Keine Betrachtung, die den Betrachter nicht in die Betrachtung mit einschließt ist eine echte Betrachtung. Unechte Betrachtungen gibt es zuhauf – sie gehen von Standpunkten aus! Vom Standpunkt der Katholischen Kirche aus… Vom Standpunkt des Islam aus… Vom Standpunkt der modernen Wissenschaft aus… Vom Standpunkt des Vaters, der Mutter, des Königs, des Narren, des Idioten aus… In allen diesen Fällen handelt es sich um keine Betrachtungen, sondern nur um Irrtümer, die falschen Eindrücken zugrunde liegen, sich aus falschen Voraussetzungen entwickelt haben und Gegenproben durch den Geist nicht standhalten.

Ein authentisches „Ich“ ist ungefärbt! Es mag den Einflüssen irdischer Begebenheiten, irdischer Handicaps unterworfen sein, aber seine Grundvoraussetzung ist keine Überzeugung, sondern die Suche! Es sei denn es handelte sich um die Überzeugung, daß nichts authentischer als die Suche sein kann. Ein Ich lebt nicht in der Wiederholung auswendig gelernter Glaubenssätze, sondern einzig und allein durch die Inspiration der Seele – und gerade deshalb ist es wohl auch offenkundig, daß oft ganze Völker, oder auch breite Mehrheiten, der wahren Betrachtung unfähig, fehlgeleitet ins Leere laufen, ohne zu wissen was da geschieht.

Ein Ich besitzt nicht die Identität eines Volkes, oder die einer größeren Gemeinschaft – es ist ein eigenes Universum, und als solches stellt es sich auch dar…oder es irrt! Die Frage „Was denkst du jetzt grade?“ sollte man nicht an jeden X-Beliebigen richten! Bei vielen stößt sie ins Nichts, oder besser, an ein, mit Fremdinformationen angefülltes Vakuum! Die meisten Menschen sind auf verderbliche Weise Fremdeinflüssen ausgesetzt, wobei die Bezeichnung „Einfluss“ genau den Kern trifft! Es ist wie bei einem Geschlechtsakt… Der zu allem bereite Körper öffnet sich dem Angriff andersartiger Gene und gebärt schließlich etwas.

Aber was? Natürlich wird der eigene Charakter noch eine penetrante Rolle spielen, doch die Dominanz der angreifenden Substanzen kann entscheidend dafür sein, wofür ein Charakter eingesetzt, eingespannt wird. Das ist die einzige echte, nachhaltig wirkende und selbstverständlich auch fatale Diskriminierung auf Erden: Neues gebären zu müssen, das einem nicht mehr sehr ähnlich ist! Dadurch wird die empfindende und zur Betrachtung fähige Seele ausradiert und Strömungen machen sich bemerkbar, die weder mit einer bewussten Entscheidung, noch mit Vernunft etwas zu tun haben!

Auch in diesem Fall hat sich der Betrachter aufgelöst – leider aber nur zugunsten der pervers anmutenden Gesamt-Seele eines Universums, das zwar in der Lage ist tierische Instinkte, sicher auch den bloßen Überlebenswillen (unter allen Umständen) zu manifestieren, nicht jedoch einem Geist Gestalt zu verleihen, der uns den wahren Fortschritt bringt. „Fortschritt“ mag ja vieles genannt werden. Man könnte auch sagen, die genetische Rückveränderung eines sich zum Neandertaler entwickelten Grobians, in einen allmächtigen Übermenschen, durch die Medizin sei ein Fortschritt…aber weiß man denn auch, daß man sich damit belügt?

Talente kommen nicht aus der Retorte! Denken, Erfinden, Erfühlen, kann nicht erlernt werden! Aus der Fähigkeit zur echten Betrachtung, einer Betrachtung, die auch den Betrachtenden infrage stellt – nicht durch eine Institution (= falsche Methode), sondern durch den freien Geist – eröffnet Horizonte in Welten, die der Mensch noch nie zuvor gesehen hat! Und eine Wissenschaft, der diese hohe Kraft verborgen bleibt, schreckt vor den Sorgen des Lebens zurück…nur um sich in Anerkennungsorgien zu erfrischen. Denn wer nicht denkt, kann ganz gut Geld verdienen und sich Leuten andienen, die genau genommen gar keine Menschen sind!

Nicht mehr zu suchen, sondern schon alles gefunden zu haben, ist eine Krankheit, die solche Evolutionszweige befallen kann, die sich für unfehlbar halten! Wer alles gefunden hat, muss nichts bezweifeln – Betrachtungen aller Art sind für ihn überflüssig. Die Melancholie weicht aus solch „belehrten“ Gehirnen ganz automatisch, um einer Gewissheit Platz zu machen, die es nie gab. „Ich habe gelernt, daß…“ ist ein guter Anfangssatz…wenn er vor der Überprüfung eines Sachverhalts durch die neutrale Betrachtung ausgesprochen wird. Er darf niemals die Richtschnur für eine Verfahrensweise sein, die uns weiterbringen soll!

Gerade deshalb ist es die „Pflicht“ eines Betrachters sich selbst aufzulösen! Nicht, wie überall propagiert wird, in vorherrschenden Ideologien und politischen Strategien, sondern in einem unendlichen Universum. Wer sich darin auflöst, findet jemanden in sich selbst, der sich getrost überraschen lassen darf, von Intuitionen und nie geahnten Wendungen im Auffinden der Wahrheit – einer Wahrheit, die sich äußerst selten mit den Absichten der obersten Untermenschen deckt, jenem Pack, das uns weismachen will, wir könnten nach seiner Fasson selig werden. Derartige Absichten sollten leicht durchschaubar sein.

Seht sie euch an, alle Individuen, die keine sind. Sie tragen Uniformen! Oder sie spielen eine Rolle. Sie sind Angehörige einer Partei. Und dafür opfern sie sekündlich ihr unverfälschtes Innenleben. Was eine Betrachtung ist, können sie sich nur anhand von Parteiprogrammen, dogmatischen Vorgaben, oder von anerkannten Philosophien erklären, wobei die Betonung nicht auf „Philosophie“ sondern auf „anerkannt“ zu liegen hat. Denn Philosophie ist, ebenso wie die Dicht- und Denkkunst von der Intuition und der neutralen Betrachtung abhängig, die allein Erfindungen in allen Bereichen erst möglich macht. Es lebe die Revolu…

Der sich auflösende Betrachter

© Alf Glocker


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Kommentare zu "Der sich auflösende Betrachter"

Re: Der sich auflösende Betrachter

Autor: Michael Dierl   Datum: 04.03.2023 8:39 Uhr

Kommentar: Hi Alf, Hmmm...der Mensch orientiert sich IMMER an dem was Andere ihm vorgelebt haben, das ist bei Tieren auch nichts anders. Es wäre schlimm von NULL an anzufangen. Nur mal ein Beispiel gebracht. Schlimm wäre es, wenn man nicht wüßte welche Nahrung giftig oder ungiftig ist. Somit ist ein Wissen um die Sache doch von Vorteil und nicht ein Nachteil. Man profitiert vom Wissen unserer Vorfahren. Somit sehe ich das aber völlig anders als Du. Irgendwie kann man sich dem auch nicht entziehen und man lebt den Stil mit dem Wissen seiner Ahnen. Das man nicht alles annehmen muss was einem aufgequatscht wird liegt doch bei jedem Menschen selbst wie ich finde. Das geht soweit, dass man sein Land aufgibt und in ein anderes zieht wenn man mit den hiesigen Bestimmungen nicht einverstanden ist. Man muss nur frei sein wie ein Vogel dann kann man sein Ding machen. Jede Organisation, egal was, hat seine Regeln und wenn es darum geht Abfall in ein Abfallbehälter zu schmeißen. Aber selbst hier sind viele zu faul dazu und so mancher und hinterläßt einen Dreckstall. Ohne Regeln herrscht Chaos und auch dieses simple Beispiel kommt aus der Erkenntnis.

lg Michael

Re: Der sich auflösende Betrachter

Autor: Wolfgang Sonntag   Datum: 04.03.2023 10:58 Uhr

Kommentar: Lieber Alf,
Wortspiele mit etwas schwer verdaulichem Tobak gemischt. Ich würde es aber trotzdem unter Kunst einsortieren. Bild : Eine Idee gut umgewandelt.
Liebe Grüße Wolfgang

Re: Der sich auflösende Betrachter

Autor: Alf Glocker   Datum: 10.03.2023 8:17 Uhr

Kommentar: Ich bedanke mich!

(Zeitmangel)

Liebe Grüße
Alf

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