Eine Fabel aus dem Bereich der Wild- und Nutztiere  (die gerne unschuldig bleiben möchte)

© Alf Glocker

Gefährlich ist‘s, die Kuh zu wecken,
gefährlicher ist des Hasen Zahn,
doch der schrecklichste der Schrecken,
das ist das Lamm in seinem Wahn!

„Wehret der Gemeinschaft der Lämmer, sie tarnen sich mit harmlosen Worten, die hochbrisant sind, denn sie ermuntern die Hasen aufsässig gegenüber den Füchsen und Wölfen zu werden“, tönen die Experten für Fackerbau und Unzucht.

Ja, man darf sich einfach nicht täuschen lassen. Es gibt nichts Unberechenbareres als eine dumme Kuh, einen aggressiv-verstörten Hasen, oder ein wutentbranntes Opferlamm, das sich, in Todesverachtung, auf seine Schlächter stürzt.

Die Wölfe heulen schon nachts voller Angst den Mond an! Sie melden lautstark ernste Bedenken, die Schafe könnten eines Tages, völlig unvermittelt, aus ihrem Pferch ausbrechen um rücksichtslos über sie herzufallen. Auch die Bären drängen sich ängstlich zusammen und fragen sich gegenseitig schüchtern aus, ob einer von ihnen, bei seinem Streifzug vielleicht ein Kaninchen gesehen hat, oder ob sich womöglich irgendwo blutrünstige Hasen zusammenrotten.

Bei dem Pack kann man ja nie wissen. Man erzählt sich – in Bärenhöhlen (bei den Höhlenbären), wie auch in den Wolfsrudeln – Schauergeschichten aus früheren Zeiten, wo es angeblich 5 Meter große Raubhasen gegeben haben soll und die Lämmer ihre Wolle nicht mehr hergeben wollten…

Die Schäfer prügeln deshalb schon einmal vorbeugend auf ihre Herden ein, damit sich keines von den widerborstigen Einzelindividuen verirrt und auf dumme Ideen kommt. Die Hunde sind angewiesen sofort zuzubeißen, wenn eins ausbüchsen möchte. Und sobald auch nur ein Schaf einen Ansatz von Wolle zeigt, wird es sofort kahlgeschoren, damit es sich nicht auf einmal einbildet, man könne es, ohne Repressalien, warm und kuschelig im eigenen Pelz haben.

Fachwächter achten streng darauf, daß kein allzu großer Wollstand aufkommen kann. Ganz nebenbei ist die Jagdsaison auf Rotkäppchen eröffnet. Streunende Wölfe werden von den Förstern ermutigt, gelegentlich kleine Mädchen zu reißen, bevor sie ihnen ihre Körbchen geben können. So versucht man das Vertrauen der ehemals wilden Tiere wieder herzustellen, welches arg, durch vereinzelte Blök-Konzerte größenwahnsinniger Wolllieferanten erschüttert worden ist.

Esel können gerade noch geduldet werden, zumindest solange sie immer schön „Iiijjahh, iiijjahh“ sagen, aber bei Hamstern müsse man bereits sehr vorsichtig sein, da sie sich nun schon viele Jahrzehnte anmaßen die Welt ausbeuten zu müssen, um selbst dicke Backen zu kriegen. Das ist jedenfalls aus den „zuständigen Stellen“ zu hören.

Die internationale Vereinigung offiziell seelisch arg geknickter Raubtiere bemüht sich sehr, wieder mehr Gewicht in den Gremien zur Verwaltung der Erde zu bekommen. Kürzlich konnten sie sogar durchsetzen, daß die Bezeichnung „Raubtier“ ganz aus der Liste verwendbarer Worte, aus dem allgemeinen Sprachgebrauch, gestrichen wurde. In Zukunft darf man demnach nur noch „Lebewesen“ sagen…

„Auch Wildschweine sind >Lebewesen<“, betonte unlängst ein privilegiertere Delegierter vor der U.N.H.O.L.D.*-Vollversammlung und erntete sogleich stehende Ovationen – die besorgten Blicke der Vertreter aus Schafsland, Hasanien und dem Vereinigten Hamsterreich, einmal beiseitegelassen. Denn inzwischen wird die überwiegende Mehrheit der „Allgemeinen Zonen“ nämlich von – ehemals als „heimtückische Räuber“ bezeichneten – Zweigen der Evolution gebildet, die durch den unerschütterlichen Willen zur Vorherrschaft auffallen, respektive dadurch einen sehr guten Eindruck machen. Wie man es halt betrachten mag.

Geht also in euch, ihr Kirchenmäuse – Luchse haben halt auch Hunger und vor euren Mauern, die ihr, jahrhundertelang, in Armut, verteidigt habt, um die Ratten unter euch kräftig werden zu lassen, wartet eine Unmenge „Lebewesen“, die an eurer Pracht teilhaben wollen…

Seht die Welt mit anderen Augen,
lasst euch nicht von Mardern stören,
ihr könnt nur als Opfer taugen,
und sollt stets auf Befehle hören.

*Unglaublich „Normal“ heißende Organisation leidgeprüfter Dumpfbacken


© Alf Glocker


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Kommentare zu "Eine Fabel aus dem Bereich der Wild- und Nutztiere (die gerne unschuldig bleiben möchte)"

Re: Eine Fabel aus dem Bereich der Wild- und Nutztiere (die gerne unschuldig bleiben möchte)

Autor: possum   Datum: 26.08.2019 1:07 Uhr

Kommentar: Also lieber Alf,
auch deine Gemälde oder sonstige Kunstwerke
eine Augenweide ...
Dank und lieben Gruß!

Re: Eine Fabel aus dem Bereich der Wild- und Nutztiere (die gerne unschuldig bleiben möchte)

Autor: Alf Glocker   Datum: 26.08.2019 7:09 Uhr

Kommentar: Vielen Dank liebe Possum!

Liebe rüße
Alf

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