„Und immer siegt die Dunkelheit“, könnte man sagen, wenn man den Palast des Vergessens betritt, denn er ist voll mit glänzenden Flächen in denen wir uns und immer wieder nur uns erblicken. Man muss nur genau hinschauen und natürlich auch den Abschnitt der Zeit treffen, in dem die eigenen Spiegel hängen…davor und danach kann der Sterbliche nichts sehen, denn Augen sehen eben nicht alles!

Doch zwischen den Finsternissen sind die Lichter der Verdammnis sorgsam aneinandergereiht. Da sind sie zu sehen, die Schafskopfketten der endlosen Irrtümer, deren Überraschungen die Geschenke sind, mit denen du zurechtkommen musst, wenn du dich suchst. „Nimm doch noch dieses Fauxpas mit!“, heißt es da verführerisch, oder „Wie gefällt dir diese Blamage?!“

Und was ist, wenn du kein Ignorant bist und es dir etwas ausmacht, eins ums andere Mal das Opfer der Verschwörungen zu sein, die dir das Schicksal auf dem Silbertablett reicht?! „Härte dich ab, wenn du ein tapferer Held sein willst“, der umgeben ist von listigen Prinzessinnen, die sich einen Spaß daraus machen, dir ein Aufgabenpaket nach dem anderen zu überreichen, heißt es da.

Oder es haben dich die lüsternen Mütter und Väter aus der Ursuppe herausgesucht, damit sie wen besitzen, an dem sie sich bestätigen können, in ihrem unglaublichen Drang danach, weitere Spiegelbilder im Universum zu platzieren, in denen ein Schafskopf zu sehen ist. Und dann erst noch die Könige und die Feldherren, für die Schachfiguren halt nur Schachfiguren sind und sonst nichts.

Von den Propheten ganz zu schweigen! Ihre Kreuzwege säumen deinen Pfad durch die Mühsal irdischer Verwicklungen, damit man immer noch eins draufsetzen kann – falls es dir einmal „zu gut gehen“ sollte. Glaube an sie und die Spiegel der Begegnung mit dir selbst werden sich noch röter färben und noch sinnloser als auf den Schlachtfeldern der Evolution!

Vergiss auch nicht in die Eulenspiegel zu schauen – in die Spiegel der humorvollen Verblendungen, wo du dich tanzen siehst! Sei lustig, tapsig wie ein Bär, ungeschickt wie ein Porzellanladenelefant und stets bereit dich an der Nase herumführen zu lassen, die mit der Zeit, durch all die Lügen, mit denen du dich getröstet hast, so lang geworden ist wie Strings zwischen den Galaxien.

Lache in die Gläser der Spiegelsäle der Schlösser der Eitelkeit, oder betrachte dich, auf der Bühne eines niemals stillstehenden Lebens, im Widerschein seiner Theateraufführungen und sei entzückt von der Rolle, die du verkörpern darfst. Es wird immer die deine sein und du wirst dich niemals damit identifizieren können…es sei denn du hast so viel Einfühlungsvermögen wie ein Regenwurm.

Erinnere dich – lebe! Und pass dabei auf, daß du nicht in einem der unzähligen Universen landest, in denen alles sinnlos ist. Denn dies sind die Lebensräume der sich Breitmacher, der Sieger, der Verdränger, die, wie du, niemand anderen in ihren Spiegeln sehen wie sich selbst…die das allerdings viel besser mit sich ausmachen können, als die Besiegten, die Verdrängten, die an die Wand gedrückt wurden.

Sehr viel „Realitätssinn“ gehört dazu, sich in den Spiegeln als etwas zu entdecken, das unbestreitbar wirklich ist, also nicht angefochten werden darf, weil es sonst so sehr zu glühen anfängt, daß es kleinere Leuchtfeuer zu überstrahlen vermag. Nimm dich vor solchen „Lichtbringern“ in Acht – sie zerstören was in ihren Dunstkreis gerät und machen jeden für sich dienstbar, der sich nicht selbst zu entdecken vermag!

Und die Dunkelheit umgibt alles. Sie ist endlos, sie kennt keine Zeit, kein Universum, keine Darstellungssucht lebendiger Wesen, auf der Brettern einer Vergänglichkeit, deren Spiegelbilder nicht echt genug sind, um für sich zu stehen, als etwas das sich nicht zu beweisen braucht. Nimm dich wahr, aber glaube nicht an dich…und auch sonst keinem, daß er wirklich mit, in deinem Spiegel erscheint.

Alles ist nur eine Vision! Die aufgestellten Spiegel lenken das Licht ab, das du aussendest, weil du bist – du bekommst dich nur noch einmal hinzu: als schimmernde Erscheinung in einem Raum, der nicht wirklich vorhanden ist, dir aber den Eindruck vermittelt, du seist ein Jemand, auf den du dich verlassen kannst, da er anscheinend deutlich sichtbar seine Erfahrungen macht. Wechsle von Bild zu Bild!


© Alf Glocker


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