Meine sehr verehrten Fachleute, wir alle wissen, warum wir uns um ein sehr interessantes „Objekt“ versammelt haben, dessen Identität und Zugehörigkeit es heute zu entschlüsseln und festzulegen gilt. Wir haben es, aus dem allgemeinen Treiben, einfach mal kurz herausgenommen, will sagen „isoliert“, um es einer genaueren Betrachtung zu unterziehen – um was handelt es sich hierbei?

Wir, das sind Psychologen, Ärzte, Theologen, Philosophen, Lehrer und Politologen… müssten uns doch einen realistischen Überblick verschaffen können. Da sind wir doch einer einheitlichen Meinung – oder etwa nicht?! Also, dann gehen wir frisch ans Werk. Eine Ewigkeit werden wir nicht Zeit haben, denn dieselbe drängt irgendwie. Jedenfalls wird das überall behauptet, weshalb wir auch handeln wollen.

Vor uns steht, sagen wir mal, jemand, der durchleuchtet ist. Wir können deshalb, zumindest vorläufig – was den medizinischen Teil betrifft – sofort unzweifelhafte Thesen aufstellen. Aber wir werden ja noch sehen! Die vor uns befindliche Gestalt hat 2 Beine, zwei Arme, einen Thorax, einen Hals und einen Kopf mit zwei Augen und zwei Ohren. Sie hat einen Mund und kann, wie wir gehört haben, auch sprechen.

Nachdem Prof. Dr. Weise den Puls gemessen hat, schließen wir darauf, daß die Gestalt wohl ein Herz haben dürfte. Daß es die übrigen Organe ebenfalls besitzt, die zu derartigen Gastalten gehören, dürfen wir demzufolge getrost annehmen. Der Bewuchs des Schädels ist dicht. Viele Haare bedecken den Kopf und ebenfalls viele formieren sich, im unteren Abschnitt des Gesichts zu einem spitz auslaufenden Bart.

Dieser Umstand und die deutliche Wölbung im vorderen, oberen Teil der Hose lassen uns vermuten, daß es sich um ein männliches Exemplar handeln könnte. Wir wollen jedoch vorsichtig sein, um etwaige Befindlichkeiten nicht unnötig zu diffamieren. Unser Psychologe meint zudem, daß der Blick selbstbewusst genug ist, um einem Exemplar männlicher Prägung zugerechnet werden zu können.

Bemerkt haben wir außerdem, daß unsere Frau Dr. Dämmerlein anscheinend sehr angetan ist vom ganzen Äußeren unseres Probanden. Dr. Doff, unser Theologe meint sogar sie würde ihn ohne weiteres heiraten, oder eine Vorstufe dazu mit ihm eingehen. Frauen haben in dieser Hinsicht ja sogar einen 666sten Sinn. Und deshalb kommen wir, glaube ich, darin überein, daß es sich um einen Mann handelt.

Das gesamte Erscheinungsbild lässt überdies sehr stark vermuten, daß unser „Objekt“ einer der sehr verschiedenen Gattungen des Homo sapiens angehört, es sich folglich um einen Menschen handeln MUSS! Stellen wir also dann fest, daß wir ihm allen nötigen Respekt zu erweisen haben, auf den Vertreter einer dieser Spezies ja immer nachdrücklich hinzuweisen belieben. Somit verkünden wir: „Sei begrüßt!“

Auszuhändigen ist ihm jetzt sofort eine Lizenz zum Wasauchimmer…was Menschen halt so tun, wenn man sie lässt. Dann ist er dem Aufräumkommando zu überstellen, wo er die ganzen Berechtigungsscheine für seine weitere Zukunft erhält. Dabei handelt es sich um nichts weniger als eine komplette Rundumversorgung, inclusive Führerschein, Wohnerlaubnisbescheinigung, Bürgerschaft und Gespielin!

Dinge, die wir gar nicht erst feststellen durften, die wir, neuesten Richtlinien zufolge, auch nicht im Einzelnen beachten und/oder protokollieren sollen, sind – inoffiziell notiert – die beiden gedrehten Bockshörer auf der Stirn, der, am Steißbein beginnende Schwanz und der recht deutliche Pferdefuß, der uns als durchaus auffällige „Behinderung“ jedoch ebenfalls nicht besonders zu interessieren hat.

Frühere Generationen hätten vielleicht darauf bestanden, daß es sich, im vorliegenden Fall, um ein Exemplar aus dem Bereich „Mythologie“ handelt, aber da wir ja, meine sehr verehrten Fachleute, modern denkende und argumentierende Menschen sind, fällt diese Annahme wohl von vornherein flach! Schlagen wir uns also gegenseitig vor, den Probanden als schöne „Bereicherung“ anzusehen.


© Alf Glocker


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