Das ganze Leben ist … ja, was ist es denn? Wenn man das doch nur wüsste … Weil wir es eben nicht wissen, interpretieren wir es gewissermaßen „meistbietend“. Jeder redet seinen Plumpaquatsch in die Nacht und wer am meisten beklatscht wird, der darf sich „brav“ nennen, denn er hat es gut gemacht – jedenfalls sieht es für die anderen so aus. Aus diesem kühlen Grunde ist unser Sein eine einzige Realitätsdeutungsgeschichte! Aber nicht jedem fällt es leicht, einfach so vor sich hin zu deuten. Manchen Leuten (um nicht „Menschen“ sagen zu müssen) fällt es unheimlich schwer, da sie sich äußerst selten ganz sicher sind, daß das eben Gedachte, Gehörte, Gesehene auch wirklich auf Tatsachen beruht. Ich zum Beispiel! Dann glaube ich manchmal, ich träume …

Als mich heute Morgen das Herz meiner Lebensuhr – Unruh genannt – weckte und ich mich umsah, fühlte ich mich eingesperrt. Ich wurde unruhig. Mich umgab der Müllsack der Welt. Imaginäre Müllmänner standen herum. „Das Wandern ist der Müll-ers Lust, Dideldum!“ Dumm, dumm, didel und dumm, alles kommt (r)um. „Mach dich nur krumm“, didelt es dumm. Der Schrecken folgt dem Grausen auf dem Fuß, dem linken, mit dem ich heute aufgestanden, nicht auferstanden bin. Denn in Wirklichkeit schwelge ich noch durch die Dunkelheit. Die Dunkelheit aus dem Schwarzlicht der Schäume. Und aus meinem letzten Alptraum tönt düster die Stimme des Monsters, dem ich knapp entkommen war. Monströs stand es am Ende eines langen Tunnels, den es „Tag“ nannte, der für mich jedoch bloß wie eine tiefe, schmutzige Nacht aussah.

„Hundsfott!“, rief es mir nach, „hör auf zu salbadern, bekenne dich zu deinem Tort, lass dich vergehen wie einen Schwank, wie eine Blase aus dem Stoff der selbstständigen Zerstörung im höheren Lob der blasphemischen Allgemeinheit.“ Gemeinheit!
Ich ging gemach ins Gemach. Gemächlich betrachtete ich mein Gemächt. Wie überflüssig, dachte ich, versunken in der Betrachtung des Betrachtbaren. Wobei das Nichtbetrachtbare, Hintergründige, das Sinnhafte im Unsinn, verborgen blieb. Denn meine Sinne taugen für den Sinn, nicht für den Unsinn, aber das ist eine Frage der Betrachtung des Standpunktes, hier vor meinem Bett im Müllsack der Welt. Dabei trachte ich nach der Tracht trächtiger Niedertracht, denn in dieser spielen die Spieler das Spiel der Spiele. Spielsucht!

Versonnen gehe ich direkt von meinem Bett aus im Nachthemd zum Waldrand. Dort wächst der Knöterich. In Stauden und Schlingen wird er mir bringen, was duftet und flieht. „Sieh nur, er kniet!“, schreit das Alptraummonster, das mir, wider Erwarten, nun doch in die Dimensionen der tausendfachen Realität gefolgt ist. Hinter jedem Baum, den ich vor lauter Wald nicht sehe, leuchtet sein Schatten grellbunt, unwirklich wirklich, eingestreut in die Halluzination meines Wachzustandes. Und wirklich: Ich knie – verzaubert, verhext, berauscht von meinen Sinnen im Unsinn. Dann greife ich nach dem Ubongo, meinem Spezial-Instrument. Ich beseitige es von der Stelle vor meinem Kopf, wo sonst nur ein Brett ist. Ich nehme es andächtig zur Hand. Es klingt, ganz im Geheimen, wie eine gedankliche Laute, total leise. Es verselbstständigt sich als Verfahrensweise, zeigt Regeln auf, offenbart sich als Gelegenheit, abstrakt in den Müll einzugreifen. Das ist preisverdächtig! Es senkt und hebt meinen Umsatz nichtiger Nichtigkeiten durch logische Verlorenheit in kaum nachvollziehbaren Strukturen, der Uhren, der Unruh, in der Unruhe langeweilevermeidender Tatkraft, im Schein nächtlicher Tage mit Brautkleid und Blaukraut.

Fritzens Fische erscheinen schwülstig am Horizont meiner Gemächlichkeit, doch sie entglitschen mir schräg in die Unerträglichkeit eines endlichen Seins. Tick, tick, tick, ich sage nicht den wirklichen Namen dieses Phänomens (auch Holzwurm genannt), doch ich sage: Es ist gegenwärtig. Überall, in der Spielsucht, im Müllsack, im Dideldum, es begleitet den Hundsfott, es salbadert in Schulen und anderen Sammelstätten der geistigen Unzucht, es waltet im Knöt- und jedem anderen Erich, es besitzt ein Ubongo, es folgt dir in jedes Gemach und es heißt am Schluss wie du und das Nichts! Gottseibeiuns.

Der beginnende Wahnsinn in 365 Schritten / 291. Schritt

© Alf Glocker


© Alf Glocker


3 Lesern gefällt dieser Text.



Unregistrierter Besucher

Diesen Text als PDF downloaden




Kommentare zu "Der beginnende Wahnsinn in 365 Schritten / 291. Schritt"

Es sind noch keine Kommentare vorhanden

Kommentar schreiben zu "Der beginnende Wahnsinn in 365 Schritten / 291. Schritt"

Möchten Sie dem Autor einen Kommentar hinterlassen? Dann Loggen Sie sich ein oder Registrieren Sie sich in unserem Netzwerk.