Daß mich das Unheimliche begleitet, weiß ich! Daß ich in einem irrsinnigen Labyrinth lebe, weiß ich auch. Und daß man mich verfolgt, ist mir ebenfalls klar! Daß sich jedoch darüber hinaus etwas Hochexplosives in meiner Seele abspielt, habe ich immer gerne ignoriert – es war einfach da!
Früher, als meine Bereitschaft noch den größten Teil meiner Persönlichkeit einnahm, wehrte ich mich teilweise sogar vehement dagegen. Heute spüre ich, wie es immer heftiger wird, und davon fühle ich mich schwer bedrängt, denn es kann unabsehbare Folgen haben. Alles in allem aber ist es eine Verfolgung von innen und von außen, die da stattfindet.
Ich erinnere mich noch gut an die damals überfüllten Klassenzimmer und an mein schlechtes Gewissen, als ich sah, wie schön draußen das Wetter war und wie wenig mich interessierte, was mir in diesen Räumen geboten wurde. Man gab mir nicht, was ich brauchte, man stopfte mich nur voll mit Ballast, den ich todlangweilig fand.
In solchen Stunden trat es zum ersten Mal auf. Es war mir nie ganz geheuer, aber ich konnte mich nicht dagegen wehren. Niemand merkte, was in mir, was mit mir vorging. Und auf einmal konnte ich mit dem Schulbetrieb nicht mehr mithalten. Meine Besessenheit wuchs!
Im selben Umfang, wie ich begann, nein, wie dieses Etwas in mir begann, sich von der Allgemeinheit, sprich „den freundlichen Menschen, die mich unterrichten wollten“, abzuwenden, begann ich Fragen zu stellen. Fragen wie diese: Kann es denn sein, daß es stimmt, was da gesagt wird, und wenn ja, warum läuft dann alles auf eine Entindividualisierung hinaus?
Vergeblich versuchte ich, mich einzukriegen. Ich unterstützte die für mich fremdländischen Erziehungsmaßnahmen an meiner Person, doch leider war die Besessenheit stärker als alles, was ich mir vornehmen wollte. Eine eigene Welt entstand, in der die größte Bedrohung heranwuchs, die man sich vorstellen kann: das freie Denken!
Es isoliert sein Opfer von allem, was ihm begegnet, es unterminiert Beziehungen zwischen Eltern und Kindern, Partnern und Freunden, Verwandten und Bekannten – denn nichts ist ihm gleich. Und es wird nicht erkannt, weil jeder glaubt, es betreiben zu können, sobald er nur eine Bildung hat. Doch darin liegt der fatalste Irrtum der Zivilisation!
Wir bringen uns bei, was wir können. Jeder ist eifrig bemüht und auf Erreichtes stolz, und wenn wir einem Problem begegnen, dann denken wir … nach! Was heißen will, soll und sogar muss: Wir wälzen unseren Wissensschatz so lange hin und her, bis wir auf ein Ergebnis stoßen, das irgendwer irgendwann einmal postuliert hat. Wir selbst aber schweigen!
Nicht so die Besessenen! Ihre Seelen, respektive das, was ihre Seelen erfüllt – die Besessenheit – betrachten die Situationen so lange aus ganz speziellen Blickwinkeln, bis sie eine Erkenntnis erleben. Diese ist meist völlig neu und stimmt eher selten mit erlernten Lösungen überein. Denn Nach-Denken ist nicht gleich Denken!
So es uns vergönnt ist, einen Beruf auszuüben, für den wir das geeignet scheinende Werkzeug zu gebrauchen studiert haben, dürfen wir uns glücklich schätzen, doch in Sicherheit sollten wir uns deshalb noch lange nicht wähnen. Denn das Werkzeug ist nur ein Grundstock, der keinesfalls eine Seele beherrschen und schon gar nicht ausfüllen sollte.
Das sollte die Besessenheit tun! Sie alleine macht schließlich frei, wenn wir sie einmal mit den Fesseln vergleichen, die Trends auf uns ausüben. Warum das so ist, können wir am eindrucksvollsten bei der Partnersuche feststellen, wo der Durchschnittsmensch meistens die größten intellektuellen Leistungen seines gesamten Lebens vollbringt …
Beobachten wir den Durchschnittsmenschen einmal dabei! Was tut er? Na, er geht auf den anderen ein, ganz speziell und ganz egal, was man ihm vorher gesagt hat. Seine Besessenheit überwiegt alle anderen Einflüsse! Er muss die reine Wahrheit erfahren: den Akt der Vereinigung. Dafür ist er bereit, alle Regeln über Bord zu werfen, denn allein das Ergebnis zählt!
Ebenso sollten wir die Wahrheit lieben, uns ihr, aus ureigenem Antrieb, immer wieder nähern, so lange bis sie auf- und sich zu erkennen gibt. Das ist kein so langweiliges Unterfangen wie die Aufnahme leblosen Lehrstoffs, das ist das Leben selbst! Es kommt aus dem Inneren und es möchte erfahren werden! Daß dies der pure Wahnsinn ist, wenn man in einer maroden Gesellschaft überleben möchte, weiß ich auch …

Der beginnende Wahnsinn in 365 Schritten / 294. Schritt

© Alf Glocker


© Alf Glocker


2 Lesern gefällt dieser Text.


Unregistrierter Besucher

Diesen Text als PDF downloaden




Kommentare zu "Der beginnende Wahnsinn in 365 Schritten / 294. Schritt"

Re: Der beginnende Wahnsinn in 365 Schritten / 294. Schritt

Autor: Sonja Soller   Datum: 26.07.2022 15:12 Uhr

Kommentar: Sehr interessant zu lesen, lieber Alf,
das Meiste, was einem in der Schulzeit vermittelt werden sollte, geht irgendwann
unterwegs im Leben verloren. Selbsterfahrene Erlebnisse und Erkenntnisse, die man in seinem Leben erlangt und erworben hat, weisen uns den Weg, und Wahrheiten, Wahrheiten gibt es nicht nur eine......Meine Meinung!
Gerne gelesen!!
Wieder gekonnt geschrieben!!

Herzliche Grüße aus dem wahnsinnigen Norden, Sonja:-)

Re: Der beginnende Wahnsinn in 365 Schritten / 294. Schritt

Autor: Alf Glocker   Datum: 26.07.2022 17:37 Uhr

Kommentar: Vielen Dank liebe Sonja

Herzl Grü aus dem wahnsinnigen Süden
Alf

Kommentar schreiben zu "Der beginnende Wahnsinn in 365 Schritten / 294. Schritt"

Möchten Sie dem Autor einen Kommentar hinterlassen? Dann Loggen Sie sich ein oder Registrieren Sie sich in unserem Netzwerk.