Da wird gestritten, gerungen und es werden Kriege geführt. Es wird gebetet, geheuchelt, gemeuchelt, gezahlt. Manche singen, lachen, lieben, andere tun das Gegenteil. Die einen tun es mit Gewalt, die anderen vollkommen ohne. Wieder andere mit Unterdrückung und noch andere mit Liebe. Alle tun es für ihren Glauben. Und an was das auch immer ist, so ist ihnen eines gemeinsam: nämlich dass irgendwer oder irgendwas ihnen sagt, was richtig und was falsch ist. „Richtig“ führt zum Glück, „falsch“ zum Unglück. Der direkte Weg zu Himmel und Hölle. Ich bediene mich mal der christlichen Varianten, denn von diesen habe ich schon als Kind gehört. Dazwischen scheint es nichts zu geben. Zumindest nichts, mit dem sich drohen ließe. Noch niemals hat es jemanden gegeben, der die Existenz dieser Orte tatsächlich bestätigen konnte. Und selbst Menschen mit Nahtoderfahrungen haben niemals von einer Hölle gesprochen. Nicht von der, die wir uns so vorstellen.

Wir Menschen möchten gern glauben, dass es so etwas wie einen Himmel gibt.
Und auch eine Hölle, wenngleich die nur für die anderen ist. An diese Orte gelangt man nach dem Tod. Wir klammern uns verzweifelt daran, dass es danach noch etwas geben muss. Wir wünschen uns Absolution das das, was wir unser Leben lang getan haben, richtig war und das Böse, das ein anderer tat, wenigstens irgendwann bestraft wird, wennschon nicht zu Lebzeiten. Wir flehen praktisch um einen überirdischen Richter über unser Leben. Wie eine 2. Chance, weil so viele von uns nicht wirklich wissen, wozu ihr eines, kleines Leben nun gut war. Aber wenn ein Gott es für gut befindet, war es das auch. Wer an der Himmelspforte steht und eingelassen wird, hat im Leben alles richtig gemacht. Diese Möglichkeit zu haben, gibt den Menschen Bedeutung.

Ich erhebe mich nicht zum irdischen Richter. Vielleicht ist all das wahr. An was auch immer ein jeder glauben möchte – es mag alles so sein. Nur müssen wir darauf nicht bis nach unserem Tod warten. Was auch immer danach kommt, Himmel und Hölle kennen wir schon, denn da kommen wir her.
Wir brauchen dafür keine Götter. Warum berichten Menschen mit Grenzerfahrungen nicht auch mal von einer Hölle? Ich könnte böse sein und sagen: sie sind eben nicht in den Himmel gekommen, sondern in die Hölle geschickt worden. Und die ist: Zurück in ihr Leben. In ihre Welt, in der furchtbare Kriege geführt werden, in der die Menschen anderen Menschen entsetzliche Dinge antun, wo gehungert und gestorben wird und man nur hilflos zusehen kann. Dorthin, wo ihr Leben bestenfalls keine Bedeutung hat.
Wir müssen leben mit unserer Hoffnung, mit Vertrauen, Liebe, Glück und ebenso mit unseren Zweifeln, mit Enttäuschung, Furcht, Verzweiflung, Wut und Hass. Mit der ganzen Bandbreite unserer Gefühle.

An was wir auch immer glauben, für einen Ort von Glück und Unglück nach dem Tode brauchen wir das jedenfalls nicht. Wir Menschen bereiten uns unsere Himmel und unsere Höllen selbst.
Solange wir leben.

Himmel und Hölle


© Verdichter


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Kommentare zu "Himmel und Hölle"

Re: Himmel und Hölle

Autor: Ikka   Datum: 15.11.2018 0:43 Uhr

Kommentar: Liebe Verdichter, ein sehr interessant zu lesender Text von dir!
"Wir Menschen bereiten uns unsere Himmel und unsere Höllen selbst."
Sehe ich auch so ...
Gruß, Ikka

Re: Himmel und Hölle

Autor: possum   Datum: 15.11.2018 0:57 Uhr

Kommentar: Hallo liebe Verdichter ein Werk, welches es klar ausdrückt unser Aller ... Sein ...
ganz großartig wie du dies verfaßt hast, gerne meine Tagespause hier verbracht, liebe Grüße!

Re: Himmel und Hölle

Autor: possum   Datum: 15.11.2018 1:00 Uhr

Kommentar: Da fällt mir noch ein eigentlich habe ich es oft gehört, dass z.B. Menschen die andere überleben sagen ... ach ihm oder ihr ist viel erspart geblieben ... glG!

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