Ebenso, wie sich die Ratlosigkeit im luftleeren Raum ausdehnt, dehnt sich auch die Clique der Ratgebenden aus, denn der Mensch ist ein Fabeltier! Er hat Haare auf den Zähnen und eine derart undichte Ansammlung von Quatschzellen im Kopf, daß es ihm immer wieder leicht erscheint, sich selber zu helfen.
Seine Interpretationen der Surrealität haben Dauersaison! Kaum wird er eines Ereignisses gegenwärtig, schon hat er es untersucht und für seine Zwecke umgedeutet. Seltsame Ketten konstruierter Kausalitäten entstehen, die so lange verunstaltet werden, bis sie problemlos ins Bild passen. Die Betonung liegt dabei tatsächlich auf „problemlos“.
Denn alles ist machbar! „Ein erkanntes Problem ist kein Problem“, tönt der Mensch „weise“ in seine völlig verdutzte Lebenslandschaft hinein, wobei es für ihn keine besondere Rolle spielt, als was das Problem erkannt wurde. Die Nornen jedenfalls würden sich totlachen, wenn sie nicht unsterblich wären, und das Universum würde sich nicht nur ausdehnen, sondern konvulsivisch zucken wie ein Zwerchfell unter der höchstmöglichen Reiz-Belastung.
Denn in der wirklichsten aller Wirklichkeiten hat sich ja nichts verändert! Das Erlebte wurde vorgefunden und es ist gleichgeblieben! Und noch witziger: Kein Mensch hat ein vitales Interesse daran, daß es sich verändert! Jeder behauptet lediglich, die Wahrheit erkannt zu haben! Und da ein erkanntes Problem keines mehr … usw.
Das Prinzip „Hoffnung“ erscheint, die Wirklichkeit froh ersetzend, und die Quatschzellen können sich wieder einmal bestätigt fühlen! Der Verstand hat also gesiegt, könnte man sagen. Wer einen siegenden Verstand besitzt, der kann auf Wunder leicht verzichten – wird behauptet. Aber genau ein solches wäre nötig, um ein Problem auch tatsächlich zu beseitigen und nicht nur zum Schein!
In diesem Fall würden überall Rufe nach einem großen Schamanen erschallen, einem, der in der Lage ist, die Realität in der Tat real zu verändern. Naturvölker glauben, daß es solche Leute gibt; zivilisiertere Zeitgenossen erwarten einen/den Messias, der sie von allen Schmerzen heilt; undefinierbare Traumtänzer meinen, ein Prophet reiche bereits, weil der Glaube allein über alles hinwegtröstet; und unverbesserliche Technikfreaks lösen, was sie lösen können, den ganzen Rest schleppen sie zur Therapie, wo ihnen ein Hilfsschamane weismachen will, daß der ungelöste Rest gar nicht wirklich existiert.
Wie wir es also anstellen – wir leben so oder so in der Einbildung! Das ist nicht allein unser vordringlichstes Anliegen, sondern zudem ein Resultat der Angst – außer man ist ein Tier! Wer die Einbildung zum Instrument macht, mit dessen Hilfe er eines Tages nicht bloß die Surrealität scheinbar, sondern die Wirklichkeit tatsächlich verändern kann, der ist der Held des Tages!
Mit anderen Worten: Wir brauchen Kraft! Nicht nur die Kraft zu vergessen, damit wir Trost erhalten, nicht nur die Kraft, das zu ertragen, was wir erleben müssen, wir brauchen die Kraft, Bilder zu verändern, die uns verändern wollen. Bisher haben uns die Bilder dessen, was man „Zeitablauf“ nennt, in allen Bereichen verändert. Wir wurden zutiefst berührt – in Lust und Schmerzen, in Glück und Unglück, in Zufall und Wegfall. Nun ändern wir selbst!
Wir suchen und finden uns in den Tiefen des Seins, wir halten uns fest und wir grenzen uns aus – aus dem realen Wahnsinn. Wir wenden uns von uns ab, ohne uns aus den Augen zu verlieren, und wir streben zum Licht! Es liegt mitten in der Ratlosigkeit, es dehnt sich aus mit dem luftleeren Raum, aber es gehört uns allein! Somit haben wir zumindest für uns klar erkannt, daß eine wirkliche Prob-lemlösung einzig über eine Veränderung der allgemeinen Umstände stattfinden kann, und das hat uns eine unverfälschte Sicht auf die Dinge ermöglicht, mit deren Hilfe wir jetzt darangehen können, die Umstände – soweit es in unserer Macht liegt – zu verändern.
Inwieweit das geht, hängt davon ab, wie sehr sich alle anderen Lebensteilnehmer mit verändern wollen – oder nicht. Jedes weitere Verharren in von speziellen Ratgebern empfohlenen Strukturen ist gefährlich und kann den Niedergang ganzer Kulturen bewirken! Dies allein ist jedoch bereits ein triftiger Grund, nicht von sich und seinem Scheitern abzulassen und es zu schildern wo es nur geht, denn ohne schlüssige Beispiele ist die Welt nicht denkfähig! Und allein das Abliefern schlüssiger Beispiele ist der real gelebte Optimismus – nichts sonst!
Kommentar:Lieber Alf,
Text gern gelesen. Die Skulptur auf deinem Bild ist verrückt wie der Schildkrötenmann in Malcesine / Lago di Garda.
Liebe Grüße Wolfgang
Re: Der beginnende Wahnsinn in 365 Schritten 232. Schritt
Nicht nur den Vögeln allein
dürstet es nach Frühlingswarmen Sonnenschein.
Auch wir Menschen wollen nach so finsteren Tagen
endlich wieder luftig bunte Kleider tragen.
Im Haus der anderen Gedankenwelt
Tränen verlassen mein Gesicht.
Ein Tribut für die Welt, für die Schmerzen und das Leid, die sie verursacht.
Doch Tränen vertrocknen und ihre Salze würzen [ ... ]
Ich will
Dich in den Arm nehmen.
Und
Dir deinen Schmerz nehmen.
Kann ich nicht,
Weiß ich.
Auch,
Weil ich selbst genug habe.
Weißt du eigentlich,
Was du mir [ ... ]