Woher meine Lebenslust kommt, das ist auch für mich ein Mysterium. Es müssen uralte Quellen sein, aus denen die Seele trinkt, um jeden Tag durchstehen zu wollen. Vermutlich sind es die Quellen des Blutes, die alles umspülen, was in uns ist. Ebenfalls die Wurzeln des Fleisches, die man mit einem Wort trefflich umschreiben kann – es handelt sich um das „Volk“.

Wer oder was ist das Volk? Es ist da, es bewirkt nichts, es arbeitet, es hofft und es lässt es sich gehen! Wie, das bestimmt jemand anderes. Doch was wollte das Volk bestimmen, wo es einfach nur da ist?! Seine Interessen beziehen sich auf sich selbst. Die Männer denken an Frauen, die Frauen denken an Kinder, alle zusammen denken an nichts Böses. Außer, man sagte dem Volk, daß, was es denkt, böse sei – oder nicht böse. Je nach Ära. Das Volk selbst kann für nichts was.

Man schickt es in den Frieden, oft genug in den Krieg, den das Volk nicht begann, aber durchmachen muss, als sei er wie eine Jahreszeit, wie ein Sturm, eine Überschwemmung und dergleichen. Das Volk fügt sich in seine Notwendigkeiten! Die Notwendigkeiten kommen auf das Volk zu, und mancher aus dem Volk glaubt daran, er hätte seinen ganz speziellen Anteil an der Entwicklung gehabt!

So besteht das Volk aus Helden. Aus den Helden der Arbeit, der Liebe, aus den Helden, die von den Schlachtfeldern kommen oder dort bleiben, wo sie dem Volk gedient haben oder denen, die vorgaben, dem Volk zu dienen. Doch auch die dienten irgendwem – und wäre es nur der Dienst an einem Gott gewesen. Richtig ist und war jedenfalls, daß jeder an etwas glaubt, von dem er glaubt, daß es den Glauben wert sei, den er nicht an sich, sondern an etwas verschwendet, das wichtiger ist als irgendwas sonst.

Wichtiger als das Volk, wichtiger als das Recht, wichtiger als alle Werte der Welt zusammengenommen. Und irgendwer dreht am Rad der Zeit, auf dessen unzähligen Tafeln, wie in einem Programmheft, verzeichnet steht, was es gerade zu erleben gibt.

Das Volk ist dabei, es stellt die Komparsen, es stirbt mit den Mächtigen und gebiert oder zeugt das Neue, stolz auf die Elternschaft kommender Verhaltensnormen. Es erlebt den Wohlstand der Schöpfung und darbt in den Naturgesetzen, wenn es grade mal nicht meint, es kreiere sie selbst, die Richtlinien, nach denen sich alles Zukünftige anbahnt, um durch das Volk Ausdruck zu finden!

Und überall herrscht die Bewusstlosigkeit, das Desinteresse am eigenen Schicksal, welches wiederum seinen Ausdruck in der Kulturlosigkeit des nicht Bedachten findet. So schreiten die Epochen voran! Niemand muss dabei Dinge beachten, mit denen er für sich nichts anzufangen weiß. Wichtig ist einzig der Fortbestand – außer man hat ihn ausgeredet bekommen. Doch normalerweise ist das Volk existent, ohne etwas bewirken zu wollen, zu können, denn sein Horizont reicht über den eigenen Tellerrand höchstens noch bis zur Arbeit und von dort aus ins Bett.

Das sind die Errungenschaften des Volkes. Das ist begreifbar, das entzieht sich nicht der Erkenntnis des Existierenden. Und wenn nicht gerade von irgendwoher eine Menge Perlen vor die Säue geworfen werden, dann lebt das Volk in seinem Frieden so lange dahin, bis wieder aggressiv Bewegung in sein Dasein kommt, damit es umgerührt werde in seiner heiteren Melancholie, deren einfache Antriebe für eine endlose Fortsetzung sorgen.

Der beginnende Wahnsinn in 365 Schritten / 248. Schritt

© Alf Glocker


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Kommentare zu "Der beginnende Wahnsinn in 365 Schritten / 248. Schritt"

Re: Der beginnende Wahnsinn in 365 Schritten / 248. Schritt

Autor: Wolfgang Sonntag   Datum: 03.05.2022 10:52 Uhr

Kommentar: Ja, lieber Alf,
Text und Bild wieder beeindruckend.
Liebe Grüße Wolfgang

Re: Der beginnende Wahnsinn in 365 Schritten / 248. Schritt

Autor: Alf Glocker   Datum: 03.05.2022 13:59 Uhr

Kommentar: Ich bedanke mich herzlich

Liebe Grüße
Alf

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