Nachdenklich betrachtend stehe ich vor einem Kadaver! Ich muss mich setzen! Ich stütze mein Kinn auf die Faust, die sich, getragen vom Unterarm, wiederum auf ein Knie stützt. Für Röntgenaugen sehe ich aus wie der Denker von Rodin, denn Röntgenaugen können die Kleidung durchdringen…

Ich schau mich um – was ist passiert? Um mich sehe ich die Spuren großer Füße…großer ignoranter, unempfindlicher Füße, die nicht von Augen gelenkt wurden. „Wo ist das Bewusstsein?“ schreie ich in die Nach, die eigentlich ein Tag sein sollte, aber die undefinierbaren Wesen um mich nicken nur zustimmend.

Was sie meinen? Sie sind der Meinung ein „Bewusstsein“ zu haben, bei „Bewusstsein“ zu sein… Daraufhin mache ich mehrere Tests und erschrecke – wenn das ein „Bewusstsein“ sein soll, dann haben Ameisen auch eines! Oder Asseln, oder Fische, oder Quallen…die ja bekanntlich kein Hirn haben (ein Herz auch nicht).

Nun gut, alles lebt – ist körperlich vorhanden. Essen und Trinken wird mühelos gemeistert…insofern es dem jeweiligen „Bewusstsein“ klar geworden ist, wie man so etwas beschaffen kann und was der einigermaßen sinnvollen Beschaffung widerspricht. Dafür braucht es einen halbwegs guten Geisteszustand.

Dann natürlich die Fortpflanzung – die geht bei den meisten „automatisch“. Man guckt sich jemanden an (sofern man Augen hat) und „nimmt“ ihn / sie sich. Kompliziertere Gesellschaftsformen, wie die der Paradiesvögel machen sich größere Umstände damit. Einfachere Existenzen kaufen sich einen Geschlechtspartner.

Ob die wirklich bei „Bewusstsein“ sind ist jedoch nicht verhandelbar, da es sich bei diesen einfacheren Existenzen leider auch um „Menschen“ handeln könnte – und die darf man ja bekanntlich nicht schmähen, außer ihr „Bewusstsein“ ist von auffällig weiten Horizonten umgeben. In diesem Fall ist Vorsicht angeraten!

Da wird der Kadaver der Welt hellhörig, so als zöge es ihn in den Abgrund einer selbstzerstörerischen Leidenschaft, die er, nein nicht „Bewusstsein“, sondern „adäquate Bildung“ (im Sinne von angemessen) zu nennen pflegt. Der Teufel ist ein guter Schneider – was er uns anmisst, das sitzt!

Aber alle wollen halt eben auch „nur“ leben! Trampeltiere können nichts für ihr Getrampel, das ist amtlich… Und die Nächstenliebe zu Asseln aller Art wurzelt tief in unseren Quallenherzen, um uns sekündlich zu belehren: Gehe niemals ins Gericht, außer du verstehst es nicht, was man dir vorsetzt alle Zeit. Gib dem Wahnsinn das Geleit.

Noch zuckt der Kadaver in seiner Agonie. Noch fährt er abermilliarden Fangarme aus, um alles mit sich in den Abgrund zu zerren, was im Augenblick noch frei denken kann. Ich denke an den Röntgenblick und bekomme das kalte Gruseln. Was ich hier betreibe ist eine Seance mit gerade noch Lebenden.

Ich interviewe das Jenseits im Voraus, befrage eins ums andere Mal, den so gut wie Verstorbenen nach etwas Unsichtbarem, das man nur fühlen kann, wenn man ein Bewusstsein hat, aber ich bekomme nur immer eine stereotype Antwort: Der Sterbende, die fast schon tote Welt röchelt mich an, schüttelt aber den Kopf!

Ein Bewusstsein könne sie sich nicht leisten, entnehme ich dieser kopflosen Geste! Vernunft? Nein danke! Will sie mir das mitteilen? Sicher nicht! Sie möchte mir wahrscheinlich, in ihrem letzten Aufbäumen, sagen: „Warum muss ich sterben, wo ich doch immer nur ans Geld gedacht habe – und das ist doch vernünftig?!“

Ich muss mir also eingestehen, daß ich richtig verstanden habe, der Patient etwas anders gemeint hat. Das ist problematisch! Denn nun kann ich nicht einmal um ihn trauern. Die Welt wird sterben, aber trauern kann ich nur um ein paar Wenige, deren Vergehen es war ihr Bewusstsein natürlich erweitern zu wollen.

Der Gestank wird langsam unerträglich! Ich sehe Leichenfelder in der Zukunft anwachsen, die keine Zukunft mehr sein wird. Das ist der Lohn für alles Streben! Ein paar Vollidioten haben sich ihren Teil genommen, ohne Hirn und ohne Herz…und was danach kommt war ALLEN anscheinend völlig egal. Denn: alles wird gut!

Das ist die Quintessenz bewusster Gedanken, bewussten Handelns? Ja! Denn wer sich „seiner bewusst“ ist, also weiß, daß er vorhanden ist, der lebt! Mehr brauche ich nicht wissen. Höchstens noch, daß es gut ist, daß ich vorhanden bin, denn sonst wäre ich ja nicht vorhanden…harharr…Zecken „denken“ das übrigens auch!


© Alf Glocker


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