Gestern als ich noch ganz jung war, habe ich gegen das Unrecht „angeschlafen.“. Das erschien mir leicht wie der Wind, aber es zeigte sich schwer wie Blei...obwohl es die einzig gangbare Methode war. Zuerst habe ich natürlich probiert mich zu wehren...

Ich versuchte fleißig zu sein! Nach meiner Ausbildung zum Bildhauer blieb ich ein kleiner Junge: Ich bekam kein Geld! Weil ich kein Geld bekam konnte ich nicht ausgehen, denn „Bildhauer sein ist alles“ meinte meine Familie. Dafür sollte ich eines Tages Haus und Betrieb bekommen. Der Rest ergäbe sich von selber, meinte meine Familie. Ich dachte mir „Warum nicht?!“, denn die Leute glaubten an Gott und ich glaubte an die Familie – alle waren so schrecklich talentiert und klug! Da musste ich mich praktisch geirrt haben, wenn ich anders dachte als sie.

Dieser Zustand trieb sich selbst auf die Spitze, indem es – begriff ich plötzlich – noch nie gereicht hatte, daß ich fleißig war. Als noch wichtiger erwies sich, daß ich mich unterordnen sollte! Ich durfte nichts gegen den Glauben sagen, denn meine Eltern bildhauerten und malten nur Heilige, nur Blumen, nur „schöne Dinge“, wie sie sagten. Ich dachte an Sünden und wollte sie darstellen: Dämonen als Wasserspeier, tanzende Frauen, oder abstrakte Strukturen die scheinbar alles sein konnten. Aber mein Alles war genau ihr nichts! Deshalb hatte ich auf einmal Mädchenverbot!

„Wo gehst du hin, wo kommst du her? Hast du wen geschwängert? Dir ist doch alles zuzutrauen!“ Da war ich Zwanzig! Ich konnte nicht mehr zurück, etwas anderes lernen oder studieren, denn ich war inzwischen gläubig geworden...ich glaubte völlig dumm und verworfen zu sein. Nun galt ich als schwul und weil man meine Phantasien nicht verstand meinten alle ich sei rauschgiftsüchtig (ohne Geld). Wahrscheinlich beschaffte ich mir den Stoff durch kriminelle Handlungen... Ich wusste es nicht – aber „sie“ wussten alles besser über mich als ich selbst. Sogar der Pfarrer kam ins Haus um mir zu „helfen“... Das war ganz und gar nicht mehr lustig.

Da beschloss ich die Traumwelt zu fragen. Zu der Zeit habe ich viel über Psychologie gelesen und hoffte auf diese Weise gewissermaßen hellsichtig zu werden. Ich studierte die Bedeutung der Träume und erwartete durch sie eine Türe in die Zukunft, hinter der ich erkennen könne was morgen Sache ist. Dabei hielt mich ein kurioser Glaube aufrecht: Der Glaube an mich selbst. Er war völlig grundlos, denn wie sollte ich mich aus meiner prekären Situation befreien?! Mittlerweile wusste ich nicht mehr wie man auf Leute zugeht – vor allem nicht was Frauen sind. Kaspar Hauser schrieb meine Liebesbriefe, die ich verbrennen musste um nicht verfolgt zu werden.

Auf meinen Traumreisen begegneten mir Geister und Vampire, Verstorbene und Ungeborene, Außerirdische und Stimmen aus meinem Inneren, die mit der Zeit immer lauter wurden. Nebenbei stellte ich die Arbeit an gotischen Marien, Barocken Jesussen und reich verzierten Portalen fast vollständig ein. Die Traumwelt war groß und unerreichbar für die bösen Götter der Welt und ihre geheiligten Vollstrecker. Dann, endlich begegnete ich dem Teufel und alles ward gut! Mein Vater starb aus Kummer über den missratenen Sohn kläglich. Die alte Welt stürzte in sich zusammen.

Ich war frei, hatte plötzlich eine Freundin (die Außerirdischen hatten sie mir besorgt) und ich dachte alles zu schaffen was jetzt auf mich zukommen sollte. Wieder war ich fleißig, wenn auch auf einem ganz anderen Gebiet und wieder betrogen mich die „Klugen Erwachsenen“ um meinen Lohn! Dann lachten sie über alles was ich sagte, doch meine Freundin half mir sexuell über die Klippen des Daseins hinweg. Ich glaubte wieder an die Gerechtigkeit des Schicksals und hoffte auf eine, auch mir gut erscheinende Zukunft. Das war natürlich fatal!

Dann verfolgte ich die Mechanismen der Zeit! Schnell merkte ich worauf es ankam als ich wieder künstlerisch tätig wurde. Da ich eigentlich „alles“ konnte erwartete ich den baldigen Erfolg. Doch irgendwie war alles beim Alten geblieben: Die anderen folgten ihren Vorgaben und ich machte auf Rebell! Allerdings werden Rebellen ohne mächtige Freunde nicht einmal erschossen, sondern einfach ignoriert! Das ist die wirksamste Waffe... Erneut fing Kaspar Hauser an für mich Briefe zu schreiben, denn ich bekam kein Geld und wurde verachtet...nicht von allen aber von allen Angepassten. Das „ermüdete“ mich umgehend!

Heute denke ich daran wieder zu meinen geliebten Dämonen, Vampiren und vor allem zu den Außerirdischen, zu den Geistern der Verstorbenen und denen der Ungeborenen zurückzukehren, um gegen das Unrecht anzuschlafen. Ich hoffe auf schöne Träume.

Outing Nr. 2

© Alf Glocker


© Alf Glocker


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Kommentare zu "Outing Nr. 2"

Re: Outing Nr. 2

Autor: Sonja Soller   Datum: 18.05.2022 11:06 Uhr

Kommentar: Auch wenn diese Vergangenheit schon länger zurückliegt, sie begleitet einen ein ganzes Leben.
Du hast deine Vergangenheit bildhaft beschrieben, doch irgendwann hat man sein Leben stückweit auch selber in der Hand.
Ich wünsche dir schöne Träume, und nicht nur Träume!! :-)

Das Bild großartig, passend zum Text!!!

Herzliche Morgengrüße aus dem mitfühlenden Norden, Sonja

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