Was leg ich mir über? Was lasse ich aus? Bin ich der Faden, bin ich die Maus? Als Faden werde ich nicht abgebissen, bin aber auch nichts Besonderes, als Maus kann ich mich unter die Unfähigen einreihen, die keinen Faden abbeißen können. Nichts täuscht über meine Verlegenheit hinweg – auch nicht die Ewigkeit, in der ich mich, von mir aus gesehen, befinde. Ich habe die Erde nicht von meinen Eltern geerbt und ich gebe sie auch nicht an meine Kinder weiter. Sie ist für mich alles – nicht mehr und nicht weniger!

Aus meiner Sicht tue ich fortwährend Gutes, indem ich sage: „Etwas, das mir jetzt gefällt, weil es das Ideal meiner Kindertage darstellt, muss gut genug für alle Zeiten sein!“. Und ich höre doch nicht nur die Glocken so gerne, und ich sehe doch so gerne überall ehrliche Menschen mit offenen Gesichtern um mich herum…aber ich räume den anderen, die anders sind, den Viren (wenn ihr‘s genau wissen wollt) jede nur denkbare Freiheit ein. Solange sie mir nichts tun können sie machen was sie wollen!

Das Gleiche gilt natürlich auch für die Ratten. Ich liebe Ratten – sie übertragen die Pest! Na und?! In meinem Haus möchte ich sie nicht sehen, aber in der Nachbarschaft stören sie mich keineswegs. Deshalb habe ich auch etwas gegen Rattenfänger. Sie gehören in die Luft gesprengt! Warum wollen sie die lieben Tierchen nicht füttern? Die können doch nichts dafür, daß sie Ratten sind. Ratten sind schließlich auch nur Menschen. Na gut, auf alle Fälle sind es liebenswerte Lebewesen. Also her damit!

In unserer Stadt hat alles Platz. Die Kanalisation ist doch groß genug und im Wald stehen immer noch ein paar Bäume die wir kleinhacken können, damit sie es schön warm haben. Und kleinhacken sollten wir auch unsere lästigen Vorurteile gegen Ungeziefer aller Art. Wissen wir denn ganz genau was Kakerlaken denken? Ok, in der Kakerlaken-Zeitung stand gestern: „Habt ihr die schönen Küchen, im Ortsteil Urps gesehen, die könnten wir doch auch noch befallen?!“. Aber das hat nichts zu bedeuten.

Ich gehe nur in Restaurants meines Vertrauens. Ich halte mich an die Regeln – das muss reichen. So kann ich diese Welt doch an irgendwelche Kinder übergeben…und wenn es die Kinder von Kakerlaken sind. Das macht mir doch nichts aus. Ich weiß, daß alles beim Alten bleibt – und wenn nicht hier bei uns, dann halt woanders auf der Welt. Die Saurier sind doch auch ausgestorben, warum also nicht wir?! Es ist eh alles bloß hohles Geschwätz. Und wenn einer was sagt, dann heißt das noch lange nichts.

Wie lange? Das weiß ich natürlich nicht. Das ist mir auch völlig egal. Ich trinke heute Abend ein Glas Wein und setz mich vor den Fernseher. Da frag ich nicht wer mir das erlaubt hat, oder womöglich noch wer den erfunden hat, den Fernseher. Da wär ich schön blöd! Ich lebe schließlich nur einmal – und wofür? Na, für mich natürlich, wofür denn sonst?! Also lebe ich gern, mitten in einer einfältigen Vielfalt, die gar keinen Fernseher braucht um fremde Länder zu sehen. Ich habe doch alles vor meiner Haustür!

Vom Wilden Affen gebissen bin ich nicht! Das kommt später. Da lebe ich schon lange nicht mehr…und wenn ich nicht mehr lebe, dann lebt – aus meiner Sicht – gar nichts mehr. Ist doch logisch, oder? Und da sollte ich nicht tolerant sein? Ich liebe weitläufige Straßenzüge und schöne Wohnungen! Klar, früher gab es in unserer Straße noch Bäume, dafür weniger Asseln – aber jetzt werden grade grüne Anstriche modern. Da gleicht sich alles wieder ideal aus. Und auf Partys gehe ich auch immer noch.

Gut, alles verändert sich. Man spricht kaum noch über das tatsächliche Leben miteinander. Es will keiner absichtlich auffallen. Gut, die Arbeitszeit wird immer länger und die Leute sind auch nicht mehr so gut bezahlt. Aber das hat’s immer mal wieder gegeben: kleinere Tiefpunkte in der Geschichte – den Dreißigjährigen Krieg zum Beispiel, um nur einen zu nennen. Aber dann ging es immer wieder aufwärts und die Menschen haben sich einfach gefreut am Leben zu sein. So wie ich, der aus Verlegenheit grad nicht weiß was er sich überlegen soll…am besten so wenig wie möglich!


© Alf Glocker


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Kommentare zu "Aus der Verlegenheit"

Re: Aus der Verlegenheit

Autor: possum   Datum: 16.01.2019 5:06 Uhr

Kommentar: Wie wahr lieber Alf, gerade hier in meiner Gegend ist im Moment ein riesiger Bürgeraufstand, es heißt ... wir lieben Solaranlagen sie sind gut, aber ... jetzt kommt das Aber ... nicht in unserer Straße! usw ... Lieben Gruß!

Re: Aus der Verlegenheit

Autor: Alf Glocker   Datum: 16.01.2019 6:18 Uhr

Kommentar: Harharr, genau! Alles überall, aber bitte nicht bei mir...

glG Alf

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