisch eingestellte Frau, liegt im Sterben! Jetzt erfahre ich, daß sie ihr ganzes Leben in mich – ausgerechnet in mich – verliebt gewesen sei. Das macht die Sache nicht einfacher…und die „Angelegenheit“ zieht sich… Sie erleidet unglaubliche Qualen und sie erlebt dabei Dinge, von denen ich gar nicht sprechen möchte. Ich habe entsetzliches Mitleid, kann aber natürlich nichts tun.

Nur an sie denken kann ich. Und solange sie dahinsiecht, zäh und willensstark wie sie immer war, mache ich das jeden Tag. Sie geht mir nicht mehr aus dem Kopf! Ich besuche sie ein paar Mal im Krankenhaus und rufe sie auch zu Hause an, um zu erfahren wie es ihr geht. Sie meint immer nur „Bitte halte mir die Daumen, daß ich bald sterben kann…wobei sie mir beschreibt warum sie das möchte. Sie erzählt mir von unvorstellbaren Wunden. Ich möchte das natürlich nicht hören, versuche aber sie abzulenken, doch alles hat keinen Zweck. Die früher so durchsetzungsfähige und auch erfolgreiche Frau hat einfach keine Kraft mehr, auch keine Kraft zu hoffen!

Tage, Wochen, Monate vergehen und kein Ende dieses Wahnsinns ist absehbar. Da habe ich eines nachts einen „Traum“. Mia und ich sind verabredet und ich mache mich auf den Weg. Diesmal öffne ich auf der Straße eine Luke, die mich nach unten führt. Dort „unten“ ist alles von einer geheimnisvollen „Flüssigkeit“ überschwemmt, die Atmen überflüssig macht. Man braucht aber auch keine Kiemen…und ich erinnere mich, daß ich, als ich die Prinzessin mit ihrem Gefolge traf, auch nicht atmen musste. Ich musste nicht atmen, erstickte aber auch nicht. Das war gewöhnungsbedürftig und hätte beinahe in mir Angstzustände ausgelöst.

Auch dort „unten“, das natürlich weder ein Unten noch ein Oben war, befanden sich mehrere Personen in einer Art Wartehaltung. Ich suchte nach Mia und fand sie schließlich auch. Ich fand sie fröhlich, wie immer, vor…und sie fing an, wie immer, gleich eine Menge zu erzählen. Sie wisse nicht, ob sie hier auch wirklich zurechtkäme, meinte sie lachend, aber sie hätte sich, wie ich ja wisse, stets mit allen neuen Umständen abgefunden und das Beste daraus gemacht. Sie wundere sich nur, daß hier alles so anders sei – und die Sache mit dem Atmen erwähnte sie auch.

Wir redeten noch eine ganze Weile. Zwischendurch „tauchte“ ich auch wieder mal auf, kehrte dann jedoch mehrfach erneut zu Mia zurück und wir philosophierten noch ein wenig – so weit man das mit ihr konnte – über das Leben. Verändert schien sie mir nicht. Wie eh und je beurteilte sie die Situation rein sachlich, räumte aber ein, daß es wohl doch mehr Dinge zwischen Himmel und Erde geben müsse, als sie bisher für möglich hielt. Dann gab ich ihr ein verhängnisvolles Versprechen…

Tags darauf erfuhr ich, daß Mia von uns gegangen sei…und ich stellte mich auf die Abschiedsfeier zu ihrer Beisetzung ein…wo mein Versprechen Realität werden sollte. Viele Leute standen herum und ich hatte reichlich Gelegenheit mich zu blamieren. Ungeachtet der Tränen in den Augen der meisten, ging ich auf Mias Bruder zu und rief, leider laut hörbar: „Hallo Friedrich, schön, dich zu sehen!“ Meine Begleitung zuckte zusammen! Aber es kam noch schlimmer! Auf Mias Schwester Katharina zugehend, strahle ich übers ganze Gesicht, ich schüttelte ihre Hand und lachte: „Das war vielleicht eine Kacke! – findest du nicht auch?!“

Kathies Ehemann erbleichte und bekam weiche Knie! In der Aussegnungshalle hatte ich dann das dringende Gefühl, zu den Tönen der Trauermusik – dem Song eines österreichischen Liedermachers „Du bist ganz weit weg von mir“ – tanzen zu müssen und ich schunkelte deutlich hin und her… Was ich Maria Theresia, Mia, versprochen hatte? Ich sagte ihr: „Wenn du tot bist, stelle ich mich dir als Medium zur Verfügung, wenn du deinen Hinterbliebenen noch etwas sagen möchtest“. Mias unverwüstlichen Humor hatte ich allerdings leider vergessen. Ich hoffe die Leute vergessen bald, wie ich mich, unter Mias Einfluss, benommen habe. Harharr!


© Alf Glocker


2 Lesern gefällt dieser Text.


Unregistrierter Besucher

Diesen Text als PDF downloaden




Kommentare zu "Meine Besuche im Vorraum (Warteraum) zum Jenseits"

Es sind noch keine Kommentare vorhanden

Kommentar schreiben zu "Meine Besuche im Vorraum (Warteraum) zum Jenseits"

Möchten Sie dem Autor einen Kommentar hinterlassen? Dann Loggen Sie sich ein oder Registrieren Sie sich in unserem Netzwerk.