Der bestimmende Antrieb unserer Seelen besteht aus etwas Seltsamem. Es bewegt sich nicht, es wird bewegt, es bewegt sich doch, hoffend verloren in einem Gesamtbetrieb aus exponentiell ansteigenden Irrtümern und es zweifelt ungern am Sein, wodurch es der Verzweiflung anheimgegeben ist!

Es handelt sich um das Warten! In der ungewissen Gewissheit, es käme, wie es kommen muss, erscheinen die sich ergebenden Werte aus allen Logikübungen der Welt real und damit unausweichlich. Die Vorstellungskraft übertrifft dabei selten das Fortschreiten der Entwicklungen. Die meisten Gedankenkreise befassen sich nur mit der Gegenwart – und die gilt es auszuhalten!

Sie ist wie ein Nest, in dem man es sich gemütlich machen will, doch nicht soll und erst recht nicht kann, weil immer ein Malstrom alles mit sich reißt, in die Tiefen der Unvernunft! Das Warten schafft uns den Raum für Genüsse. Und darüber wacht ein Gott. Es ist der Gott kollektiver Zerwürfnisse!

Wer macht ihm die dringend benötigte Konkurrenz? Der Geist? Er findet sich unter den Seifenblasen der Vergänglichkeit nicht zurecht, er wird irritiert durch das unablässige Wachstum am Blasenbaum und er ist völlig verängstigt, durch die hohe Wahrscheinlichkeit, daß er platzen könnte, bevor er geschillert hat.

Das Warten hingegen regelt alles! Man muss nur erdulden, oder auch klug daherreden, warum das Kommende immer gut verträglich sein wird, denn „es geht immer irgendwie weiter“. Das kann wenigstens kein Irrtum sein. Das Universum dehnt sich aus, die Arten entstehen und vergehen – wie, ist den meisten völlig egal.
Wer Weltmeister im Abwarten wird, stellt sich auf alle Fälle heraus, da beißt die Maus keinen Faden ab – sie erhängt sich mit ihm! Abwarten ist weise! Man kann sich längere Zeit nichts dabei brechen, kein Bein und keinen Zacken aus der Krone. Nur wenn das Abgewartete eintrifft, dann muss man halt gleichgültig zum Galgen gehen.

So ist das Abwarten zu einer Disziplin geworden, der sich lediglich die wirklich starken Charaktere zu stellen wagen. Die überwältigende Mehrheit der Realisten zeichnet sich jedoch geradezu vorbildlich darin aus, so lange abzuwarten, bis die hinweggeschwätzten Ereignisse endlich eingetreten sind. Denn dann, wenn plötzlich alles ganz anders sichtbar vor Augen steht, ergibt sich eine völlig neuartige Chance zum Überleben!

Anschließend sieht man sich vor keine Alternativen mehr gestellt und man kann sich, so es einen überhaupt noch gibt, freudig einreihen und seiner Lieblingsbeschäftigung frönen: dem Abwarten.

Falls man Glück hat, ist man in der Lage, einen Nachwuchs hervorzubringen, der von den neuen Umständen nicht abgestoßen, sondern akzeptiert wird.
Die äußeren Umstände aber dürfen keine Rolle spielen. Ob es sich nun um einen Auf- oder Abschwung handelt, ist zweitrangig! Von Wichtigkeit ist es ausschließlich, da zu sein. Alles Weitere wird sich in der Folge schon durch intelligentes Abwarten ergeben …

Der beginnende Wahnsinn in 365 Schritten 238. Schritt

© Alf Glocker


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Kommentare zu "Der beginnende Wahnsinn in 365 Schritten 238. Schritt"

Re: Der beginnende Wahnsinn in 365 Schritten 238. Schritt

Autor: Wolfgang Sonntag   Datum: 16.04.2022 10:06 Uhr

Kommentar: Lieber Alf,
sehnsüchtig warte ich täglich auf deinen beginnenden Wahnsinn und denke, was hat er noch alles auf Lager. Gern gelesen.
Liebe Grüße Wolfgang

Re: Der beginnende Wahnsinn in 365 Schritten 238. Schritt

Autor: Alf Glocker   Datum: 16.04.2022 11:09 Uhr

Kommentar: Das freut mich sehr lieber Wolfgang!

Liebe Grüße
Alf

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