Aus den Memoiren eines Taugenichts, der wie Gott in Frankreich leben wollte.

Erzählt wird die Geschichte in einer dreidimensionalen Projektion, die einer der 444 Räuber aus Ali Barbar erzähl.

Kulisse = Paris



Vor einer Woche traf ich Gott – in Paris (wo sonst). Und er sprach mich an…

Gott: „Hallo, werter Herr, ich bin dein Herr, kannst du mich erkennen?“

Da ich gerade aus einem Bordell kam und noch reichlich verwirrt war, weil man dort versucht hatte, mir einen Mann als Frau unterzujubeln, erkannte ich Gott nicht sofort, denn er hatte sich als Frau verkleidet…

Ich: „Oh Gott, was ist denn dassss?“

Doppelt überrascht war ich, denn wozu sprach er mich an?

Gott: „Du bist mein Sohn, während ich gleichzeitig deine Mutter und dein Vater bin, denn du bist meine Kopfgeburt!“

Ich: „Oh Himmel, was muss ich hier erfahren?!
Nach so viel Erdenjahren
bin ich darauf nicht vorbereitet,
daß sich mein Horizont erweitet“:

„R“ sagte Gott, „RRRR“ und noch einmal „RRRRR!“ Du hast das „Err“ vergessen. Das darf dir als mein Abgesandter nun nicht mehr passieren!“

Ich: „Dein Abgesandter?“, warf ich ein,
„das kann doch wohl nicht richtig sein…
Willst du mir jetzt Gesetze geben…
da würd‘ ich wie auf Wolken schweben!“

Gott zog sich aus bis auf die Haut und verwandelte sich wieder in einen Mann zurück, indem er sich einen langen, weißen Bart anklebte.

Gott: „Keine Angst Söhnchen – niemand kann mich sehen, nur du!“

Ich: „Aber ich hab gerade deine Blöße gesehen, aaalso, da war ja eigentlich gar nichts…
du hast kein Glied und keine Scheide.
Wie darf ich das verstehen?
Bist du der Kern nur allen Lichts?
Auf keinen Fall `ne Augenweide“.

Gott: „Ich bin Frau Herr, dein Gott, mir wird nichts mangeln, folge mir auffällig und ich werde bei dir sein, wann immer du glaubst, daß ich da bin!“

Ich: „Entschuldige, ich denke gerade rein blasphemisches Zeug, ich glaube ich phantasiere, oder wärst du lieber real?“

Gott: „Was ist das ‚real‘?“

Ich: „Ähem, ‚real‘, das ist alles was ich zu sehen glaube, zu fühlen, zu hören“

Gott: „Ach so, ja, dann bin ich real! Und jetzt gebe ich dir meinen Segen und du läufst rum und preist meinen Namen über die Hutschnur!“

Ich: „Deinen Namen? Ok, aber wie heißt du denn?“

Gott: „Ich heiße nicht,
ich beiße nicht,
ich bin für alle unsichtbar, und trotzdem betet man mich an.
So frage nicht!
Ist dir nicht klar, daß man mich gar nicht nennen kann?!
Mein Name ist halt ‚Gott‘!“

Ich: „Aha, du lieber Gott – oh Verzeihung – was soll ich denn den Leuten sagen?!

Gott: „Hör auf zu klagen –
appelliere nur an ihr Gewissen – sag, du kannst es besser wissen,
wonach sie rennen oder streben,
in ihrem Hühnerleiterleben“.

Irgendwie komme ich mir so langsam verarscht vor. Das träume ich doch nur - ? Bin ich noch zurechnungsfähig? Naja, im Rechnen war ich ja noch nie so gut… Also beginne ich lieber eine neue Zwiesprache mit Gott.

Ich: „Gott, bist du denn echt vorhanden?“

Gott: „Ich reite dich zuschanden!“

Ich: „Ich bin von dir erfüllt!“

Gott: „Wenn das die Sehnsucht stillt!“

Ich verzweifle! „Wir sehen uns beim Tanz der Vampire!“, rufe ich die Straße entlang…und ein paar Leute drehen sich verdutzt um, als hätte ich sie gemeint. Hmmm, hab ich das vielleicht auch?

Dann stelle ich mir einen Spiegelsaal vor…
„Du wirst alleine im Spiegel sein“, singt nun ein Engel, der gerade vom Himmel herabschwebt…
Ich sehe ihn ganz deutlich – er sieht wie eine Wolke aus…
ich bin der Chef im Narrenhaus!
Aber der Engel ist da, das kann ich beschwören.
Gott aber bleibt weiterhin überall und nirgends…

„Ich weiß, ich weiß“ jammere ich, „Gott ist ja unsichtbar“.

Gott: „Deshalb bin ich noch lange nicht aus der Welt! Tu jetzt endlich was ich dir gesagt habe – verbreite meine Gesetze und mach den Leuten zwischendurch auch eine Freude, indem du sie jemanden umbringen lässt, der sich meinen Gesetzen nicht beugen will!“

Ich falle auf die Knie…: „Oh du mein Herr, mein Gott,
mein großer Sapperlott,
ich werde dir stets dienen,
mit allerbesten Mienen,
und sollte einer sterben,
wird’s mir den Appetit auch nicht verderben!“

Gott zeigt mit dem Finger auf die Welt.
Die Welt ist sichtbar – der Finger nicht.

Gott: „So nimm denn diese Scherben!“

Da schweben, direkt aus dem Himmel, von 1er Million Engel getragen, 10 Teile eines zerbrochenen Kruges herab…

Die Engel singen:
„Dies ist ein Gleichnis für die Welt,
nun füge sie zusammen.
Der Erdkreis sei dir unterstellt –
Befriede ihn mit Flammen!“

Ich gerate in Panik und fliehe in die nächste dunkle Gasse, in der sich zwielichtige Gestalten herumtreiben.

Am Rande bekomme ich mit, daß in dieser Gasse, in der ich mich jetzt befinde, gerade ein Umzug stattfindet – man wirft allen möglichen Unrat auf die Straße.

Zum Glück habe ich einen Sack dabei. In diesen packe ich die Scherben des Kruges und bringe sie nach Hause. Dort ergreife ich eine Feder und schreibe, nicht nur wie in Trance, sondern wirklich in Trance – in 666tägiger Arbeit 666 Gebote hinein. Dann suche ich beim nächstliegenden Antiquitätenhändler einen geeigneten, goldenen Rahmen und platziere sie darin künstlerisch, um nicht kunstvoll zu sagen. Denn Gottes Gebote sind mir das wert.

Dann gehe ich aus dem Haus. Obwohl ich lange nichts gegessen und getrunken habe, glaube ich wenigstens – dabei ignoriere ich die 1000 Flaschen Schnaps und Wein, die sich ganz plötzlich in meiner Wohnung befinden…so als hätte sie eine überirdische Macht dorthin gezaubert – und ich beginne zu predigen…

Gott ist bei mir, als sie mich verhaften und meines schlechten Aussehens wegen (tiefschwarze Augenringe) in eine psychiatrische Klinik bringen. Wir sehen uns auf meinem Zimmer wieder…

„Du bist ungehorsam!“ zürnt er – „wie konntest du nur so schwach werden?!“

Ich: „Das liegt am Fleisch, du lieber Gott –
Ich bin für dich im Eselstrott,
indem ich nach der Rübe tanze…
und täglich eine solche pflanze, wo ich nur kann –
ich bin ein Mann!“

Gott lacht schallend!

„So habe ich dich denn erschaffen, damit du dich wie ein Affe benimmst?“

Ich: „Mir geht die ganze Welt mit bestem Beispiel doch voran, damit ich mich nicht schämen soll.“

Ich werde untersucht, aber man findet nichts...ich zittere nur ein wenig...

Nach 3 Tagen bin ich wieder frei und treibe mich auf der Straße herum…

Ich predige sofort wieder und steigere mich in einen Wahn hinein, der mit einem Rauschgifttrip vergleichbar ist. Nachdem ich momentan nichts zu saufen habe ist das der einzige Trost in meinem Leben!

„O Menschheit, du bist furchtbar sündig!
Du bist hemmungslos – nicht mündig!
Höre auf mein Wort, denn ich bin ein Prophet,
wie er (noch nicht) im Buche steht…
doch werd‘ ich sofort eines schreiben
und gar nicht sauber bleiben!

Gott ist nun in meinem Inneren und feuert mich an:

„Du bist mein Sohn, mein Abgesandter –
und ich bin dein Bruder, dein Verwandter.
Du musst dich um mich sorgen –
ich will dir alles borgen,
was du als Großmaul nur so brauchst,
wenn du in die Menge tauchst,
um möglichst viele Dumme aufzufinden…
du musst DEN Glauben mir begründen!“

Ich beginne das Gebot der Stunde zu begreifen: die Welt braucht keine weiteren wissenschaftlichen Erkenntnisse! Die Welt braucht dringend eine für alle taugliche Religion, die es den Mächtigen erlaubt die Ohnmächtigen zu beherrschen…

Und ich werde das Werkzeug dafür sein! Das macht mich schließlich zum Mächtigsten der Mächtigen, denn alle Mächtigen werden sich, nachdem sie an geglaubt haben, meine Parolen für ihre Zwecke missbrauchen zu können, mir unterordnen müssen.

(Dies spricht eine geheimnisvolle Stimme, die alle Zuschauer in der Kulisse der großen Stadt Paris, hören können)

Von irgendwoher brandet Applaus auf!!
Und das Wunder geschieht – die Massen versammeln sich! Sie grüßen mich:

„Was, du Weiser sollen wir tun,
damit dein Gott uns nicht mehr zürnt?
Wir lassen die Gedanken ruh’n
und geh’n, in Fäden stark verzwirnt,
an deinem Gängelband und staunen –
wir unterwerfen uns den Launen!“

Ich antworte wie von selbst, denn in mir ist inzwischen Gott wirksam, so daß ich nicht einmal mehr selbst formulieren muss…alles läuft wie geschmiert!

„Tut Buße, unterwerft euch diesem Popanz in der Nacht,
er hat in Liebe nur an euch gedacht…
Doch wer ab jetzt Gesetze nicht beachtet,
die unser Herr, das Schreckgespenst,
entwarf und nur für euch erschuf,
dem sei nach allem hier getrachtet,
das du als Menschlein eben kennst…
denn Gott zu ehren, sei dein guter Ruf!“

Wohlwollend sehe ich zu wie überall Galgen errichtet werden – mein Werk trägt die ersten Früchte. Ich bin stolz auf mich!

Bald habe ich viele Trabanten, die mich den ganzen Tag ausfragen, welche Aufgaben sie für mich und meinen Gott erfüllen sollen und ich beeile mich, sie nicht zur Ruhe kommen zu lassen…

Und ich höre die Stimme Gottes:
„Der Mensch braucht die Beschäftigung –
und einen sich’ren Halt,
ein Motto stets und die Bekräftigung,
daß Glauben nur mit viel Gewalt
aufrecht zu erhalten ist!
Sei verschlagen wie ein Terrorist!“

Ich lausche der Stimme Gottes, verstehe diese Botschaft aber nicht voll und ganz. Was soll ich nur machen? Ich bin anscheinend nicht absolut geläutert… So werfe ich mich vor ihm in den Staub und wiederhole demütig alle 666 Gebote, die ich aufgeschrieben und selbstverständlich auswendig gelernt habe. Danach geht es mir besser!

Ich predige wieder:
„O Gott du Schöpfer alles Wesen,
du kehrst, mit eisernem Besen
den Unrat fort aus unseren Reihen –
kannst du mir noch einmal verzeihen,
daß ich so ungehorsam war?
Ich will dir dienen immerdar!“

So langsam glaube ich selbst an meinen Wahn und ich weiß es jetzt genau – ich bin der Gesandte des Herrn! Nie wieder will ich an mir zweifeln…

Denn unablässig strömen mir die Gläubigen zu. Sie verlassen sich auf mich, ich darf jetzt nicht schwach werden!

„Folgt mir und ich führe euch in die gelobten Länder!
Wir machen sie uns untertan, die ganze Welt!
Wir siedeln gleich von hier bis an die Ränder,
der Erdenscheibe – wo es uns gefällt!
Wir werden viele Jungen haben,
ja, das begreifen wir als Segen,
als wunderbare Gottesgaben…
mit uns sei Gott auf allen Wegen!“

Ich gehe nach Hause, um die Stücke des zerbrochenen Kruges in Augenschein zu nehmen. Vielleicht hat Gott ja Nachrichten eingeritzt. Meine unmittelbaren Helfer und deren Helfer, die Helfershelfer, begleiten mich – nein, sie verfolgen mich auf Schritt und Tritt.

Auf dem Weg erzähle ich ihnen wie Engel mir die Scherben übergaben, dann öffne ich den Sack!
Heraus kommt ein völlig unversehrtes Gefäß!!

„Ein Wunder!“ rufen meine Anhänger, „der Herr hat ein Wunder vollbracht!“

Einen Augenblick lang weiß ich nicht, wen sie mit „der Herr“ gemeint haben…mich oder Gott, dann reagiere ich jedoch geistesgegenwärtig und sinke auf die Knie!

„Wir loben dich o Herr und deine grenzenlose Güte!
Du machst stets heil, was uns gebricht!
Du stützt und pflegst uns im Gemüte,
denn keiner von uns ist ein Licht…
und wenn wir dich als Geist nicht hätten,
dann wären wir nicht mehr zu retten!“

Um mich und draußen, die ganze Straße entlang, bis hinein, ins Zentrum der schönen Stadt gehen die Gläubigen auf die Knie…das Wunder hat sich herum gesprochen!

Mein treuester Vasall, ein geübter Speichellecker tritt vor und sagt, mit weithin hörbarer Stentorstimme:
„Lasst uns einen Tempel bauen,
an dieser Stelle, die der Herr erwählte!
Fang an beim nächsten Morgengrauen,
du Menschheit, du so sehr gequälte,
damit dir Trost und Hilfe werde,
auf dieser arg verlor’nen Erde!“

Ich lächle still in mich hinein, denn es ist vollbracht und ich habe dabei nicht einmal einen Kratzer abbekommen!

Jetzt kann ich daran gehen vorbildlich zu sein!

Zuerst erwähle ich mir deshalb aus meinen unzähligen Verehrerinnen – die schon feucht werden, wenn sie mich nur von weitem sehen, ein paar Frauen aus, die mir devot dienen dürfen. Und ich ernte Jubel!

„Der Prophet hat gelächelt, wir sind entzückt,
da wird doch der Hund in der Pfanne verrückt –
wir werden ihm folgen wohin er nur will,
denn in uns brennt Leidenschaft, ein schönes Gefühl!“

Ich bin umringt von guten „Zufällen“ und finde nunmehr, daß ich es verdient habe, angebetet zu werden. Also lasse ich mich von den Frauen in vorbereitete Gemächer ziehen wo es schon verführerisch nach allem duftet, was Männer scharf macht.

In den Augenwinkeln sehe ich noch die unzähligen Trojanischen Pferde, die meine Getreuen gebastelt haben, um den Willen Gottes zu erfüllen und alle Völker der Erde mit unserem Erbe zu beglücken.
Dann schlafe ich, in den samtweichen Armen des Glückes selig ein…natürlich nicht, ohne mich vorher ordentlich ausgetobt zu haben…


Amen!


© Alf Glocker


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