Wieder einmal findet ein Morgen statt – ein Morgen, an dem ich mir überlege, was ich noch tun könnte, um etwas gerecht zu werden. Nennen wir es „Leben“. Vor mir, auf dem Tisch, liegt ein Stellenangebot! Ich versuche heraus-zufinden, welcher Ausbeuter, Betrüger, oder am Ende gar ein reeller Arbeitgeber dahintersteckt. Interessiert lese ich:
„Wir sind ein globales Unternehmen!
Wir lassen unter allen Bedingungen arbeiten!
Unser Entgelt besteht aus der Überlassung von sinnlichen Rauschmitteln. Sie dienen einerseits als Sinn-Ersatz und andererseits als Sinn selbst, denn einen ewig bleibenden Wert hat Ihre Tätigkeit bei uns nicht. Jedenfalls nicht im Einsatzgebiet.

Weitere Informationen besorgen sich unsere Mitarbeiter gewöhnlich selbst. Daß sie dabei zu unterschiedlichen Ergebnissen kommen, ist sowohl von der Firmenleitung erwünscht als auch nicht zu vermeiden, denn jeder Arbeitsplatz ist mit ganz spezifischen Aufgaben verbunden. Eine Hoffnungsgrenze nach oben gibt es allerdings nicht. Für das Anwerben neuer Mitarbeiter ist zwar eine Belohnung ausgesetzt, diese besteht jedoch nur in der Einbildung.

In Wahrheit erweitert sich damit Ihr Tätigkeitsfeld. Ihr Arbeitsaufwand, den Sie für unsere Firma erbringen, vergrößert sich sozusagen proportional zum Lebensalter der Angeworbenen – er verringert sich erst wieder, wenn diese ihrerseits auf dem Gebiet der Akquise aktiv geworden sind und für sich selbst einen Nachfolger herbeigeschafft haben. Eigentlich würde sich dann Ihr Vorhandensein auf der Gehaltsliste unseres Unternehmens erübrigen. Wir lassen jedoch Gnade vor Recht ergehen, indem wir nicht in jedem Falle eine Kündigung wegen Überflüssigkeit aussprechen.

Ihr Arbeitsplatz bei uns ist absolut ungefährlich. Das verkündet jedenfalls das Gros der Belegschaft. Den Wahrheitsgehalt dieser Aussage zu überprüfen, ist nicht gestattet. Bitte achten Sie auf das Betriebsklima! Wenn Sie möchten, dürfen Sie dafür einen Kollegen Ihrer Wahl mobben. Der Eintritt in dafür vorgesehene Clubs ist kostenlos. Für eventuell benötigte Arzneien (gewöhnlicher Alkohol) ist der betroffene Kollege selbst verantwortlich.

Für ein vorzeitiges Verlassen des Einsatzgebietes Ihrerseits, z.B. dadurch, daß Sie durch Hungersnöte, Unfälle, Krankheiten, Mord oder darüber hinaus Kriege, abberufen werden, darf weder die Firma haftbar gemacht, noch der Vorstand beschuldigt werden. Ein Aufsichtsrat erübrigt sich hiermit von selbst. Unsere Devise lautet: Schrauben Sie ihre Erwartungen nicht zu hoch – hilf dir selbst dann bist du geholfen – üb‘ immer Treu und Redlichkeit – mit dem Hut in der Hand … usw.

Die Beendigung Ihrer Tätigkeit – durch was auch immer – ist automatisch mit einer entweder fristlosen oder optional schrittweisen Kündigung verbunden. Das ist von der Art Ihres Ausscheidens abhängig. Sie „bestimmen“ es sozusagen selbst. Haha. Wir wünschen Ihnen dann, daß Sie auf eine lange Liste vergänglicher Arbeitsergebnisse (andere gibt es ja nicht), sowie auf eine stattliche Anzahl an Nachfolgern zurückblicken können, die zu Ihrem Ansehen, und dem der Firma natürlich, beitragen – oder eben nicht beitragen. Darauf kommt es nicht an.

Treten Sie nun ein und versuchen Sie, im Laufe der Ihnen zur nicht ganz freien Verfügung stehenden Zeit herauszufinden, worauf es Ihnen oder auch uns ankommt. Viel Erfolg!
Ihre Schöpfer und Sohn GmbH & Co. KG“

Der beginnende Wahnsinn in 365 Schritten /  297. Schritt

© Alf Glocker


© Alf Glocker


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Kommentare zu "Der beginnende Wahnsinn in 365 Schritten / 297. Schritt"

Re: Der beginnende Wahnsinn in 365 Schritten / 297. Schritt

Autor: Angélique Duvier   Datum: 29.07.2022 11:18 Uhr

Kommentar: Wow, wieder einmal genial!

L.G.

Angélique

Re: Der beginnende Wahnsinn in 365 Schritten / 297. Schritt

Autor: Sonja Soller   Datum: 29.07.2022 11:40 Uhr

Kommentar: Dein Ideenreichtum scheint unerschöpflich, lieber Alf.
Interessant geschrieben!!!

Herzliche Grüße aus dem suchenden Norden, Sonja

Re: Der beginnende Wahnsinn in 365 Schritten / 297. Schritt

Autor: Alf Glocker   Datum: 29.07.2022 12:22 Uhr

Kommentar: Vielen Dank liebe Freunde

LieGrü
Alf

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